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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §26 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 5 (Tuchlauben 20), gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. November 1998, Zl. MA 65- 8/537/98, betreffend Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. Oktober 1998 ordnete die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 4 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) an, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides einer Nachschulung zu unterziehen habe. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängere sich gemäß § 4 Abs. 3 FSG die Probezeit um ein weiteres Jahr. Begründend wurde ausgeführt, die Bundespolizeidirektion Wien habe dem Beschwerdeführer am 26. Februar 1997 eine Lenkberechtigung für die Klassen B, C, E, F und G, befristet auf zwei Jahre (Probezeit), erteilt. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. August 1998 sei der Beschwerdeführer bestraft worden, weil er am 7. August 1998 gegen 16.30 Uhr im 19. Wiener Gemeindebezirk an einer näher bezeichneten Stelle als Lenker eines mit Kennzeichen näher bestimmten Kraftfahrzeuges eine Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen habe. Das Straferkenntnis sei vom unabhängigen Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 24. September 1998 bestätigt worden.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die ihm angelastete "Verletzung einer Rechtsvorschrift" gelte als nicht erwiesen. Gegen das vom unabhängigen Verwaltungssenat Wien bestätigte Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. August 1998 werde daher beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben (eine diesbezügliche Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof nicht protokolliert).
Mit Bescheid vom 16. November 1998 gab der Landeshauptmann von Wien der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, dem angefochtenen Bescheid liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. August 1998 wegen Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft worden sei, weil er am 7. August 1998 um 16.30 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle im
19. Wiener Gemeindebezirk als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges die im Ortgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 24 km/h überschritten habe. Das Straferkenntnis sei mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. September 1998 bestätigt worden und somit in Rechtskraft erwachsen. Nach der maßgeblichen Rechtslage sei die Nachschulung zwingend anzuordnen gewesen. Eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers sei nicht in Betracht gekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
§ 4 FSG lautet (auszugsweise):
"§ 4. (1) Lenkberechtigungen für die Klassen A, B, C und D oder die Unterklasse C1, die Personen erteilt werden, die vorher keine in- oder ausländische Lenkberechtigung für eine dieser Klassen besessen haben, gelten auf zwei Jahre befristet (Probezeit). ... .
...
(3) Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs. 7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung.
... .
...
(6) Als schwerer Verstoß gemäß Abs. 3 gelten
1. Übertretungen folgender Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, BGBl. Nr. 159:
...
2. Mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitungen einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von
a)
mehr als 20 km/h im Ortsgebiet oder
b)
mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen;
3. strafbare Handlungen gemäß den §§ 80, 81 oder 88 Strafgesetzbuch - StGB, BGBl. Nr. 60/1974, die beim Lenken eines Kraftfahrzeuges begangen wurden."
§ 20 Abs. 2 StVO 1960 lautet:
"§ 20. Fahrgeschwindigkeit
...
(2) Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren."
Der Beschwerdeführer bringt vor, im Verwaltungsstrafverfahren wegen § 20 StVO 1960 sei der Schuldspruch nur wegen erheblicher Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt. Aus der Verwendung des Ausdruckes "erheblich" könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Voraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a FSG vorliege. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachschulung ist nach § 4 Abs. 3 FSG, dass der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 6) begeht oder gegen die Bestimmungen des Abs. 7 verstößt, sowie - bei einem schweren Verstoß - die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines solchen schweren Verstoßes. Nach § 4 Abs. 6 Z. 1 FSG werden Übertretungen taxativ aufgezählter Bestimmungen der StVO 1960 zu schweren Verstößen im Sinne des Abs. 3 erklärt. In gleicher Weise erklärt § 4 Abs. 6 Z. 3 FSG taxativ aufgezählte strafbare Handlungen nach dem Strafgesetzbuch, die beim Lenken eines Kraftfahrzeuges begangen wurden, zu schweren Verstößen. Liegen rechtskräftige Bestrafungen wegen der taxativ aufgezählten Übertretungen der StVO 1960 oder gerichtliche Entscheidungen hinsichtlich der aufgezählten strafbaren Handlungen nach dem StGB vor, so ist die Kraftfahrbehörde an diese Bestrafungen gebunden. Es ist ihr verwehrt, die Frage der Begehung derartiger Delikte von sich aus neu aufzurollen (vgl. zur diesbezüglich gleich gelagerten Rechtslage nach dem KFG 1967 im Fall einer rechtskräftigen Bestrafung wegen Verstoßes gegen die StVO 1960 das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0079, zum Fall einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 98/11/0182).
Anders verhält es sich mit den in § 4 Abs. 6 Z. 2 FSG aufgezählten schweren Verstößen (mit technischen Hilfsmitteln festgestellte qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitungen). Wie der Beschwerdeführer zutreffend erkennt, bewirkt eine rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nach § 20 Abs. 2 StVO 1960, und zwar auch dann, wenn der Strafbescheid in seinem Spruch das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung erwähnt, hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung keine Bindung der Kraftfahrbehörde. Diese im Zusammenhang mit § 26 Abs. 3 FSG ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/11/0272) ist auch auf den Fall des § 4 Abs. 3 FSG zu übertragen. Es obliegt daher der Kraftfahrbehörde, auf einer unbedenklichen Beweiswürdigung beruhende Feststellungen zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zu treffen.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall ohne nähere Begründung und ohne eigene Beweiswürdigung die Feststellung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. August 1998, das vom unabhängigen Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 24. September 1998 bestätigt worden war, wonach der Beschwerdeführer am 7. August 1998 an einer näher bezeichneten Stelle im 19. Wiener Gemeindebezirk die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 24 km/h überschritten habe, übernommen. Sie hat sich dabei, ohne dies näher auszuführen, offenkundig auf die im erwähnten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien dargelegte Geschwindigkeitsmessung mit einem geeichten Messgerät, dessen nähere technische Daten aus dem Verwaltungsakt ersichtlich sind, bezogen. Mit dieser Vorgangsweise ist die belangte Behörde ihrer oben umschriebenen Verpflichtung zur Feststellung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung nur ungenügend nachgekommen.
Der Beschwerdeführer hat allerdings weder in seiner Berufung noch in der Beschwerde vorgebracht, zum maßgeblichen Zeitpunkt im Wiener Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von weniger als 74 km/h unterwegs gewesen zu sein. Angesichts fehlender Bestreitung des Ausmaßes der in Rede stehenden Geschwindigkeitsüberschreitung sowie eines konkreten Beschwerdevorbringens, das geeignet wäre, Zweifel an der korrekten Messung der Geschwindigkeit entstehen zu lassen, kann die Qualifikation der Geschwindigkeitsüberschreitung als schwerer Verstoß im Sinne des § 4 Abs. 3 FSG durch die belangte Behörde und ihre darauf gestützte Anordnung der Nachschulung durch den angefochtenen Bescheid nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Februar 2001
Schlagworte
Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998110306.X00Im RIS seit
12.06.2001