TE OGH 2011/2/23 1Ob13/11k

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Veröffentlicht am 23.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Magdalena F*****, des mj Johannes F*****, und der mj Anna F*****, über den Revisionsrekurs der Mutter Regina F*****, vertreten durch Dr. Felix Haid, Rechtsanwalt in Eben im Pongau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 20. Juli 2010, GZ 21 R 90/10x-135, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 20. Jänner 2010, GZ 10 PU 54/09f-129, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird - soweit sie das gegenüber der Mutter erhobene Unterhaltsbegehren betrifft - aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die antragstellenden Kinder werden seit Herbst 2007 von Verwandten betreut, die als Pflegeeltern nach den Bestimmungen der Salzburger Kinder- und Jugendwohlfahrtsordnung 1992 (im Folgenden: Sbg JWO) Pflegegeld erhalten. Unstrittig ist die grundsätzliche Unterhaltspflicht der Mutter, die bis Ende 2009 auch noch für einen weiteren (studierenden) Sohn unterhaltspflichtig war und dieser Unterhaltspflicht mit einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 280 EUR nachkam.

Die antragstellenden Kinder begehrten nun für die Zeit ab 1. 10. 2007 Geldunterhalt von der Mutter und beantragten, dabei sowohl das laufende Einkommen als Lehrerin als auch jenes als Pächterin eines landwirtschaftlichen Betriebs heranzuziehen.

Die Mutter wandte im Wesentlichen ein, bei der Unterhaltsbemessung sei der Bezug des Pflegegelds für die Kinder zu berücksichtigen; bei einer zusätzlichen Unterhaltszahlung durch sie dürfe es nicht zu einer „Doppelversorgung“ kommen. Aus der Landwirtschaft beziehe sie kein Einkommen. Sie sei lediglich zur Verhinderung der Pensionsminderung ihrer Eltern im Sinne eines Treuhandverhältnisses Pächterin und müsse sämtliche Erträgnisse an diese herausgeben.

Das Erstgericht erkannte die Mutter schuldig, den Kindern - neben im einzelnen berechneten Rückständen vom 1. 10. 2007 bis zum 31. 12. 2009 - ab 1. 1. 2010 monatliche Unterhaltsbeträge von 411 EUR (Anna), 365 EUR (Johannes) und 304 EUR (Magdalena) zu zahlen. Dabei berücksichtigte es ein (von einem Sachverständigen ermitteltes) Einkommen aus der gepachteten Landwirtschaft von monatlich durchschnittlich netto 223,53 EUR neben dem unstrittigen Einkommen als Lehrerin; dass das errechnete Einkommen aus der Landwirtschaft der Mutter aufgrund der behaupteten Treuhandkonstruktion nicht zufließe, sei zwar glaubhaft, ein Verzicht auf ein mögliches Einkommen dürfe aber nicht zu Lasten der Kinder gehen. Es sei völlig unbegründet, die von den Pflegeeltern bezogenen Pflegegelder als Einkünfte der Kinder anspruchsmindernd anzurechnen. Es handle sich keineswegs um eine Doppelalimentierung, sondern um einen Ersatz der vorgestreckten Ausgaben für die Kinder, die sich in einer Pflegefamilie aufhalten. Die Unterhaltsforderungen der Kinder gingen nach schriftlicher Anzeige auf das Land über. Die Eltern seien in derartigen Fällen zu einem höchstmöglichen Kostenersatz verpflichtet, wobei die gleichen Richtlinien Geltung hätten wie für die Unterhaltsfestsetzung.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es etwas geringere Unterhaltsrückstände ermittelte und die ab 1. 1. 2010 laufenden monatlichen Unterhaltsbeträge mit 392 EUR (Anna), 334 EUR (Johannes) und 328 EUR (Magdalena) festsetzte. Das den Pflegeeltern für die Pflege der antragstellenden Kinder zukommende Pflegegeld sei nicht als bedarfsminderndes eigenes Einkommen der Minderjährigen zu berücksichtigen. Schon nach dem Wortlaut des § 33 Abs 1 JWO gebühre es nicht den Minderjährigen selbst, sondern deren Pflegeeltern. Zu Recht habe das Erstgericht auch die Einkünfte der Mutter als Pächterin eines landwirtschaftlichen Betriebs bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt. Dass es sich hiebei um ein bloßes Schein- bzw Treuhandgeschäft handeln solle, könne den Minderjährigen nicht entgegenhalten werden. Der Revisionsrekurs wurde letztlich mit der Begründung zugelassen, dass zur Frage der allfälligen Qualifikation des Pflegegelds nach § 33 Sbg JWO als Einkommen des Unterhaltsberechtigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt.

