Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 65.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Mai 2008, GZ 2 R 57/08d-8, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. Februar 2008, GZ 22 Cg 170/07d-4, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.019,28 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs (darin 3.169,28 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem österreichischen Markt für Tageszeitungen. Die Beklagte kündigte in ihrer Zeitung die Wahl eines „Fußballers des Jahres“ an. In der fett gedruckten Einleitung zum Artikel hieß es: „Mitmachen lohnt sich: Gewinnen Sie ein Abendessen mit dem Sieger der großen Kickerwahl.“ Links vom Artikel befand sich ein „Wahl-Coupon“ mit der Aufschrift „Ausschneiden und einsenden“. Rechts wurde auf die Möglichkeit des Wählens im Internet hingewiesen. Ähnliche Artikel erschienen an den neun folgenden Tagen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die mit dem Erwerb der Zeitung verbundene Möglichkeit, ein Abendessen mit dem „Fußballer des Jahres“ zu gewinnen, eine nach § 9a des österreichischen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unzulässige Zugabe sei. Sie beantragt daher, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen,
„im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb von periodischen Druckschriften, insbesondere der Tageszeitung „Ö*****“, die Ankündigung und/oder Durchführung von Gewinnspielen, insbesondere der Wahl von Fußballstars, zu unterlassen, wenn dabei Preise nicht unbedeutenden Wertes, insbesondere ein Abendessen mit dem Sieger gewonnen werden können und zur Teilnahme und/oder Erhöhung der Gewinnchancen der Kauf einer von der Beklagten verlegten Zeitung notwendig oder förderlich ist bzw erscheint.“
Die Beklagte bestreitet das Vorliegen einer Zugabe im Sinn von § 9a Abs 1 Z 1 UWG. Weiters beruft sie sich darauf, dass § 9a Abs 1 Z 1 UWG gegen den abschließenden Charakter jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken nach Anhang I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) verstoße und daher unanwendbar sei.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Der angekündigte Gewinn sei für Fußballanhänger verlockend und könne daher eine Nachfrageverlagerung zur Zeitung der Beklagten auslösen. Der Erwerb der Zeitungen sei der Teilnahme förderlich, weswegen die Teilnahmemöglichkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als Zugabe im Sinn von § 9a Abs 1 Z 1 UWG zu werten sei. Die Teilnahme durch Abstimmen im Internet sei keine gleichwertige Alternative, weil zumindest ein Teil der angesprochenen Kreise über keinen Internetzugang verfüge. Eigene unlautere Handlungen der Klägerin führten nicht zum Wegfall ihres Unterlassungsanspruchs.
Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs der Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Voraussetzung für die Anwendung des Zugabenverbots sei eine nicht bloß unerhebliche Auswirkung auf den Markt („Anlockeffekt“). Eine solche Auswirkung könne nur vorliegen, soweit Interessenten über kein Internet verfügten und zudem annähmen, dass eine Mehrfacheinsendung die Gewinnchancen erhöhe und nur mit Originalcoupons (also nicht mit Ablichtungen) möglich sei. Denn nur dann wäre das Gewinnspiel für sie ein Anlass, auch an den Folgetagen Exemplare der Zeitung zu kaufen. Schließlich sei auch der Preis nicht sonderlich attraktiv, da man damit rechnen müsse, mit dem Spieler eines „gegnerischen“ Vereins zusammenzutreffen. Das beanstandete Verhalten habe daher keine relevante Auswirkung auf den Markt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein außerordentlicher Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt. Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Der Oberste Gerichtshof hatte Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität des Zugabenverbots und legte dem EuGH daher folgende Fragen vor:
1. Stehen Art 3 Abs 1 und Art 5 Abs 5 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken oder andere Bestimmungen dieser Richtlinie einer nationalen Regelung, wonach das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von unentgeltlichen Zugaben zu periodischen Druckschriften sowie das Ankündigen von unentgeltlichen Zugaben zu anderen Waren oder Dienstleistungen abgesehen von abschließend genannten Ausnahmen unzulässig ist, ohne dass im Einzelfall der irreführende, aggressive oder sonst unlautere Charakter dieser Geschäftspraxis geprüft werden müsste, auch dann entgegen, wenn diese Regelung nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern auch anderen Zwecken dient, die nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden, etwa der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt oder dem Schutz schwächerer Mitbewerber?
