TE OGH 2011/2/15 4Ob203/10x

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Veröffentlicht am 15.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** A***** K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ehrnberger, Rechtsanwalt in Purkersdorf als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei H***** H*****, vertreten durch Mag. Georg E. Thalhammer und Mag. Gerlinde Fleischhart, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 28. Juli 2010, GZ 23 R 250/10b-44, mit welchem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 12. Mai 2010, GZ 1 C 89/08p-40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revison wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil teils bestätigt, teils mit einer Maßgabe bestätigt und teils dahin abgeändert, dass es einschließlich der rechtskräftig gewordenen Teile lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen Unterhalt für August 2007 bis Juli 2008 von monatlich 171 EUR, das sind insgesamt 2.052 EUR, zu zahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiteren monatlichen Unterhalts von 245 EUR von August 2007 bis Juli 2008 und von 330 EUR ab August 2008 wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 5.642,42 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin 914,75 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die beklagte Partei haftet für 12 % der Pauschalgebühr erster und zweiter Instanz, von deren Tragung die klagende Partei aufgrund der ihr gewährten Verfahrenshilfe befreit war.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 154 EUR bestimmten Anteil an deren Barauslagen zu ersetzen.

Mit ihrem Berichtigungsantrag wird die beklagte Partei auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien heirateten am 29. April 2004. Es war für beide die zweite Ehe, sie haben keine gemeinsamen Kinder. Mit Urteil vom 22. Juli 2008 wurde die Ehe aus gleichteiligem Verschulden geschieden, der Scheidungsausspruch wurde am 6. November 2008 rechtskräftig.

Während aufrechter Ehe wohnten die Ehegatten in einem Haus, an dem der Beklagte über ein unentgeltliches Wohnrecht verfügte. Der Beklagte verließ die Ehewohnung am 14. Juli 2007, die Klägerin blieb zunächst dort. Am 24. Juli 2009 verpflichtete sie sich, das Haus binnen drei Monaten zu verlassen. Seit September 2009 wohnt sie teils bei ihrer Tochter, ihrem Bruder und einer Freundin. Eine eigene Wohnung hat sie derzeit - wie auch vor der Eheschließung - nicht.

Die Klägerin kann auch bei größter Anstrengung keine Arbeit finden. Sie bezieht eine Berufsunfähigkeitspension (netto, 14 mal) von 828,11 EUR (2007), 846,74 EUR (1 – 10/2008) und 875,53 EUR (seit 11/2008). Aufgrund eines Vergleichs zahlt sie ihrer Tochter aus erster Ehe monatlich 218 EUR Unterhalt. Die Tochter schloss im Mai 2009 das Psychologiestudium mit Auszeichnung ab. Da sie keine Arbeit fand, entschloss sie sich für eine Ausbildung zur klinischen Psychologin und Gesundheitspsychologin, die etwa 4.500 EUR kostete und Anfang Oktober 2010 endet. Sie war seit 2003 geringfügig beschäftigt und verdiente monatlich 100 bis 150 EUR; seit Oktober 2009 verdient sie 695 EUR (netto, 14 mal).

Der Beklagte verdient monatlich 2.300 EUR (netto, 14 mal). Er zahlte von August 2007 bis Juli 2008 (überwiegend) verbrauchsunabhängige Kosten für die Ehewohnung (GIS, Rauchfangkehrer, Gemeindeabgaben, Wasser und Kanal, Hausversicherung) von 2.227,28 EUR und verbrauchsabhängige Kosten (ua Strom, Telefon) und anderen Aufwand der Klägerin von 1.437,05 EUR. Weiters zahlte er für die Heizung der Wohnung 457,96 EUR und überließ der Klägerin ein ebenfalls für Heizkosten gedachtes Sparbuch, auf das er 500 EUR eingezahlt hatte. 1.094,28 EUR wendete er für die Rückzahlung eines für die Wohnungseinrichtung aufgenommenen Kredits auf.

