Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer (Vorsitzender) sowie die Richter Mag. Werner Hofmann und Mag. Thomas Rendl in der Firmenbuchsache der B*****gesellschaft m.b.H., FN 239050w, über den Rekurs des Geschäftsführers A***** C*****, ***** Wien, vertreten durch Jirovec & Partner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 11.1.2011, 74 Fr 6993/10m-11, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos behoben.
Text
B e g r ü n d u n g:
Geschäftsführer der oben genannten Gesellschaft ist seit *****.2010 A***** C*****. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember.
Mit Beschluss vom 23.11.2010 forderte das Erstgericht den Geschäftsführer unter Androhung einer Zwangsstrafe von EUR 1.000,-- auf, binnen vier Wochen den Jahresabschluss zum 31.12.2009 gemäß den gesetzlichen Bestimmungen vorzulegen (ON 8).
Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht die angedrohte Zwangsstrafe; weiters drohte es dem Geschäftsführer die Verdoppelung der Strafe an, sollte er der Aufforderung vom 23.11.2010 nicht innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft des Strafbeschlusses nachkommen.
Dagegen richtet sich der Rekurs (in eventu: Einspruch) des Geschäftsführers mit dem Antrag auf Aufhebung der verhängten Zwangsstrafe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Rekurswerber verweist auf seine erst kurz zurückliegende Bestellung zum Geschäftsführer und auf Verzögerungen im Zusammenhang mit einer steuerlichen Prüfung. Es liege ein unabwendbares Ereignis „im Sinne der Bestimmung des § 283 Abs 2 UGB (neu)“ vor. In eventu erhebe er gegen die in Beschlussform und nicht als Strafverfügung erlassene Zwangsstrafe Einspruch.
Das Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB erfuhr - wie der Rekurswerber im Ansatz zutreffend erkannte - tiefgreifende Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011, BGBl I 2010/111). Bislang war ein stufenweises Vorgehen, nämlich als erster Schritt - nach Ablauf der gesetzlichen Offenlegungsfrist von neun Monaten (§ 277 Abs 1 UGB) - zunächst die Verfahrenseinleitung durch Strafandrohung, geboten; erst als zweiter Schritt - nach fruchtlosem Ablauf der gerichtlichen Nachfrist - war die Fassung des Strafbeschlusses vorgesehen (vgl Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 77 ff; RIS-Justiz RS0113939). Nunmehr ist - nach Ablauf der gesetzlichen Offenlegungsfrist - (idR) sogleich, nämlich ohne vorausgehendes Verfahren, eine Zwangsstrafe mittels Strafverfügung zu verhängen (§ 283 Abs 2 UGB nF).
Gemäß Satz 1 der Übergangsbestimmung des § 906 Abs 23 UGB tritt § 283 UGB nF mit 1. Jänner 2011 in Kraft. Die neue Rechtslage ist nach Satz 2 leg cit auf Verstöße gegen die in § 283 Abs 1 UGB genannten Pflichten anzuwenden, die nach dem 1.1.2011 gesetzt werden oder fortdauern. Hat die Offenlegungsfrist vor dem 1. März 2011 geendet und ist die Offenlegung nicht bis zum 28. Februar 2011 erfolgt, so ist mit einer Zwangsstrafverfügung nach neuer Rechtslage vorzugehen.
Der angefochtene Beschluss betrifft den Verstoß des Geschäftsführers auf gesetzmäßige Offenlegung des Jahresabschlusses zum 31.12.2009. Dieser war im Zeitpunkt der Beschlussfassung nach wie vor nicht eingereicht. Der zu bestrafende Verstoß dauerte somit nach dem 1.1.2011 fort. Daher ist auf diesen Verstoß bereits die neue Rechtslage anzuwenden.
