Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** G*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. M***** G*****, vertreten durch Dr. Martin Leys, Rechtsanwalt in Imst, wegen 31.034,75 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2010, GZ 2 R 216/10x-15, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Die Klägerin verkaufte einem Dritten eine Liegenschaft. Die Parteien des Kaufvertrags vereinbarten, dass die „Mehrwertsteuer“ „überrechnet“ werden sollte. Der beklagte Rechtsanwalt war Vertragserrichter und wurde als Treuhänder beauftragt, nach grundbücherlicher Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung und nach weiteren Voraussetzungen den dann erliegenden Restkaufpreis auf das Konto der Verkäuferin weiterzuleiten. Nach Einlangen des Nettokaufpreises auf dem Treuhandkonto veranlasste der Beklagte die Verbücherung, um die Überrechnung der Umsatzsteuer kümmerte er sich nicht. Tatsächlich wurde nur ein Teilbetrag der Umsatzsteuer auf dem Finanzamtskonto der Klägerin gutgeschrieben.
Diese klagte in der Folge den Käufer auf den Restbetrag (Vorprozess). Dieser wendete eine Gegenforderung von 18.159,53 EUR ein, weil die Liegenschaft einen Mangel aufweise, dessen Behebung den eingewendeten Betrag erfordere. Die Parteien des Vorprozesses schlossen einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Käufer zur vollständigen Bezahlung der nicht überrechneten Umsatzsteuer sowie der Prozesskosten der Klägerin verpflichtete. Von dieser Verpflichtung könne sich der Käufer befreien, wenn er (einschließlich eines Kostenbeitrags) bis zu einem bestimmten Tag einen um den nunmehrigen Klagsbetrag geringeren Betrag an die Klägerin bezahle. Mit der Erfüllung des Vergleichs seien sämtliche wie immer gearteten Forderungen zwischen den Vergleichsparteien verglichen.
Im Zuge dieser Vergleichsgespräche war dem Käufer klar, dass er in der Lage sein werde, den (geringeren) Prämienvergleichsbetrag zu bezahlen, er ging nie davon aus, dass der volle Vergleichsbetrag schlagend werden könnte. Bei den Vergleichsgesprächen bestand er auch darauf, dass der von ihm eingewendete Mangel berücksichtigt werde. Dies war auch die Grundlage für den reduzierten Lösungsbetrag. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses befand sich die Klägerin in einer finanziell schwierigen Situation, insbesondere führte auch das Finanzamt bereits Exekutionen gegen sie, sie hatte also hohen Liquiditätsbedarf. Der Käufer zahlte den reduzierten Lösungsbetrag fristgerecht an die Klägerin.
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin vom Beklagten den Differenzbetrag zwischen dem Vergleichsbetrag und dem geringeren Lösungsbetrag mit dem wesentlichen Vorbringen, der Beklagte hätte mit der Einbringung des Grundbuchsgesuchs um Einverleibung zuwarten müssen, bis der gesamte Kaufpreis samt Umsatzsteuer gesichert gewesen wäre.
Der Beklagte wendete unter anderem ein, im Vorprozess seien die vom Käufer behaupteten Mängel mitverglichen worden, die einen Gegenwert von zumindest 18.000 EUR repräsentierten.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht führte aus, der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts zu Gunsten des Käufers erst dann zu stellen, wenn auch die Überrechnung der Umsatzsteuer zu Gunsten der Klägerin sichergestellt und somit der gesamte Kaufpreis bezahlt gewesen wäre. Er sei daher grundsätzlich ersatzpflichtig. Der Schaden bestehe aber einerseits in Höhe von 18.000 EUR nicht zu Recht, weil nicht feststehe, dass der Beklagte von der zwischen den Parteien des Kaufvertrags zusätzlich zum offiziellen Kaufpreis vereinbarten Schwarzgeldzahlung von 90.000 EUR, aus der eine zusätzliche Umsatzsteuer von 18.000 EUR resultiert habe, gewusst habe. Überdies habe die Klägerin durch den Abschluss des Prämienvergleichs zu erkennen gegeben, dass die Gegenforderung des Käufers zu Recht bestehe. Dieses Anerkenntnis könne nicht zu Lasten des hier Beklagten gehen, da ansonsten im Ergebnis die dem Käufer gegenüber bestehende Gewährleistungsverpflichtung der Klägerin auf den Beklagten überwälzt werde. Somit sei von der „offiziellen“ Steuerverpflichtung der Klägerin nicht nur der überrechnete Steuerteilbetrag und der laut Vergleich bezahlte Betrag, sondern auch die im Vergleich berücksichtigte Gegenforderung abzuziehen, sodass der Klägerin kein Schaden entstanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist unzulässig.
Sie releviert, dem Berufungsgericht sei mit der Beurteilung, die Klägerin habe die Gegenforderung des Käufers durch den Vergleich anerkannt, eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen.
Wie die Revisionswerberin selbst erkennt, sind Fragen der Vertragsauslegung nur bei grober Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts revisibel (RIS-Justiz RS0044298 [T22, T26]). Eine solche liegt nicht vor. Es mag zwar sein, dass die Klägerin im Vergleich, der den dort Beklagten grundsätzlich zur vollen Bezahlung des Restbruttokaufpreises verpflichtete, nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise (§ 863 ABGB) die Gegenforderung des dort Beklagten anerkannt hat. Die Feststellung, der eingewendete Mangel sei Grundlage für den reduzierten Lösungsbetrag gewesen, kann aber nur so verstanden werden, die Klägerin habe sich zum Prämienvergleich deshalb verstanden, weil sie auch die bloße Möglichkeit, vom Käufer erfolgreich wegen des von ihm behaupteten Mangels in Anspruch genommen zu werden, ausschließen wollte. Insofern hat sie aber zumindest die Möglichkeit, es könne der vom Käufer geltend gemachte Anspruch bestehen, „anerkannt“ und dem Käufer dieses Risiko durch den ihn begünstigenden Prämienvergleich „abgekauft“.
Die Behauptung der Revisionswerberin, sie habe sich zum Prämienvergleich nur wegen des festgestellten finanziellen Engpasses verstanden, geht somit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Im Ergebnis liegt daher eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht vor, wenn das Berufungsgericht einen Schaden der Klägerin durch das pflichtwidrige Handeln des Beklagten verneint hat. Auf welche Schuld des Käufers die Klägerin dessen Vergleichszahlung widmete, ist nicht entscheidungsrelevant.
Textnummer
E96579European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00019.11D.0224.000Im RIS seit
23.03.2011Zuletzt aktualisiert am
23.03.2011