Die Klägerin begehrt (nach Klageeinschränkung) Unterhalt nach § 94 ABGB für August 2007 bis Juli 2008 von 416 EUR und Unterhalt nach § 68 EheG ab August 2008 von 330 EUR. Die erstgenannten Beträge stünden ihr nach der Prozentsatzmethode zu. Für die Zeit nach der Scheidung könne sie ihren Lebensbedarf mit ihrem Einkommen nicht decken. Eine angemessene Wohnung koste 500 EUR, und sie leiste ihrer Tochter 218 EUR Unterhalt. Nach der Rechtsprechung betrage der Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG etwa 10 bis 15 % vom Einkommen des anderen Gatten.

Der Beklagte bestreitet die Ansprüche. Für die Zeit bis Juli 2008 habe er durch die festgestellten Zahlungen seine Unterhaltspflicht erfüllt. Billigkeitsunterhalt gebühre nicht, da die Beklagte über eigenes Einkommen verfügte; der der Tochter gezahlte Unterhalt beruhe noch auf einer höheren Bemessungsgrundlage; zudem sei auch die Unterhaltspflicht von deren Vater zu berücksichtigen. Die Klägerin habe auch vor der Ehe über keine eigene Wohnung verfügt und könne jetzt angesichts der kurzen Ehedauer nicht besser gestellt werden. Jedenfalls sei ein allfälliger Billigkeitsunterhalt zu befristen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für die Zeit bis Juli 2008 habe der Beklagte den Unterhaltsanspruch der Klägerin durch Naturalleistungen getilgt. Dazu gehörten nicht nur die gesamten Betriebskosten für die Ehewohnung, sondern auch die Rückzahlung des Wohnungskredits. Der Anspruch nach § 68 EheG könne, wenn überhaupt, erst ab Rechtskraft des Scheidungsausspruchs bestehen, also ab November 2008. Er sei nach Billigkeit zu bemessen und habe sich am konkreten Lebensbedarf des Anspruchswerbers zu orientieren. Die Klägerin sei bis September 2009 für ihre Tochter unterhaltspflichtig gewesen, seither wegen deren Eigeneinkommens nicht mehr. Zumindest ab diesem Zeitpunkt könne die Klägerin ihre gesamte Pension für sich verwenden, weswegen ihr kein Billigkeitsunterhalt zustehe. Aber auch in der Zeit davor sei der Anspruch zu verneinen, da die Klägerin auch vor der Ehe keine eigene Wohnung gehabt habe und angesichts der kurzen Dauer der Ehe keine Besserstellung gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es der Klägerin monatlichen Unterhalt in folgender Höhe zusprach: 230 EUR von August 2007 bis Juli 2008, 25 EUR von August bis Dezember 2008, 50 EUR von Jänner bis Dezember 2009 und 65 EUR ab Jänner 2010. Das Mehrbegehren wies es ab, darüber hinaus - im Widerspruch zum Zuspruch - (implizit) auch das Begehren von 25 EUR für August bis Oktober 2008. Die ordentliche Revision ließ es zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, wie eigenes Einkommen des Anspruchswerbers bei der Anwendung von § 68 EheG zu berücksichtigen sei.

Da der Beklagte die Ehewohnung verlassen habe, seien die überwiegend verbrauchsunabhängigen Betriebskosten bei der Bemessung des Unterhalts nach § 94 ABGB weiterhin zur Hälfte ihm zuzurechnen; das betreffe Gemeindeabgaben, Rauchfangkehrer, Wasser/Kanal und Versicherung. Bei verbrauchsabhängigen Aufwendungen gelte das nicht; diese seien daher zur Gänze zu berücksichtigen. Die Rückzahlung des Kredits für die Wohnungseinrichtung habe keinen Unterhaltscharakter und sei daher unerheblich. Die Heizungskosten seien nicht zu berücksichtigen, weil diese Kosten ohnehin vom Sparbuch beglichen worden seien, das der Beklagte der Klägerin überlassen habe. Somit habe der Kläger Naturalunterhalt von 3.050 EUR geleistet, monatlich daher rund 254 EUR. Dem stehe nach der Prozentsatzmethode ein rechnerischer Unterhaltsanspruch von 486 EUR gegenüber. Der Kläger habe daher bis August 2008 (gerundet) 230 EUR zu zahlen.