2. Wenn Frage 1 bejaht wird:
Ist die mit dem Erwerb einer Zeitung verbundene Ermöglichung der Teilnahme an einem Gewinnspiel allein deswegen eine unlautere Geschäftspraxis im Sinn von Art 5 Abs 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, weil diese Teilnahmemöglichkeit zumindest für einen Teil der angesprochenen Kreise zwar nicht das einzige, wohl aber das ausschlaggebende Motiv für den Erwerb der Zeitung bildet?
Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 9. November 2010, Rs C-540/08, wie folgt beantwortet:
1. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die ein allgemeines Zugabenverbot vorsieht und nicht nur auf den Schutz der Verbraucher abzielt, sondern auch andere Ziele verfolgt.
2. Die mit dem Kauf einer Zeitung verbundene Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel ist nicht allein deshalb eine unlautere Geschäftspraktik im Sinne von Art 5 Abs 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, weil diese Teilnahmemöglichkeit zumindest für einen Teil der angesprochenen Verbraucher das ausschlaggebende Motiv für den Kauf dieser Zeitung bildet.
Nach Ergehen der Vorabentscheidung wurde den Parteien Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt. Beide vertreten im Ergebnis die Auffassung, dass das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern nur mehr dann unzulässig ist, wenn es im Einzelfall gegen das Verbot irreführender, aggressiver oder sonst unlauterer Geschäftspraktiken verstößt. Nach Auffassung des Klägers trifft das im Anlassfall zu, weil die Beklagte den unrichtigen Eindruck erweckt habe, es würden insgesamt fünf Abendessen mit den Siegern der einzelnen Spielerkategorien (Tormänner, Verteidiger etc) ausgespielt; tatsächlich sei aber nur ein einziges Abendessen mit dem Gesamtsieger vorgesehen gewesen. Die Beklagte hält dem entgegen, dass sich Letzteres klar aus der Ankündigung ergeben habe.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil die Wirkungen der Vorabentscheidung für das österreichische Recht klarzustellen sind, er ist aber nicht berechtigt.
1. Nach der Vorabentscheidung ist das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben eine Geschäftspraktik im Sinn von Art 2 lit d RL-UGP (Rz 18). Das in § 9a Abs 1 Z 1 UWG angeordnete Verbot verstößt daher gegen den abschließenden Charakter der Liste jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken in Anhang I der RL-UGP, weil es unabhängig von den Umständen des Einzelfalls gilt (Rz 34 ff). Der Umstand, dass das Verbot auch anderen als verbraucherschützenden Zwecken dient, ist unerheblich (Rz 21); insbesondere kann es nicht mit der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt gerechtfertigt werden (Rz 25 ff), und zwar auch dann nicht, wenn es sich dabei um das wesentliche Ziel der Bestimmung handelte (Rz 26). Die zum Kaufentschluss des Durchschnittsverbrauchers beitragende Koppelung des Warenbezugs mit einem Gewinnspiel ist nicht jedenfalls eine unlautere Geschäftspraktik iSd RL-UGP (Rz 46).
2. Auf dieser Grundlage ist § 9a Abs 1 Z 1 UWG richtlinienkonform auszulegen.
2.1. Richtlinien sind nach dem Rechtsquellensystem des Unionsrechts nicht unmittelbar anwendbar. Zwar kann sich der Einzelne gegenüber dem Staat - also im Vertikalverhältnis - auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Richtlinienbestimmungen berufen (EuGH Rs C-41/74, van Duyn, Slg 1974, 1337; Rs C-148/78, Ratti, Slg 1979, 1629; Rs C-152/84, Marshall, Slg 1986, 723; Ruffert in Callies/Ruffert, EUV/EGV³ [2007] Art 249 EGV Rz 74 mwN). Im Verhältnis zwischen Privaten kann aber eine nicht umgesetzte Richtlinie grundsätzlich keine Pflichten begründen (Rs C-152/84, Marshall, Slg 1986, 723 [Rz 48]; C-91/92, Faccini Dori, Slg 1994 I 3325 [Rz 20]; zuletzt mwN C-227/09, Antonino Accardo [Rz 45]).
