TE OGH 2011/2/17 11Os171/10x

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Veröffentlicht am 17.02.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bergmann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dominik K***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 33 Hv  2/09d-74 des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 25. August 2010, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 25. August 2010, GZ 33 Hv 2/09d-113, verletzt § 53 Abs 2 zweiter Satz StGB iVm § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Linz auf Widerruf der Dominik K***** mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 9. Februar 2009, GZ 33 Hv 2/09d-74, gewährten bedingten Strafnachsicht abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Linz vom 9. Februar 2009, GZ 33 Hv 2/09d-74, wurde Dominik K***** der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und nach § 107 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB sah das Gericht den Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Gleichzeitig erteilte es dem Verurteilten - entgegen der Bestimmung des § 494 Abs 1 erster Satz StPO im Urteil - nach §§ 50, 51 StGB die Weisungen, ein bereits begonnenes Antigewalttraining fortzusetzen und bis 30. September 2009 dessen Abschluss sowie vierteljährlich die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzuweisen (ON 74 S 4). Unter einem wurde dem Verurteilten mit Beschluss gemäß „§ 6 Abs 2 lit a StVG“ (richtig: § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG) Strafaufschub bis 9. Februar 2010 gewährt und nach §§ 50, 52 StGB Bewährungshilfe angeordnet (ON 74 S 6).

Dominik K***** befolgte bereits vor Antritt des unbedingten Strafteils die ihm erteilten Weisungen trotz förmlicher Mahnungen und gesetzter Nachfristen (ON 82 und 97) nicht und entzog sich auch dem Einfluss des Bewährungshelfers (ON 84, 89, 97). Nach Ende des Strafaufschubs musste der Verurteilte zum Antritt des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe vorgeführt werden (ON 99).

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 23. März 2010, AZ 20 BE 165/10a, erfolgte die bedingte Entlassung des Dominik K***** am 2. April 2010. Die Probezeit hinsichtlich des Strafrests von einem Monat und 14 Tagen wurde mit fünf Jahren bestimmt und dem Genannten die Weisung erteilt, sich während der Probezeit einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen (ON 104).

Dominik K***** ging auch nach der bedingten Entlassung keiner geregelten Beschäftigung nach (ON 112), wies den Abschluss des Antigewalttrainings nicht nach und brach eine am 7. April 2010 begonnene psychotherapeutische Behandlung ab (ON 107). Diesbezüglich ist eine förmliche Mahnung nicht aktenkundig. Auch hatte er - nach nur einem eingehaltenen Termin - keinen Kontakt mehr mit der Bewährungshilfe (ON 110).

Am 10. August 2010 stellte die Staatsanwaltschaft Linz beim Urteilsgericht einen „Antrag auf Widerruf“ (ON 111).

Das Landesgericht Linz sprach mit Beschluss vom 25. August 2010, GZ 33 Hv 2/09d-113, den Widerruf der mit Urteil vom 9. Februar 2009, GZ 33 Hv 2/09d-74, gewährten bedingten Nachsicht des sechsmonatigen Teils der Freiheitsstrafe aus. Eine Entscheidung über die bedingte Entlassung aus dem nach teilweiser Verbüßung verbliebenen Strafrest von einem Monat und 14 Tagen ist nicht erfolgt.

Dieser Beschluss des Landesgerichts Linz ist in Rechtskraft erwachsen. Eine vom Verurteilten dagegen verspätet eingebrachte Beschwerde (ON 115) wurde zurückgewiesen (ON 121).

Der Strafvollzug wurde bisher nicht eingeleitet (ON 116, 122 sowie die unjournalisiert im Akt erliegende Strafvollzugsanordnung mit dem Vermerk „Storno“).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 25. August 2010 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß dem durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/109, in den Rechtsbestand eingefügten zweiten Satz des § 53 Abs 1 StGB können die bedingte Nachsicht eines Teils einer Freiheitsstrafe und die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil nur gemeinsam widerrufen werden. Gemäß § 53 Abs 2 zweiter Satz StGB gilt diese Regelung entsprechend auch für den Fall des Widerrufs einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe wegen mutwilliger Nichtbefolgung einer Weisung oder beharrlicher Entziehung aus dem Einfluss des Bewährungshelfers.

Der hier ausgesprochene, bloß partielle Widerruf von Rechtswohltaten ein- und derselben Sanktion widerspricht damit dem gesetzlich vorgesehenen Ausschluss der eigenständigen Behandlung von (bedingt nachgesehenem) Strafteil und (nach bedingter Entlassung verbliebenem) Strafrest (RIS-Justiz RS0125448; Jerabek in WK² § 53 Rz 4a).

Da sich die Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO), den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf abzuweisen.

              Anders als in dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 6. Mai 2010, AZ 12 Os 26/10f (EvBl-LS 2010/146), zugrunde liegenden Fall kommt nämlich hier (nachträglicher) gemeinsamer Widerruf iSd § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB schon deshalb nicht in Frage, weil die vorliegenden Widerrufsgründe (§ 53 Abs 2 erster Satz StGB) die bedingte Strafnachsicht betreffen und daher nicht auch den Widerruf der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil der Freiheitsstrafe rechtfertigen können.

              Bleibt anzumerken, dass der angesprochene, in § 53 Abs 2 StGB enthaltene Verweis auf Abs 1 zweiter Satz dieser Bestimmung zur - dem Zweck der Widerrufsnorm des ersten Satzes des § 53 Abs 2 StGB entgegenstehenden - Konsequenz führt, dass im Fall bedingter Entlassung aus dem unbedingten Teil einer nach § 43a Abs 3 oder Abs 4 StGB teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sowohl der Widerruf der bedingten Strafnachsicht als auch jener der bedingten Entlassung aus den Gründen des ersten Satzes des § 53 Abs 2 StGB schon deshalb generell ausgeschlossen ist, weil für die erstgenannte Entscheidung das Gericht zuständig wäre, das in jenem Verfahren, in dem die bedingte Nachsicht ausgesprochen worden ist, in erster Instanz erkannt hat (Urteilsgericht, § 495 Abs 1 StPO), während der Widerruf der bedingten Entlassung ausschließlich und originär in die Kompetenz des Vollzugsgerichts (§ 16 Abs 1, Abs 2 Z 12 StVG) oder - in den Fällen des § 179 Abs 1 StVG - des Gerichts fiele, in dessen Sprengel der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nimmt, womit ein „gemeinsamer Widerruf“ iSd § 53 Abs 1 zweiter Satz StPO niemals erfolgen kann und demzufolge hinsichtlich beider Rechtswohltaten die mutwillige Nichtbefolgung von Weisungen wie auch die beharrliche Entziehung aus dem Einfluss des Bewährungshelfers für den Rechtsbrecher ohne Folgen bleibt (RIS-Justiz RS0125448, insb T1 und T2).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96688

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00171.10X.0217.000

Im RIS seit

07.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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