Für die Zeit von August bis Oktober 2008 begehre die Klägerin (auch in der Berufung) ausschließlich Unterhalt nach § 68 EheG. Dieses Begehren sei abzuweisen, weil der Scheidungsausspruch erst im November rechtskräftig geworden sei. Ab November 2008 stehe der Klägerin demgegenüber Unterhalt nach § 68 EheG zu. Die Klägerin müsse ihrer Tochter noch immer Unterhalt leisten, weil die Kosten der postgradualen Ausbildung von monatlich 395 EUR bei der Prüfung von deren Selbsterhaltungsfähigkeit zu berücksichtigen seien. Ausgehend davon sei der Unterhalt wie folgt zu bemessen: Die Klägerin verfüge über ein monatliches Einkommen von 875 EUR, unter anteiliger Berücksichtigung der Sonderzahlungen daher 1.021 EUR. Davon sei die Unterhaltslast für die Tochter von 216 EUR abzuziehen, was 803 EUR ergibt. Dem sei der jeweilige Ausgleichszulagenrichtsatz gegenüberzustellen, und zwar unter Berücksichtigung der (fiktiven) Sonderzahlungen und des (fiktiv) abgezogenen Beitrags zur Krankenversicherung (2008: 827 EUR; 2009: 853 EUR; 2010: 868 EUR). Die (gerundete) Differenz sei zuzusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht von einer Feststellung des Erstgerichts abgegangen ist, obwohl insofern keine Beweisrüge vorlag, und weil es bei der Festsetzung des Billigkeitsunterhalts seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat. Aus diesen Gründen ist die Revision auch teilweise berechtigt.

1. Zum Unterhalt nach § 94 ABGB

1.1. Der Beklagte wendet sich nicht gegen die Höhe des nach der Prozentsatzmethode bestehenden Unterhaltsanspruchs, wohl aber gegen die Berücksichtigung nur der halben Aufwendungen für Rundfunk und Fernsehen (GIS), die Kaminreinigung, Gemeindeabgaben, Wasser/Kanal und die Versicherung sowie gegen die vollständige Nichtberücksichtigung der Kreditrückzahlung und der Heizkosten. Diese Beträge seien wie vom Erstgericht als Naturalunterhalt anzurechnen; damit sei der gesamte Anspruch abgedeckt.

1.2. Der geldunterhaltspflichtige Ehegatte leistet durch die Zahlung von Wohnungsbenützungskosten Naturalunterhalt; diese Kosten sind in der Regel nach Köpfen auf alle die Wohnung nutzenden Personen aufzuteilen (RIS-Justiz RS0123487; zuletzt etwa 6 Ob 15/08m = EF-Z 2009, 22, und 2 Ob 224/08t = EF-Z 2009, 220 [Gitschthaler]; beide mwN). Das Verlassen der Ehewohnung durch den unterhaltspflichtigen Gatten führt nicht in jedem Fall dazu, dass sein „Kopf“ bei der (fiktiven) Aufteilung der Aufwendungen nicht mehr zu berücksichtigen wäre. Entscheidend ist vielmehr, weshalb er die Ehewohnung verlassen hat. Wenn kein Einvernehmen der Ehegatten nach § 90 ABGB vorliegt und es dem Unterhaltspflichtigen auch nicht gelingt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 92 ABGB zu beweisen, ist er weiter in die Aufteilung einzubeziehen. Er kann nämlich den Anteil der anzurechnenden Leistungen nicht dadurch zu seinen Gunsten erhöhen, dass er die Wohnung verlässt und an den Aufwendungen nicht mehr teil hat (6 Ob 5/08s = EF-Z 2008, 140 [Deixler-Hübner] mwN; RIS-Justiz RS0123488; zuletzt etwa 2 Ob 224/08t = EF-Z 2009, 220 [Gitschthaler]).