Dieser Grundsatz der Unanwendbarkeit im Horizontalverhältnis (Ruffert in Callies/Ruffert, Art 249 EGV Rz 83 mwN) wird allerdings in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH relativiert, indem eine mittelbare Reflexwirkung im Dreiecksverhältnis anerkannt wird: Bloß negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter rechtfertigen es danach nicht, dem Einzelnen die Berufung auf die Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber einem Mitgliedstaat zu versagen (Rs C-201/02, Wells, Slg I 2004, 723 [Rz 56 f]; zuletzt etwa verbundene Rs C-152/07 bis C-154/07, Arcor AG & Co KG ua, Slg 2008 I 5959 [Rz 36]). Weiters sind nach der Rechtsprechung des EuGH richtlinienwidrige technische Vorschriften im (Vertrags-)Verhältnis zwischen Privaten unanwendbar (Rs C-194/94, CIA Security International, Slg 1996 I 2201; C-443/98, Unilever, Slg 2000 I 7535). Dies wird in der Literatur weithin als Ausweitung der Direktwirkung von Richtlinien gesehen (vgl etwa Baldus, Ein weiterer Schritt zur horizontalen Direktwirkung?, GPR 2003/04, 124; Brenn, Auf dem Weg zur horizontalen Direktwirkung von EU-Richtlinien, ÖJZ 2005, 41; Eilmansberger, Zur Direktwirkung von Richtlinien gegenüber Privaten, JBl 2004, 283, 364; Frenz, Verpflichtungen Privater durch Richtlinien und Grundfreiheiten, EWS 2005, 104; Hofstötter, The Old Lady and the Quary oder: Frau Wells, ihr Haus, der Steinbruch und das Gemeinschaftsrecht - Eine Dreiecksgeschichte, ELR 2004, 276; Ruffert in Callies/Ruffert, Art 249 EGV Rz 89 ff; zuletzt etwa Köndgen in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre² [2010] § 7 Rz 37 mwN).
2.2. Auf dieser Grundlage könnte angenommen werden, dass sich der in Anspruch Genommene gegenüber dem Staat auf die Unanwendbarkeit von § 9a Abs 1 Z 1 UWG berufen kann, sodass Unterlassungsgebote nicht mehr zulässig sind; der damit verbundene Wegfall von Unterlassungsansprüchen anderer Marktteilnehmer wäre nur eine die unmittelbare Anwendung nicht hindernde „negative Auswirkung“ im Sinn der oben darstellten Rechtsprechung. Diese Argumentation setzte allerdings voraus, dass § 9a Abs 1 Z 1 UWG nicht ohnehin in einem Sinn ausgelegt werden kann, der einen Widerspruch mit der RL-UGP vermeidet. Das ist hier der Fall.
(a) Nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation haben die Gerichte der Mitgliedstaaten das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinie auslegen. Ein Widerspruch zwischen nationalem Recht und Richtlinie ist tunlichst zu vermeiden (EuGH Rs C-12/08, Mono Car Styling, Slg I 2009, 6653 [Rz 59 ff] mwN; Rs C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer, Slg I 2004, 8835; RIS-Justiz RS0075866). Die Pflicht zu richtlinienkonformer Auslegung beschränkt sich nicht auf Vorschriften, welche zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen worden sind; sie erstreckt sich vielmehr auf den gesamten Rechtsbestand des Mitgliedstaats (RIS-Justiz RS0112669; EuGH Rs C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer, Rz 115). Der richtlinienkonformen Auslegung einer Norm steht nicht entgegen, dass sie im konkreten Fall zu Lasten eines Einzelnen geht (Roth in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre2 § 14 Rz 35).
