Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Ulrike F***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB, AZ 9 Hv 24/10s des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 6. April 2010 (ON 14 S 5) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer und der Verteidigerin Dr. Heindl zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache AZ 9 Hv 24/10s des Landesgerichts für Strafsachen Graz verletzt der Beschluss dieses Gerichts vom 6. April 2010 (ON 14 S 5) § 51 Abs 1 StGB und § 86 Abs 1 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.
Text
Gründe:
Mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 6. Apri 2010 (ON 14) wurde Mag. Ulrike F***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie im November 2006 und im Jahr 2007 in St. N***** einen Bestandteil ihres Vermögens verheimlicht und dadurch die Befriedigung wenigstens eines ihrer Gläubiger zumindest geschmälert, indem sie Einnahmen aus der Vermietung ihrer unter Zwangsverwaltung stehenden Liegenschaft in der Höhe von 11.000 Euro dem Zwangsverwalter verschwieg.
Das Erstgericht sprach hiefür eine gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe aus und fasste unter einem folgenden - nicht begründeten - Beschluss (ON 14 S 5):
„Gemäß § 51 Abs 3 StGB wird der Verurteilten mit Zustimmung die Weisung erteilt den Schaden nach Kräften innerhalb der Probezeit gutzumachen.“
Gegen diesen Beschluss erhob die Generalprokuratur die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und begründete diese wie folgt:
Eine Weisung nach § 51 StGB muss das auferlegte Gebot oder Verbot hinreichend deutlich bezeichnen und das erwartete Verhalten konkretisieren, um die notwendige verhaltensbestimmende Wirkung überhaupt entfalten zu können; nur dann kann ihre Nichtbefolgung den Widerruf der bedingten Nachsicht oder Entlassung begründen (Schroll in WK² § 51 Rz 7; Leukauf/Steininger Komm3 § 51 RN 8). Ihrem Inhalt nach kann sich die hier geforderte „Schadensgutmachung nach Kräften“ nur auf jenen Schaden beziehen, der aus der Tat der Verurteilten entstanden ist (§ 51 Abs 2 zweiter Satz StGB) und muss grundsätzlich weder eine ziffernmäßig bestimmte Zahlungsverpflichtung noch eine konkrete Frist enthalten (Leukauf/Steininger Komm3 § 51 RN 16; Schroll in WK² § 51 Rz 30 ff). Vorliegend fehlt jedoch der Weisung, „den Schaden nach Kräften innerhalb der Probezeit gutzumachen“, schon mangels Begründung die erforderliche Klarheit, bei wem der (50.000 Euro nicht übersteigende) Schaden eingetreten ist und an wen die Verurteilte Zahlung zu leisten habe. Inhaltlich des Schuldspruchs kommen nämlich als Empfänger der Schadensgutmachung sowohl der Gläubiger (Heinz P*****) als auch der - als Organ des Exekutionsverfahrens für die Befriedigung der Gläubiger tätige - Zwangsverwalter im Verfahren AZ 7 E 37/06z des Bezirksgerichts Leibnitz in Betracht. Gleichermaßen blieb offen, in welcher Weise eine - wie immer geartete - Leistung dem Gericht nachzuweisen wäre.
Da die Weisung angesichts ihrer Abfassung weder für die Weisungsempfängerin nachvollziehbar noch für das Gericht überprüfbar ist, verstößt sie gegen § 51 Abs 1 und Abs 2 StGB, wobei eine nachteilige Wirkung für die Verurteilte nicht auszuschließen ist.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
(1) Gemäß § 51 Abs 1 erster Satz StGB kommen als Weisungen Gebote und Verbote in Betracht, deren Beachtung geeignet scheint, den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten.
Die Begriffe „Gebote“ und „Verbote“ stehen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch für bindende Verhaltensanordnungen, aus welchem Grund hinreichende Konkretisierung Teil des Begriffsinhalts ist. Daher müssen gemäß § 51 StGB erteilte Weisungen nach einhelliger Judikatur und Lehre das vom Verurteilten geforderte Verhalten deutlich und bestimmt bezeichnen (RIS-Justiz RS0092363; Schroll in WK² § 51 Rz 7 mwN).
