Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich W***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 28. Oktober 2010, GZ 14 Hv 140/10g-39, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I./ und III./ (im Umfang der Sachbeschädigung eines Reifens „in der Nacht auf 12. Mai 2010“), demgemäß auch in der zu III./ gebildeten Subsumtionseinheit, im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB, demzufolge auch der Beschluss über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich W***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II./1./), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (richtig: II./2./) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (richtig: III./) schuldig erkannt und gemäß § 21 Abs 2 StGB „in Ansehung der Verurteilung wegen § 202 Abs 1 StGB in eine Anstalt für (zu ergänzen: geistig) abnorme Rechtsbrecher eingewiesen“ (US 3).
Danach hat er
„I./ am 9. Juni 2010 in H***** Stefanie M***** gefährlich mit zumindest ihrer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr ankündigte, es würde ihr etwas passieren;
II./ am 9. Juli 2010 in Klagenfurt
1./ außer den Fällen des § 201 StGB Ursula B***** mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie an den Oberarmen festhielt und sie an den Brüsten betastete, sowie ihr unter den Rock auf die Vagina griff;
2./ eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Jeans im Wert von 119 Euro Verfügungsberechtigten des Bekleidungsgeschäfts „G***** Spezial“ mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
III./ in der Nacht auf 12. Mai 2010 bzw 30. Juni 2010 in H***** in zwei Angriffen fremde Sachen, und zwar drei Reifen des Fahrzeugs des Herbert G***** durch Zerstechen mit einem Nagel zerstört (Schaden zum Nachteil des Herbert G***** in Höhe von rund 270 Euro).“
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5a und Z 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Soweit der Rechtsmittelwerber (aus Z 5a als Aufklärungsrüge) eine Verletzung der das Gericht treffenden Aufklärungspflicht „zu den Vorfällen 11. Juli 2010“ moniert, übersieht er, dass das Anklagefaktum III./ (geschlechtliche Nötigung am 11. Juli 2010 zum Nachteil von Vera M*****; siehe ON 23 S 2) in der Hauptverhandlung ausgeschieden wurde (ON 38 S 24) und demgemäß ein Schuldspruch dazu unterblieben ist.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) zeigt unter Hervorhebung einzelner und isoliert betrachteter Bemerkungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. W***** keine Beweisergebnisse auf, die einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten indizieren würden. Vielmehr lässt der Beschwerdeführer gerade jene Aussageinhalte des Gutachters außer Acht, wonach für eine Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit iSd § 11 StGB kein Hinweis besteht (ON 38 S 20, auch iVm ON 20 S 16 f).
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde waren aber nachstehende, vom Angeklagten nicht geltend gemachte, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkende Rechtsfehler von Amts wegen aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Die Feststellungen zur gefährlichen Drohung zum Nachteil der Stefanie M***** (Urteilsfaktum I./; US 6) sind nicht geeignet, einen Schuldspruch nach § 107 Abs 1 StGB zu tragen. Denn die konstatierte (und in der Absicht, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen, getätigte) Äußerung des Angeklagten, er werde der Frau „etwas antun“, ihr werde „noch etwas passieren“ (US 6), ist - für sich betrachtet - zu unbestimmt, um deutlich zu machen, welche konkrete Rechtsgutverletzung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB (Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen) damit in Aussicht gestellt werden sollte, und solcherart nicht geeignet, die Beurteilung der Gefährlichkeit der Drohung zu ermöglichen (vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 26 und 28 ff). Das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; vgl US 2: „… mit zumindest ihrer Verletzung am Körper bedroht, …“) kann zwar zur Verdeutlichung des Urteilssachverhalts herangezogen werden, vermag aber fehlende Feststellungen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116587; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 8, sowie Ratz, WK-StPO § 281 Rz 271).
Während die Erstrichter zur Sachbeschädigung in der Nacht zum 30. Juni 2010 - Aufstechen des vorderen rechten und des hinteren linken Sommerreifens am Pkw des Privatbeteiligten Herbert G***** (zweiter Teil der eine rechtliche Subsumtionseinheit bildenden Urteilsfakten III./) - konkrete Urteilsannahmen zur Täterschaft des Angeklagten trafen, lässt sich den Entscheidungsgründen zum Angriff (hinsichtlich eines Winterreifens) in der Nacht zum 12. Mai 2010 (US 8) nicht entnehmen, ob diese Tathandlung ebenfalls vom Beschwerdeführer gesetzt wurde. In Ansehung dieser Tat fehlt es dem Urteil daher an einer ausreichenden Feststellungsgrundlage zum objektiven Tathergang. Der Ersatz mangelnder Feststellungen durch den Urteilsspruch (US 2 f) kommt auch hier nicht in Frage (abermals RIS-Justiz RS0116587).
Bleibt anzumerken, dass sich das Adhäsionserkenntnis zugunsten des Privatbeteiligten Hubert G***** (US 3) - klar ersichtlich (vgl US 8 unten) - nur auf den zweiten Faktenkomplex (Aufstechen zweier Sommerreifen in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2010) bezieht.
Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen (jeweils § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) machen eine Aufhebung der davon betroffenen Schuldsprüche I./ und III./ (bei Letzterem nur im Umfang der Sachbeschädigung eines Reifens „in der Nacht auf den 12. Mai 2010“) und demgemäß die Aufhebung im Strafausspruch sowie des Beschlusses über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht (vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 7) unvermeidlich. Da die Strafsanktion mit der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB in einem untrennbaren Zusammenhang steht, war auch die solcherart konnexe Entscheidung über den Maßnahmenvollzug zu kassieren (Ratz, WK-StPO § 289 Rz 6).
Mit seiner Berufung und der Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96529European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00189.10Y.0216.000Im RIS seit
01.04.2011Zuletzt aktualisiert am
01.04.2011