(b) Für die konkrete Umsetzung der richtlinienkonformen Auslegung verweist der EuGH auf den Methodenkanon des nationalen Rechts (EuGH Rs C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer [Rz 116]; Rs C-212/04, Konstantinos Adeneler ua, Slg 2006 I 6057 [Rz 111]; Thüsing, Zu den Grenzen richtlinienkonformer Rechtsfortbildung, ZIP 2004, 2304). Wenn und soweit daher das nationale Gericht teleologische Reduktion oder Analogie im nationalen Recht anwendet, muss es diese Instrumente auch zum Zweck richtlinienkonformer Auslegung einsetzen (Roth aaO § 14 Rz 30). Daher ist zumindest in den Rechtsordnungen des deutschen Rechtskreises (zu diesem Begriff Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung3 [1996] 130 ff) der Wortlaut einer Norm keine unüberschreitbare Grenze, maßgebend ist vielmehr der Zweck der Norm (Höpfner, Glosse zu BGH VIII ZR 200/05, EuZW 2009, 159; Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung gegen den Wortlaut des nationalen Gesetzes, NJW 2009, 412; Herrler/Tomasic, Glosse zu BGH VIII ZR 200/05, ZIP 2009, 181; Herresthal, Die Grenzen richtlinienkonformer Rechtsfortbildung im Kaufrecht, WM 2007, 1356; Riesenhuber/Domröse, Richtlinienkonforme Auslegung, RIW 2005, 52; Herrmann, Richtlinienumsetzung durch Rechtsprechung [2003] 145; Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, 393 f; Roth in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre § 14 Rz 53). Die vom EuGH gebotene volle Ausschöpfung der Auslegungsmethoden des nationalen Rechts erfordert unter Umständen eine den Wortlaut des Gesetzes übersteigende Rechtsfortbildung (Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in FS Bydlinski [2002] 49 [78 f]).
(c) In der Entscheidung VIII ZR 200/05 (= BGHZ 179, 27 - Quelle II) hielt der BGH auf dieser Grundlage fest, dass richtlinienkonforme Auslegung wenn möglich und nötig auch eine richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere durch teleologische Reduktion, erfordere. Dies setze zwar eine planwidrige Regelungslücke voraus. Eine solche Lücke könne sich aber auch daraus ergeben, dass der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Regelung schaffen wollte, dieses Vorhaben aber - wie sich nachträglich aus der Auslegung der Richtlinie durch den EuGH ergebe - nicht zur Gänze umgesetzt habe. In diesem Fall sei der erkennbare Wille des Gesetzgebers - über den Wortlaut des Gesetzes hinaus - durch Rechtsfortbildung (teleologische Reduktion) umzusetzen.
2.3. Diese Erwägungen können auf die hier strittige Zugabenproblematik übertragen werden.
(a) Die UWG-Nov 2007 sollte die RL-UGP umsetzen. Im Vorblatt zur Regierungsvorlage heißt es, dass die Neuregelung der „Maximalharmonisierung“ der von der Richtlinie erfassten Tatbestände entspreche und daher „in allen Belangen europarechtskonform“ sei (144 BlgNR 23. GP). Die Novelle sollte daher eine in jeder Hinsicht richtlinienkonforme Regelung für „Geschäftspraktiken“ iSd Art 2 lit d RL-UGP schaffen. Dabei nahm der Gesetzgeber allerdings an, dass die Richtlinie Maßnahmen der „Verkaufsförderung“ und damit Zugaben im Sinn von § 9a Abs 1 Z 1 UWG nicht erfasse (144 BlgNR 23. GP, Allgemeiner Teil). Der EuGH hat nun allerdings klargestellt, dass weder eine solche Ausnahme besteht und noch andere Erwägungen ein unabhängig vom Einzelfall geltendes Verbot von Zugaben rechtfertigen können. Hätte der Gesetzgeber diese Rechtslage gekannt, so hätte er schon zur Vermeidung von Staatshaftungsansprüchen auch § 9a Abs 1 Z 1 UWG in die Neuregelung einbezogen: Entweder hätte er diese Norm aufgehoben, oder er hätte sie richtlinienkonform geändert. In diesem Fall hätte er statt der bestehenden Regelung, die durch ein allgemeines Zugabenverbot jede abstrakte Gefährdung (auch) von Verbrauchern verhindern soll, eine Bestimmung schaffen müssen, wonach Zugaben nur dann unzulässig sind, wenn sie im konkreten Fall irreführenden, aggressiven oder sonst unlauteren Charakter haben. Eine solche Regelung hätte nicht gegen die RL-UGP verstoßen.