Aus der von § 51 Abs 1 erster Satz StGB verlangten Eignung, „den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten“, folgt überdies, dass nur solche Gebote und Verbote als Weisungen in Betracht kommen, die - über die bloße Androhung einer Strafe hinaus - einen zusätzlichen Anreiz zu gesetzeskonformem Verhalten schaffen, die spezialpräventive Wirkung der bedingt nachgesehenen Sanktion also verstärken.
Für die - hier erteilte - Weisung, den Schaden nach Kräften gutzumachen (§ 51 Abs 2 zweiter Satz StGB), bedeutet dies zunächst, dass der zu entrichtende Betrag ziffernmäßig bestimmt oder doch bestimmbar sein muss (EvBl 1975/284, RIS-Justiz RS0092320, Schroll in WK² § 51 Rz 31, Fabrizy StGB10 § 51 Rz 3; in diesem Sinn auch 14 Os 24/05v, SSt 2005/28; zur - soweit hier von Interesse - inhaltsgleichen Bestimmung des § 26 Abs 2 erster Satz FinStrG: RIS-Justiz RS0053185; 12 Os 54/02, SSt 64/61, 13 Os 124/10z, 13 Os 129/10k). Die gegenteilige, in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (EvBl 1979/89) vertretene Rechtsansicht vermag im Hinblick darauf, dass einerseits - wie dargelegt - das Konkretisierungsgebot für Weisungen unbestritten ist und andererseits die Höhe des zu leistenden Betrags geradezu das wesentlichste Element jeder Zahlungsverpflichtung darstellt, nicht zu überzeugen.
Dabei kommt „Bestimmbarkeit“ des zu zahlenden Betrags nur dann in Betracht, wenn dem Verurteilten aufgetragen wird, den Schaden zur Gänze gutzumachen, weil diesfalls die Höhe der Verpflichtung in aller Regel dem Urteil zu entnehmen sein wird. Verfügt das Gericht hingegen - wie hier - die Schadensgutmachung „nach Kräften“, ist die ziffernmäßige Bestimmung unumgänglich, weil ja zunächst die Leistungsfähigkeit des Verurteilten festgelegt (Schroll in WK² § 51 Rz 33 mwN) und auf dieser Grundlage der zu ersetzende Betrag ermittelt werden muss (eingehend EvBl 1975/284).
Weiters ist im Weisungsbeschluss auszusprechen, innerhalb welcher Frist der Schaden gutzumachen ist (Fabrizy StGB10 § 51 Rz 3), wobei auch die Verpflichtung zur (entsprechend determinierten) ratenweisen Zahlung möglich ist. Die - hier vorgenommene - Anordnung, den Schaden „innerhalb der Probezeit“ zu ersetzen, entspricht dem Konkretisierungserfordernis des § 51 Abs 1 erster Satz StGB nicht. Bei einer Deutung dahin, die Schadensgutmachung spätestens am letzten Tag der Probezeit zu leisten, würde sie mit Blick auf die Widerrufsvoraussetzungen (§ 53 Abs 2 StGB) - solcherart inhaltsleer - den spezialpräventiven Vorgaben des ersten Satzes des § 51 Abs 1 StGB nicht gerecht.
Schließlich setzt die Gesetzmäßigkeit der Weisung, Schadensgutmachung zu leisten, auch die Bezeichnung des Zahlungsempfängers voraus.
Da der angefochtene Beschluss den dargelegten Kriterien nicht entspricht, verletzt er § 51 Abs 1 StGB.
(2) Hinzu kommt, dass jeder Beschluss gemäß § 86 Abs 1 StPO neben dem Spruch auch eine Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat, welchen Erfordernissen der gegenständliche ebenfalls nicht genügt.
(3) Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Bezugnahme auf § 51 Abs 3 StGB unverständlich ist, weil diese Bestimmung die - hier nicht erteilte - Weisung betrifft, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen.
Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen geeignet sind, zum Nachteil der Verurteilten zu wirken, war deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96806European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00142.10X.0217.000Im RIS seit
15.04.2011Zuletzt aktualisiert am
06.12.2011