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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Mag. Walter Dreischütz, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserbachstraße 35/1/3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. Oktober 1999, Zl. MA 12 - 11975/88A, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. Mai 1999 wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 12 - Sozialamt, Sozialreferat für den 21. Bezirk, den Antrag des Beschwerdeführers vom selben Tag auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 28. Mai bis 27. Juni 1999 ab. Eine schriftliche Ausfertigung dieses (mündlich verkündeten) Bescheides wurde dem Beschwerdeführer, der unmittelbar nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangt hatte, durch postamtliche Hinterlegung am 10. Juni 1999 (Beginn der Abholfrist am selben Tag) zugestellt.
Mit dem am 25. Juni 1999 beim Sozialreferat für den 21.Bezirk eingelangten Schreiben vom 22. Juni 1999 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 28. Mai 1999 Berufung. Am Ende dieses Schreibens findet sich der Vermerk, dass es ergeht an
1. "Sozialreferat f. d. 21 Bezirk" und 2. "MA 12 - Gonzagagasse 23 Mag. K.".
Am 28. Juni 1999 langte bei der Magistratsabteilung 12 eine am 25. Juni 1999 zur Post gegebene Ausfertigung des Schreibens vom 22. Juni 1999 ein.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1999 hielt der Magistrat der Stadt Wien, MA 12 - Sozialamt, 1010 Wien, Gonzagagasse 23, dem Beschwerdeführer vor, dass die am 25. Juni 1999 zur Post gegebene und am 28. Juni 1999 eingelangte Berufung verspätet sei. Dieses Schreiben wurde von Mag. K. gefertigt.
Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom 16. August 1999, das er mit "Sehr geehrte Fr. Mag. K." einleitete und in dem er darauf hinwies, dass er gegen den Bescheid des Sozialreferates für den 21. Bezirk fristgemäß Berufung bei diesem Amt mit eingeschriebener Sendung erhoben habe. Das Schreiben an die MA 12 Gonzagagasse 23 vom 25. Juni 1999 habe nur zur Kenntnis von Frau Mag. K. in dieser Angelegenheit gedient.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück und führte begründend aus, im Hinblick auf die am 10. Juni 1999 erfolgte Zustellung habe die Berufungsfrist am 24. Juni 1999 geendet, sodass die am 25. Juni 1999 zur Post gegebene Berufung verspätet sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiter zu leiten.
Die belangte Behörde vertritt im Hinblick auf die - unbestritten - am 10. Juni 1999 erfolgte Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zutreffend die Auffassung, dass die Berufungsfrist mit Ablauf des 24. Juni 1999 geendet hat. Sie hat aber im Widerspruch zur Aktenlage und ungeachtet des auf dem Schreiben vom 22. Juni 1999 enthaltenen Vermerks betreffend Versendung von zwei Ausfertigungen sowie der Äußerung des Beschwerdeführers vom 16. August 1999, in der er ausdrücklich darauf hinwies, dass fristgerecht Berufung erhoben worden sei und die am 25. Juni 1999 versendete Ausfertigung nur der Information von Frau Mag. K. dienen sollte, angenommen, dass die Berufung (nur) mit der am 25. Juni 1999 versendeten Ausfertigung des Schreibens vom 22. Juni 1999 erhoben worden sei, und hat die Tatsache, dass bereits am 25. Juni 1999 beim Sozialreferat für den
21. Bezirk eine Ausfertigung des Schreibens vom 22. Juni 1999 eingegangen war und sich in den Akten die Kopie eines Aufgabescheines vom 23. Juni 1999 befindet, nicht beachtet. Der belangten Behörde ist damit im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufung eine wesentliche Aktenwidrigkeit unterlaufen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Februar 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110069.X00Im RIS seit
30.04.2001