TE OGH 2011/2/22 8Ob17/11z

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Veröffentlicht am 22.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** KEG, *****, vertreten durch Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B***** F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Brigitte Heaman-Dunn, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2010, GZ 39 R 297/10f-17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 501 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ein Mangel des Berufungsverfahrens in Form einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes liegt nicht vor. Der vom Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegte Sachverhalt findet in den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen Deckung, wonach die nächtliche Lärmbeeinträchtigung durch den Betrieb der Beklagten durch Schallschutzmaßnahmen beseitigt werden könnte, die von der Behörde bereits vorgeschlagen und zur Bedingung für die Betriebsanlagengenehmigung gemacht wurden, sowie, dass der Geschäftsführer der Beklagten angekündigt hat, die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen (S 9 des erstgerichtlichen Urteils), dies jedoch bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht getan hat (S 12).

Die Frage, ob ein Mieter ein unleidliches Verhalten iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG an den Tag legt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0042984, RS0113693). Eine Einzelfallentscheidung ist im Revisionsverfahren nur dann überprüfbar, wenn ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0044088). Eine derartige Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.

Das Argument, der Geschäftsführer der Beklagten habe bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht gewusst, welche zusätzlichen Schallschutzmaßnahmen er ergreifen müsse, um eine Betriebsanlagengenehmigung zu erhalten, steht im Widerspruch zu der bindenden Feststellung, dass ihm solche Maßnahmen bereits vorgeschlagen wurden. Letztlich ist diese Frage aber schon deshalb ohne Relevanz, weil die Beklagte mit ihrer Argumentation übergeht, dass sie den Betrieb im aufgekündigten Objekt bis zur Erteilung der Betriebsanlagengehmigung aufgrund behördlicher Anordnung überhaupt einzustellen gehabt hätte. Da sie sich bis zum Schluss der Verhandlung beharrlich über diese Anordnung hinwegesetzt hat, liegt in der Beurteilung des Berufungsgerichts kein vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender Rechtsirrtum. Für die Annahme einer wesentlichen Verhaltensänderung, die das Schicksal der Kündigung beeinflussen könnte (RIS-Justiz RS0070340), bietet der Sachverhalt keine Grundlage.

Auch soweit die Revisionsausführungen die Erheblichkeit der vom Betrieb der Beklagten ausgehenden Ruhestörung in Zweifel zu ziehen versuchen, setzen sie sich über die im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen hinweg. Im Mietvertrag wurde eine Nutzung der aufgekündigten Räumlichkeiten zu „Geschäftszwecken, insbesondere als Lager“, vereinbart; der trotzdem und ohne behördliche Bewilligung aufrechterhaltene Produktionsbetrieb ist für andere Mieter nach dem Ergebnis eines von der Behörde eingeholten Gutachtens mit einer Lärmbelästigung verbunden, deren Charakter „das Wohlbefinden eines gesunden, normal empfindenden Erwachsenen und eines ebensolchen Kindes beeinträchtigen“ kann. Der gegenwärtige Zustand steht einer Betriebsanlagengehmigung entgegen, sodass von einer „für solche Betriebe üblichen Beeinträchtigung“ keine Rede sein kann. Da wirksame Lärmschutzmaßnahmen möglich sind, ist die Beeinträchtigung auch nicht unvermeidlich.

Ob sich alle oder nur einzelne Mitmieter gestört fühlen, ist für die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als unleidlich ohne Bedeutung, wenn die erhobenen Beschwerden - wie festgestellt wurde - begründet sind. Das Vorbringen, im Nachbarhaus werde seit Jahrzehnten ein Bäckereibetrieb ohne Beanstandungen geführt, kann schon mangels jeglicher Vergleichsmöglichkeit bezüglich der baulichen und schalltechnischen Verhältnisse nicht zielführend sein.

Schlagworte

Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E96547

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0080OB00017.11Z.0222.000

Im RIS seit

18.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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