Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hildegard G*****, 2.) Daniela L*****, und 3.) Thomas S*****, alle vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, sowie der Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Parteien 1.) Dr. Wolfgang K*****, Rechtsanwalt in Voitsberg, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P***** GmbH, *****, und 2.) S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Günther Schmied und Dr. Markus Passer, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. Oliver C*****, vertreten durch Fritsch, Kollmann & Partner Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. August 2010, GZ 4 R 38/10f-27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.) Zum Feststellungsinteresse der Kläger (§ 228 ZPO):
Unabhängig davon, ob die Kläger bereits in der Lage wären, einzelne aus dem schuldhaften Fehlverhalten des Beklagten entstandene, vermögensrechtliche Ansprüche mit Leistungsklage geltend zu machen, gilt, dass eine solche Möglichkeit die Feststellungsklage dann nicht hindert, wenn durch den Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch noch nicht erschöpft ist (RIS-Justiz RS0039021). Weil sich jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz die Konsequenzen des Konkurses der Bauträgerin auf die vermögensrechtliche Lage der Kläger, die zur ihrer Sicherheit nur über eine bücherliche Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG verfügen, nicht abschätzen ließ, bestehen an der Zulässigkeit einer Feststellungsklage keine Bedenken.
2.) Bei dem im vorliegenden Fall angewendeten Bauträgervertragsmodell der grundbücherlichen Sicherstellung nach § 9 BTVG ist der Erwerber aus einem Bauträgervertrag über den Erwerb - hier - von Wohnungseigentum durch eine ausreichende bücherliche Sicherstellung des Rechtserwerbs auf der zu bebauenden Liegenschaft - hier zufolge § 9 Abs 2 BTVG durch Anmerkung der Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums (§ 40 Abs 2 WEG) - in Verbindung mit der Zahlung nach Ratenplan (§ 10) zu sichern.
Für die Kläger wurde zwar jeweils eine solche Anmerkung bewirkt, doch gingen sämtlichen Anmerkungen hypothekarisch sichergestellte Pfandrechte der auch das Bauvorhaben finanzierenden 2. Nebenintervenientin vor.
§ 9 Abs 3 BTVG (in der hier maßgeblichen Stammfassung vor der Novelle BGBl I 2008/56 - § 18 Abs 6 leg cit) normiert für diesen Fall:
„Sofern nicht etwas anderes vereinbart worden ist (§ 4 Abs 1 Z 4 [vom Erwerber allenfalls zu übernehmende Lasten]), muß weiters die Lastenfreiheit der Liegenschaft hergestellt oder die künftige Lastenfreiheit gesichert sein. Zwischen dem Hypothekargläubiger und dem Bauträger muß zugunsten des Erwerbers vereinbart sein, daß die Liegenschaft oder der Anteil des Erwerbers mit Ausnahme jenes Teils des Entgelts freigestellt wird, den der Erwerber noch nicht entrichtet hat.“
Der zufolge § 12 Abs 1 BTVG zwingend zu bestellende Treuhänder, hier der Beklagte, hat gemäß § 12 Abs 4 BTVG „die vertraglichen und grundbuchsrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere das Vorhandensein von Freistellungsverpflichtungen der Hypothekargläubiger (§ 9 Abs 3) zu prüfen und den Erwerber bei der Einhaltung des Ratenplans durch Überwachung des Baufortschritts zu unterstützen“.
Zufolge § 7 Abs 4 BTVG werden Ansprüche des Bauträgers und eines Dritten erst dann fällig, wenn und soweit die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Sicherungen des Erwerbers vorliegen.
3.) Nach den maßgeblichen Feststellungen ersuchte die Hypothekargläubigerin den Beklagten als Treuhänder, im Hinblick auf die von ihr vorgenommene Vorfinanzierung des Grundstücks „zur Lastenfreistellung“ je verkaufter Einheit einen Teilkaufpreis von 18.000 EUR auf ein bestimmtes Konto zu überweisen. Ein halbes Jahr später ersuchte die Hypothekargläubigerin den Beklagten „für die notwendige Lastenfreistellung“ sämtliche Auszahlungen betreffend das Bauvorhaben ausschließlich auf ein bestimmt bezeichnetes Konto lautend auf die Bauträgerin zu veranlassen. Der Beklagte „interpretierte“ diese Schreiben dahin, dass bei Bezahlung eines Betrags von 18.000 EUR pro Wohneinheit die Lastenfreistellung durch die Hypothekargläubigerin erfolgen würde.
Schon vor diesem Schreiben der Hypothekargläubigerin hatte der Beklagte als Treuhänder Treuhanderläge der Erwerber weitergeleitet. Eine mündliche Vereinbarung über eine Freistellungsverpflichtung lag nicht vor.