Zu Unrecht wendet sich die Revisionsrekurswerberin allerdings gegen die Auffassung der Vorinstanzen, die Tatsache, dass den Pflegeeltern für die Pflege der antragstellenden Kinder Pflegegeld zukomme, mindere deren Unterhaltsanspruch nicht. Es ist zwar richtig, dass sich im Rahmen der Sozialhilfe gewährte Geldleistungen an einen Unterhaltsberechtigten unter bestimmten Umständen gegenüber dem Unterhaltspflichtigen unterhaltsmindernd auswirken könnten, doch kann dabei der jeweilige gesetzliche Zweck der gewährten Sozialleistung nicht unberücksichtigt bleiben (s nur 7 Ob 284/06z uva). Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers bieten dabei insbesondere die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht des privatrechtlich Unterhaltsverpflichteten (7 Ob 284/06z; 7 Ob 225/04w mwN). Regelmäßig kann von einer (zu vermeidenden) Doppelversorgung dort nicht gesprochen werden, wo der Gesetzgeber durch Anordnung einer „aufgeschobenen Legalzession“ ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten voraussetzt (RIS-Justiz RS0063121).

Nach § 33 Abs 1 Sbg JWO gebührt Pflegeeltern auf Antrag zur Erleichterung der mit der Pflege verbundenen Lasten ein Pflegegeld. Nach § 33 Abs 3 leg cit sind die Kosten des Pflegegelds vom Minderjährigen und seinen unterhaltspflichtigen Angehörigen nach den Grundsätzen bürgerlichen Rechts (§ 140 ABGB) zu tragen. § 46 Sbg JWO normiert schließlich, dass Forderungen des Minderjährigen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung seines Unterhaltsbedarfs dienen, bis zur Höhe der Ersatzforderung von Gesetzes wegen aufgrund einer schriftlichen Anzeige der Bezirksverwaltungsbehörde an den Dritten auf das Land übergehen, wobei § 1395 zweiter Satz und § 1396 ABGB sinngemäß gelten.

Aus den dargelegten Bestimmungen der Sbg JWO ergibt sich daher, dass die nach § 140 ABGB unterhaltspflichtigen Eltern im Ergebnis durch die Gewährung von Pflegegeld, mit dem die wesentlichen Bedürfnisse des Kindes abgedeckt werden, nicht entlastet werden sollen. Wie schon das Erstgericht erkannte, bleibt der Unterhaltsanspruch des Berechtigten aufrecht, wenn Sozialhilfegesetze - wie hier - eine „aufgeschobene Legalzession“ anordnen, weil dann im Ergebnis keine Doppelversorgung besteht (hRsp, ua RIS-Justiz RS0118565, zuletzt 1 Ob 231/10t; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 871 ua).

Nicht gefolgt werden kann den Vorinstanzen allerdings bei der Beurteilung der vom Sachverständigen ermittelten Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb als Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage, ohne Rücksicht darauf, ob derartige Einkünfte der Mutter überhaupt zufließen. Die Begründung des Rekursgerichts, es könne den Minderjährigen nicht entgegengehalten werden, dass es sich beim Pachtvertrag um ein bloßes Schein- bzw Treuhandgeschäft handeln sollte, ist nicht recht verständlich. Das Erstgericht ist auf der Tatsachenebene davon ausgegangen, es sei glaubhaft, dass das von der Mutter behauptete Treuhandverhältnis tatsächlich vorliegt und sie aufgrund der Vereinbarung mit ihren Eltern verpflichtet ist, alle Erträgnisse aus der Landwirtschaft herauszugeben. Damit besteht aber kein Anlass zur Anrechnung eines insoweit bloß fiktiven Einkommens, weil sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen regelmäßig nur nach den ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkünften richtet. Sollte das Rekursgericht bei seiner Rechtsauffassung an eine Anwendung des § 916 Abs 2 ABGB gedacht haben, hat es offenbar übersehen, dass dieser Bestimmung ein Vertrauensschutzgedanke zugrunde liegt, der auf gesetzliche Unterhaltsansprüche nicht übertragbar ist. Die Unterhaltsberechtigten haben ja nicht etwa im Vertrauen auf die Gültigkeit des Pachtvertrags und dessen Eignung als Erwerbsquelle der Mutter Rechte erworben, sondern machen ausschließlich geltend, sie könnten im Rahmen ihrer Unterhaltsansprüche in bestimmtem Ausmaß am (tatsächlichen) Erwerbseinkommen der Mutter partizipieren. Tatsächlich nicht bezogene Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb haben aber bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage außer Betracht zu bleiben.

Wegen der Notwendigkeit eingehender Berechnungen ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Beschlussfassung aufzutragen (§ 70 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

Textnummer

E96503

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00013.11K.0223.000

Im RIS seit

17.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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