Der Beklagte hat nicht behauptet, dass Einvernehmen über seinen Auszug aus der Ehewohnung bestanden habe oder ein berechtigter Grund dazu vorgelegen sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass jedenfalls die (überwiegend) verbrauchsunabhängigen Kosten nur zur Hälfte anzurechnen sind, ist daher nicht zu beanstanden. Das gilt auch für die nicht weiter aufgegliederte Position „Wasser und Kanal“, da der Beklagte insofern nicht dargelegt hat, welcher Anteil davon ausschließlich verbrauchsabhängig ist.

1.3. Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Beklagte im strittigen Zeitraum 457 EUR „Heizkosten“ gezahlt hat. Das Berufungsgericht geht von dieser Feststellung ab, wenn es annimmt, die Zahlung sei vom Sparbuch erfolgt, das der Beklagte der Klägerin für den Heizölkauf überlassen hat. Aus den vom Beklagten vorgelegten Urkunden, auf die sich das Erstgericht in seinem Urteil bezog und die in ihrer Echtheit nicht bestritten sind, ergibt sich, dass es sich bei den 457 EUR nicht um Aufwendungen für Heizöl handelte, sondern um Entgelt für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Heizanlage. Diese verbrauchsunabhängigen Aufwendungen sind ebenfalls zur Hälfte als Naturalunterhalt anzurechnen.

1.4. Nach der jüngeren Rechtsprechung ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten überlassenen Wohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen (4 Ob 41/05s = JBl 2005, 782; 4 Ob 142/06w = SZ 2006/144; 6 Ob 5/08s = EF-Z 2008, 140 [Deixler-Hübner]; 4 Ob 42/10w = EF-Z 2010, 195; zuletzt ausführlich und mwN 2 Ob 246/09d). Die (zusätzliche) Anrechnung von Raten eines zur Wohnungsbeschaffung aufgenommenen Kredits ist nicht möglich (2 Ob 246/09d).

Im vorliegenden Fall wohnte die Klägerin (auch) von August 2007 bis Juli 2008 in der (früheren) Ehewohnung, an der der Beklagte über ein Wohnrecht verfügt. Der Beklagte hat die Anrechnung des halben fiktiven Mietwerts nicht begehrt, wohl aber jene der Rückzahlung eines für die Wohnungseinrichtung aufgenommenen Kredits von 1.094 EUR. Damit macht er in der Sache geltend, dass er der Klägerin die von ihm finanzierte Wohnungseinrichtung überlassen hat. Deren halber Gebrauchswert (der einen Teil des fiktiven Mietwerts bildet) kann in Anlehnung an diese Rückzahlungsrate nach § 273 ZPO mit 500 EUR angesetzt werden.

1.5. Damit bemisst sich der Unterhalt für die Zeit von August 2007 bis Juli 2008 wie folgt: Der monatliche Geldunterhaltsanspruch beträgt unstrittig 486 EUR. Dem sind einerseits die schon vom Berufungsgericht angenommenen Naturalunterhaltsleistungen von 3.050 EUR gegenüberzustellen. Zusätzlich ist weiterer Naturalunterhalt von 228 EUR (halbe Heizkosten) und 500 EUR (halber Gebrauchswert der Wohnungseinrichtung) anzusetzen. Insgesamt ergibt das Naturalunterhalt von 3.778 EUR, monatlich daher rund 315 EUR. Auf dieser Grundlage ist der Unterhalt für den hier erörterten Zeitraum mit monatlich 171 EUR festzusetzen, insgesamt daher mit 2.052 EUR. Das Urteil ist in diesem Sinne abzuändern.