Über das Vermögen der Bauträgerin und das der Liegenschaftseigentümerin wurde in der Folge das Konkursverfahren eröffnet. Die Hypothekargläubigerin lehnte bisher eine Lastenfreistellung zugunsten der Erwerber ab.
4.) Die Vorinstanzen beurteilten angesichts dieser Sachlage die Weiterleitung von Treuhandgeldern an die Bauträgerin und die Hypothekargläubigerin als Verstoß gegen die den Beklagten zufolge § 12 Abs 4 BTVG treffende Verpflichtung zur Überprüfung des Vorhandenseins von Freistellungsverpflichtungen der Hypothekargläubigerin iSd § 9 Abs 3 BTVG.
Die vom Revisionswerber als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO relevierte Rechtsfrage, welche „inhaltlichen Mindesterfordernisse“ eine Freistellungsvereinbarung aufweisen müsse, um den Anforderungen des § 9 Abs 3 BTVG zu genügen, bedarf im vorliegenden Fall keiner grundsätzlichen Klärung durch das Höchstgericht. Es versteht sich von selbst, dass die nach § 12 Abs 4 BTVG vom Treuhänder zu prüfende Freistellungsverpflichtung des Hypothekargläubigers jedenfalls als solche durchsetzbar sein muss, also letztlich den Hypothekargläubiger zur Einwilligung in die Löschung in grundbuchsfähiger Form verpflichten muss (vgl RV 312 BlgNR 20. GP 21; AB 450 BlgNR 20. GP 3). Die ausreichende Bestimmtheit einer solchen Verpflichtung ist an allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen zu messen (vgl RIS-Justiz RS0013954; RS0014693 [T5]; RS0014692; RS0017827).
Dass die Vorinstanzen bei Auslegung des Inhalts der beiden Schreiben der Hypothekargläubigerin an den Treuhänder keinen entsprechenden Erklärungs- bzw Bindungswillen und vor allem keinen Verzicht auf die Geltendmachung verbücherter Pfandrechte erkennen konnten, geht in seiner Bedeutung nicht über den vorliegenden Einzelfall hinaus. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist schon deshalb nicht erfolgt, weil die Verpflichtung zu einer Lastenfreistellung letztlich immer auf einen Verzicht von Rechten hinausläuft und ein auch konkludenter Verzicht nicht leichtfertig angenommen werden darf (§ 863 ABGB; RIS-Justiz RS0014190; RS0014090 [T2]). Welche Bedeutung der Treuhänder den Schreiben der Hypothekargläubigerin zumessen durfte, bestimmt sich auch daran, dass eine Freistellungsverpflichtung zugunsten der Erwerber grundsätzlich zwischen dem Hypothekargläubiger und dem Bauträger abzuschließen ist (§ 9 Abs 3 BTVG), vom Treuhänder zufolge § 12 Abs 4 BTVG aber das Vorhandensein einer solchen Verpflichtung zu prüfen ist. Dass er die Existenz einer bereits gegenüber der Bauträgerin bzw den Erwerbern eingegangenen Freistellungsverpflichtung zugrunde legen konnte, behauptet der Beklagte nicht.
5.) Dass daneben Sicherungspflichten des Bauträgers bestehen (§ 7 BTVG), ändert an den den Beklagten aus § 12 Abs 4 BTVG und aus dem Treuhandvertrag treffenden Verpflichtungen nichts. Er durfte Treuhandbeträge erst auszahlen, wenn die vom BTVG vorgesehenen Voraussetzungen, deren Zweck die Minimierung des Risikos der Erwerber ist (vgl RIS-Justiz RS0010472 [T19]), erfüllt waren.
6.) Letztlich überzeugen auch die Ausführungen der Revision zur angeblich fehlenden Kausalität nicht. Im vorliegenden Feststellungsprozess ist nicht der Zusammenhang zwischen einem konkreten Schaden und dem schädigenden Ereignis, sondern der Kausalzusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und einem potentiellen Schaden zu prüfen (RIS-Justiz RS0038915 [T3]). Den Klägern ist bereits durch Nichtverwirklichung des Sicherungskonzepts des § 9 BTVG (im Zusammenhang mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Bauträgers) ein vermögensrechtlicher Nachteil in Form der Verschlechterung ihrer Rechtsposition entstanden (vgl RIS-Justiz RS0022526; RS0022477; RS0022537).
Es liegen daher die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO insgesamt nicht vor. Einer weitergehenden Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Anmerkung
Siehe auch 2 Ob 178/10fSchlagworte
Streitiges WohnrechtTextnummer
E96458European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00193.10H.0209.000Im RIS seit
11.03.2011Zuletzt aktualisiert am
11.02.2013