(b) Dieser richtlinienkonforme Zustand ist nun durch teleologische Reduktion von § 9a Abs 1 Z 1 UWG herzustellen. Das darin enthaltene Zugabenverbot ist nur mehr dann anwendbar, wenn die beanstandete Geschäftspraktik im Einzelfall auch nach § 1 Abs 3 lit a oder b oder nach § 1 Abs 1 UWG (Art 5 Abs 4 lit a oder b oder Art 5 Abs 2 RL-UGP) untersagt werden könnte. Damit verliert § 9a Abs 1 Z 1 UWG zwar seine eigenständige Bedeutung, da sich dasselbe Ergebnis auch unmittelbar auf die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen stützen ließe; er wird daher, wie der Senat im Vorlagebeschluss ausgeführt hat, in der Sache „gegenstandslos“. In seinem eingeschränkten Umfang - also insofern, als die konkret beanstandete Zugabe auch nach der RL-UGP unzulässig ist - bleibt er jedoch auch im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern (formal) anwendbar. Eine Aufhebung durch den Gesetzgeber würde allerdings im Ergebnis nichts an der schon durch richtlinienkonforme Auslegung ermittelten Rechtslage ändern.
3. Im Anlassfall führt richtlinienkonforme Auslegung zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
3.1. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist der strittigen Ankündigung nicht zu entnehmen, dass insgesamt fünf Abendessen mit den Siegern der einzelnen Spielerkategorien ausgespielt würden. Zwar werden diese Kategorien im beanstandeten Artikel näher dargestellt. Im durch Fettdruck hervorgehobenen Einleitungssatz des Fließtexts ist aber nur von „einem“ Abendessen mit „dem“ Sieger der Fußballerwahl die Rede. Der Durchschnittsverbraucher wird daher nicht annehmen, es gebe insgesamt fünf Abendessen mit den Siegern der einzelnen Kategorien zu gewinnen. Dieses Verständnis wird in weiterer Folge durch den Hinweis auf ein Abendessen mit dem „Gesamtsieger“ in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestätigt.
3.2. Dass die Ankündigung aus anderen Gründen unlauter sei, behauptet die Klägerin in ihrer Äußerung nicht. Insbesondere ist es nach der Vorabentscheidung des EuGH ausgeschlossen, allein die Koppelung des Kaufs einer Ware mit einem Gewinnspiel - also das Ausnutzen des Spieltriebs der Verbraucher - als unlauter im Sinn der großen Generalklausel zu verstehen. Denn genau auf diese Situation bezog sich die zweite Vorlagefrage des Senats. Wenn der EuGH in diesem Zusammenhang einen (zusätzlichen) Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt verlangt (Rz 46), macht er deutlich, dass an den Warenbezug gekoppelte Gewinnspiele als solche nicht unzulässig sind (Heidinger, Anmerkung zu C-540/08, MR 2010, 351 [352]; Schuhmacher, Das Ende der österreichischen per-se-Verbote von „Geschäftspraktiken“ gegenüber Verbrauchern, wbl 2010, 612 [614]). Jedenfalls im vorliegenden Fall sind keine Gründe erkennbar, die die Annahme (sonstiger) Unlauterkeit tragen könnten.
4. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern ist aufgrund richtlinienkonformer Auslegung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG nur dann unzulässig, wenn es im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist. Die Koppelung des Warenbezugs mit einem Gewinnspiel verstößt als solche nicht gegen das Lauterkeitsrecht.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die unterlegene Klägerin hat der Beklagten auch die Kosten des schriftlichen (4 Ob 149/04x) und des mündlichen Verfahrens vor dem EuGH sowie der im Revisionsrekursverfahren aufgetragenen Stellungnahme zu ersetzen. Das Honorar ergibt sich jeweils aus einer analogen Anwendung von TP 3C RATG.
Schlagworte
Fußballer des Jahres IV,EuroparechtTextnummer
E96267European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00208.10G.0215.000Im RIS seit
21.02.2011Zuletzt aktualisiert am
07.08.2014