2. Zum Billigkeitsunterhalt nach § 68 EheG

2.1. Das Berufungsgericht hat in seiner Begründung eindeutig festgehalten, dass es den Anspruch nach § 68 EheG für die Zeit von August bis Oktober 2008 - wie schon das Erstgericht - abweisen wollte. Das hat auch im insofern zur Gänze abweisenden Spruch Ausdruck gefunden. Aufgrund eines offenkundigen Irrtums hat das Berufungsgericht aber auch für diesen Zeitraum monatlich 25 EUR zugesprochen. Dieser Mangel ist einer Berichtigung zugänglich, die nach § 419 Abs 3 ZPO auch der Oberste Gerichtshof vornehmen kann. Das angefochtene Urteil ist daher für diesen Zeitraum mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Zuspruch von 25 EUR monatlichem Unterhalt von August bis Oktober 2008 ersatzlos behoben wird.

2.2. Damit bleibt der Anspruch nach § 68 EheG für die Zeit ab November 2008 zu prüfen.

2.2.1. Nach § 68 EheG kann bei Scheidung aus gleichteiligem Verschulden „dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten der Billigkeit entspricht“. Dies setzt voraus, dass der Anspruchswerber seinen Unterhalt nicht selbst decken kann (3 Ob 95/61 = SZ 34/71; 3 Ob 562/81 = SZ 54/140; 8 Ob 63/02a; 8 Ob 127/03i; Zankl in Schwimann3 I § 68 EheG Rz 4; Hopf/Kathrein, Eherecht2 § 68 Rz 4). Erst wenn das zutrifft, greift im Regelfall die Rechtsprechung der zweitinstanzlichen Gerichte, wonach der Unterhalt nach § 68 EheG mit 10 bis 15 % (LGZ Wien EFSlg 31.766, 57.274, 75.590, 104.921) der Bemessungsgrundlage des Anspruchsgegners festzusetzen ist (43 R 2053/93 = EFSlg 72.367).

Trotz des Ausnahmecharakters von § 68 EheG ist für die Gewährung des dort vorgesehenen Unterhaltsbeitrags nicht „völlige Mittellosigkeit“ erforderlich (so aber Schwimann in Schwimann, Taschenkommentar ABGB [2010] § 68 EheG Rz 1), da es eine Bedarfslücke auch bei einem tatsächlich vorhandenen (geringen) Einkommen des Anspruchswerbers geben kann. Gitschthaler (in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehegesetz [2008] § 68 Rz 9) schlägt für diesen Fall vor, auf das Unterhaltsexistenzminimum abzustellen; jedenfalls gebühre aber kein Anspruch, wenn der Anspruchswerber über Einkünfte in Höhe der Ausgleichszulage verfüge. Letzteres entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur ebenfalls an der Billigkeit anknüpfenden Bestimmung des § 69 Abs 3 EheG (6 Ob 163/04w = EFSlg 108.322, 108.324; 6 Ob 212/08g = EFSlg 123.843). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wurde das Bestehen eines Anspruchs nach § 68 EheG zuletzt bei Einkünften von 840 EUR verneint (LGZ Wien EFSlg 123.829; vgl auch 44 R 2037/94 = EFSlg 75.594 und 47 R 2008/93 = EFSlg 72.371).

2.2.2. Im vorliegenden Fall kommt das Berufungsgericht nur deswegen zu einem Unterhaltsanspruch, weil es die Unterhaltsleistungen der Klägerin an ihre Tochter von ihrem Einkommen abzieht, sodass dieses letztlich unter dem (durch Anrechnung der Sonderzahlungen und Abzug der Krankenversicherung korrigierten) Ausgleichszulagenrichtsatz liegt. Dabei verkennt es aber die Wertung des Gesetzes, wonach das Vorhandensein eines unversorgten Kindes durch Zuschläge zum Ausgleichszulagenrichtsatz zu berücksichtigen ist (§ 293 Abs 1 letzter Satz ASVG). Dieser Zuschlag betrug 2008 78,29 EUR, 2009 80,95 EUR und 2010 82,16 EUR (jeweils 14 mal). Selbst wenn man daher annimmt, dass die Unterhaltspflicht gegenüber Dritten bei der Ermittlung des eigenen Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen sein könnte (ablehnend Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht5 [2010] 16), kann aus diesem Grund nicht einfach der gesamte dort zu leistende Betrag vom Eigeneinkommen abgezogen werden. Zudem führte diese Vorgangsweise zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch mit der Lage des Unterhaltsverpflichteten, bei dem sich weitere Unterhaltspflichten nicht betragsmäßig auf die Leistungsfähigkeit auswirkten, sondern nur angemessen (im Rahmen der Prozentsatzmethode) zu berücksichtigen wären.

