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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §26 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dipl. Ing. W in W, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Naglergasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. September 2000, Zl. MA 65-8/444/99, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 16. Juni 1999 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe am 26. März 1998 um 10.12 Uhr im Gemeindegebiet von Schwarzau am Steinfelde auf der A 2 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und die dort auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten (gemessene Geschwindigkeit 142 km/h). Er habe dadurch eine Übertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (und Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Dieses Straferkenntnis wurde der Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt übermittelt, wo es am 2. Juli 1999 einlangte.
Mit Bescheid vom 16. Juli 1999 entzog die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG dem Beschwerdeführer die am 7. Oktober 1969 erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A und B. Gemäß § 26 Abs. 3 FSG wurde verfügt, dass die Lenkberechtigung für die Zeit von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, vorübergehend entzogen werde. Überdies wurde verfügt, der Beschwerdeführer habe gemäß § 29 Abs. 3 FSG seinen Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung des Bescheides abzugeben. Einer eventuellen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 26. März 1998 in Schwarzau am Steinfelde auf der A 2 als Lenker eines näher genannten Kraftfahrzeuges die außerhalb des Ortsgebietes zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 km/h überschritten. Dieser Bescheid wurde noch am 16. Juli 1999 von der Erstbehörde abgefertigt und am 21. Juli 1999 dem Beschwerdeführer zugestellt.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. September 2000 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der Erstbescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entziehungsdauer am 21. Juli 1999 begonnen und am 4. August 1999 geendet habe. Auch die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass der Beschwerdeführer am 26. März 1998 als Lenker eines Kraftfahrzeuges die außerhalb des Ortsgebietes durch Verkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 62 km/h überschritten habe, die Geschwindigkeitsmessung sei mit einem technischen Hilfsmittel erfolgt. Wegen dieser Verkehrsübertretung sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 16. Juni 1999, bestätigt durch den Berufungsbescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Juli 2000, bestraft worden. Im Hinblick auf die zwingende gesetzliche Bestimmung des § 26 Abs. 3 FSG und im Hinblick auf die Bindung an den rechtskräftigen Strafbescheid sei die Entziehungsdauer mit zwei Wochen festzusetzen, ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Dauer stehe der Behörde nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten:
"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
...
§ 26.
...
(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 vorliegt - hat die Entziehungsdauer zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen zu betragen.
..."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt ein Delikt im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG jedenfalls dann nicht mehr die Entziehung der Lenkberechtigung der betreffenden Person, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen und die betreffende Person in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0227, sowie vom 27. Juni 2000, Zl. 99/11/0384). Auf Grund dieser Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.
Das Entziehungsverfahren wurde im vorliegenden Fall erst nach Übersendung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 16. Juni 1999 an die Erstbehörde (wo es am 2. Juli 1999 einlangte), somit mehr als ein Jahr nach der Begehung der Verwaltungsübertretung (26. März 1998), eingeleitet. Feststellungen, dass der Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt im Straßenverkehr nachteilig in einschlägiger Weise in Erscheinung getreten sei, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Die auf § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG gestützte Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers war daher rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die bereits im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.
Wien, am 20. Februar 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000110279.X00Im RIS seit
15.05.2001