Zu untersuchen ist, ob der noch im Verfahren nach alter Rechtslage gefasste Strafbeschluss trotzdem Bestand haben kann. Nach dem letzten Satz der Übergangsbestimmung des § 906 Abs 23 UGB ist § 283 UGB aF in Ansehung von „Säumnissen der jeweiligen Organe vor dem 1. Jänner 2011“ anzuwenden. Damit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem zweiten und dem letzten Satz der Übergangsbestimmung dahingehend, dass einerseits auf im Jahre 2011 fortdauernde Verstöße die neue, andererseits auf Säumnisse im Jahr 2010 die alte Rechtslage Anwendung findet. Zwei Auslegungsvarianten sind denkbar: a) „alte“ Säumnisse sind nach altem Recht (nur) dann zu sanktionieren, wenn sie im Jahr 2011 nicht mehr fortdauern (weil fortdauernde Verstöße bereits dem neuen Recht unterliegen); b) es sind zwei voneinander zu unterscheidende Bestrafungszeiträume zu bilden und zwei Strafen zu verhängen, nämlich für die Säumnis bis 31.12.2010 nach altem, für jene ab 1.1.2011 nach neuem Recht. Zweiterem steht schon entgegen, dass ein Zergliedern ein und desselben Verstoßes (hier: gegen die Offenlegungspflicht betreffend den Jahresabschluss 2009) in mehrere Bestrafungszeiträume der alten Rechtslage fremd ist. Diese Variante hätte darüber hinaus eine - auch von der zeitlichen Abfolge her (§ 283 Abs 2 UGB aF) - systemwidrige Doppelbestrafung für ein und denselben Verstoß zur Folge; dies kommt umso klarer hervor, je später ein solcher Strafbeschluss nach altem Recht gefasst wird: einem Strafbeschluss vom 28.2.2011 „für die Säumnis bis 31.12.2010“ folgte bereits am Tag darauf, nämlich schon am 1.3.2011 die Strafverfügung nach neuem Recht „für die Säumnis ab 1.1.2011“; solange der in Rede stehende Jahresabschluss nicht offengelegt wird, wäre ab dem 1.3.2011 nunmehr Raum für ein paralleles Vorgehen durch (auch wiederholte) Bestrafungen mittels Strafbeschlüssen nach altem und mittels Strafverfügungen nach neuem Recht.
Das Rekursgericht erachtet daher eine Auslegung der Übergangsregelungen im Sinne der Variante a) für zutreffend. Es verkennt dabei nicht die Problematik des verbleibenden Anwendungsbereichs des § 906 Abs 23 letzter Satz UGB, welcher sich somit auf Säumnisse beschränkt, die noch im Jahr 2010 ihr Ende fanden (sohin im Jahr 2011 nicht mehr fortdauerten), jedoch idR keiner Bestrafung mehr unterliegen, wenn der Offenlegungsplicht zwar verspätet, aber doch noch vor Fassung des Strafbeschlusses entsprochen worden ist (OLG Wien, 4 R 247/10p uva). Eine daraus resultierende weitgehende „Bestrafungs-Vakanz“ in den ersten beiden Monaten des Jahres 2011 als Folge eines insgesamt systemkonformen Wechsels grundlegend unterschiedlicher Regime zur effizienten Durchsetzung der Offenlegungspflichten ist hinzunehmen.
Zusammenfassend fehlt es dem angefochtenen Strafbeschluss, welcher noch gemäß § 283 UGB aF, jedoch erst im Verlauf des Jahres 2011 gefasst wurde, an einer Rechtsgrundlage. Der im Jahr 2011 fortdauernde Verstoß des Rekurswerbers gegen die Pflicht zur Einreichung des Jahresabschlusses unterliegt bereits ausschließlich den Regelungen des § 283 UGB nF (BBG 2011, BGBl I 2010/111); die Durchsetzung der Offenlegungspflicht hat sohin (ab 1.3.2011) zunächst mittels Zwangsstrafverfügung zu erfolgen.
Der angefochtene Beschluss war daher infolge des Rekurses ersatzlos zu beheben.
Ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses konnte entfallen, weil durch die Stattgebung des Rekurses niemand beschwert ist.
Textnummer
EW0000498European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2011:00400R00043.11I.0218.000Im RIS seit
05.04.2011Zuletzt aktualisiert am
05.04.2011