2.2.3. Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die (mögliche) Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter allenfalls durch den im ASVG vorgesehenen Zuschlag zum Ausgleichszulagenrichtsatz zu berücksichtigen sein könnte. Dies führte - unter anteiliger Anrechnung der Sonderzahlungen und (da es auf den Nettobetrag ankommt, der einem Mindestpensionsempfänger monatlich zur Verfügung steht) unter Abzug fiktiver Krankenversicherungsbeiträge von 5 % (vgl Schwimann/Kolmasch aaO 140) - zu einem angepassten Unterhaltsbedarf von 915 EUR (2008), 946 EUR (2009) und 959 EUR (2010). Da das Einkommen der Klägerin (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) mit 1.021 EUR jeweils über diesen Beträgen lag, bestand keine Bedarfslücke, die nach § 68 EheG zu füllen wäre. Besondere Billigkeitserwägungen, die in eine andere Richtung wiesen, sind angesichts der kurzen Ehedauer nicht zu erkennen. Das Unterhaltsbegehren für die Zeit ab November 2008 ist daher jedenfalls abzuweisen. Auf die Frage, ob die (allfällige) Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter überhaupt zu berücksichtigen ist, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 43 Abs 1 ZPO.

3.1. Die Klägerin hat zwei unterschiedliche Unterhaltsansprüche geltend gemacht. Für die Ermittlung der Obsiegensquoten ist einerseits die dreifache Jahresleistung des begehrten Unterhalts nach § 68 EheG anzusetzen (Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 471), das sind 11.880 EUR. Wegen der unterschiedlichen Anspruchsgrundlage ist darüber hinaus auch der begehrte (rückständige) Unterhalt nach § 94 ABGB von 4.992 EUR zu berücksichtigen.

3.2. Insgesamt beträgt der Streitwert daher für die Ermittlung der Obsiegensquoten in erster und zweiter Instanz 16.872 EUR; die Klägerin hat sich hier mit 2.052 EUR, also etwa 12 %, durchgesetzt. Der Beklagte hat daher Anspruch auf 76 % seiner Anwaltskosten. Dass bei der Klägerin Barauslagen angefallen wären, ist nicht bescheinigt.

Bemessungsgrundlage für das Anwaltshonorar ist, wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, nach § 9 Abs 3 RATG die einfache Jahresleistung des laufenden Unterhalts; dazu kommt wegen der unterschiedlichen Anspruchsgrundlage wieder der für eine bestimmte Zeit in der Vergangenheit begehrte Unterhalt nach § 94 ABGB. Das vom Beklagten verzeichnete Honorar ist entsprechend zu korrigieren. Pauschalgebühr hat die Klägerin wegen der ihr gewährten Verfahrenshilfe nicht verzeichnet. Nach § 70 ZPO ist auszusprechen, dass der Beklagte für 12 % der Pauschalgebühr für Klage und Berufung haftet.

3.3. Im Revisionsverfahren war rückständiger Unterhalt nach § 94 EheG von 2.760 EUR und (auch laufender) Billigkeitsunterhalt von 65 EUR strittig. Für die Ermittlung der Obsiegensquote ist daher von einem Streitwert von 5.100 EUR auszugehen. Davon hat die Klägerin mit 2.052 EUR obsiegt. Die Kosten des Revisionsverfahren sind daher gegeneinander aufzuheben; die Klägerin hat dem Beklagten die halbe Pauschalgebühr (Bemessungsgrundlage nach § 15 Abs 5 GGG) zu ersetzen.

Schlagworte

Unterhaltsrecht

Textnummer

E96490

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00203.10X.0215.000

Im RIS seit

16.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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