Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Jensik als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragstellerin B***** GmbH, *****, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Wolfgang List, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassungsexekution, über den Antrag gemäß § 28 JN, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Für die Bewilligung und die Vollziehung der beabsichtigten Unterlassungsexekution wird das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin erwirkte gegenüber der Verpflichteten, die ihren Sitz in Banja Luka, Bosnien und Herzegowina hat, zu AZ 2 Cg 114/10b des Landes- als Handelsgerichts Linz einen Unterlassungstitel, der es der Verpflichteten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs verbot, beim Betreiben der internationalen Kraftfahrlinie von Österreich nach Bosnien und Herzegowina eine bestimmte Haltestelle in Bosnien und Herzegowina anzufahren und Auskünfte darüber zu erteilen; zu AZ 15 Cg 105/09y des Landes- als Handelsgerichts Linz erwirkte sie darüber hinaus einen gleichartigen Unterlassungstitel betreffend eine weitere Haltestelle in Bosnien und Herzegowina.
Die Antragstellerin strebt nun die Unterlassungsexekution nach § 355 EO infolge Zuwiderhandelns der Verpflichteten gegen diese Unterlassungstitel an. Inländische Gerichtsbarkeit sei gegeben, wenn die Geldstrafen im inländischen Vermögen der Verpflichteten vollstreckt werden könnten. Die Busse der Verpflichteten gelangten jede Woche mehrmals im internationalen Verkehr nach Wien und Linz. In den Bussen seien Kassen mit dem Erlös aus den Kartenverkäufen. Darüber hinaus habe die Verpflichtete aus Kartenverkäufen Forderungen gegen eine inländische Drittschuldnerin. Darüber hinaus werde durch das titelwidrige Verhalten der Verpflichteten der lautere Wettbewerb in Österreich beeinträchtigt. Für die Antragstellerin bestehe außerdem keine Möglichkeit einer exekutiven Durchsetzung des Exekutionstitels gegen die Verpflichtete in Bosnien und Herzegowina.
Rechtliche Beurteilung
Nach jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Ordination auch in Exekutionssachen möglich, wenn bei einer (Unterlassung-)Exekution zwar die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen ist, aber ein örtlich zuständiges inländisches Gericht fehlt (RIS-Justiz RS0053178; Jakusch in Angst2 EO, § 3 Rz 18d; Seiser in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 18 Rz 7, je mwN).
Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit bei der Unterlassungsexekution ist § 18 Z 4 zweiter Fall EO, wonach als Exekutionsgericht das Bezirksgericht einzuschreiten hat, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung tatsächlich vorzunehmen ist. Diese die Zuständigkeit begründende erste Exekutionshandlung ist bei der Unterlassungsexekution die Zustellung der Exekutionsbewilligung, sodass es bei einem Verpflichteten mit Sitz im Ausland (hier: Bosnien und Herzegowina) an einem zuständigen Exekutionsgericht im Inland fehlt (3 Nc 50/08w mwN).
Eine für die inländische Gerichtsbarkeit erforderliche Inlandsbeziehung der geschuldeten Leistung für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs wird unter anderem als gegeben erachtet, wenn der Exekutionstitel das Verbot bestimmter wettbewerbswidriger Handlungen in Österreich ausspricht und nach den Behauptungen des betreibenden Gläubigers im Exekutionsantrag der Verpflichtete weiterhin derartige Handlungen setzt (3 Nc 50/08w mwN). Im vorliegenden Fall behauptet die Antragstellerin unlautere Handlungen der nach dem Exekutionstitel Verpflichteten, die sich auf den österreichischen Markt auswirken (Kraftfahrlinienverkehr mit Ausgangspunkt bzw Zielort in Österreich).
Jedenfalls muss ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer Rechtsdurchsetzung im Inland gegeben sein. Dazu zählt etwa die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der exekutiven Durchsetzung des Titels gegen den Verpflichteten in dessen (Wohn-)Sitzstaat (3 Nc 50/08w; 3 Nc 67/08w uva).
Ein die gegenständlichen Unterlassungstitel erfassendes Vollstreckungsabkommen zwischen Österreich und Bosnien und Herzegowina existiert nicht, ebenso fehlt die Gegenseitigkeit im Verhältnis beider Staaten, was die Anerkennung und Vollstreckbarkeit gerichtlicher Exekutionstitel im jeweils anderen Staat anlangt. Auch wenn das eine Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen in Bosnien und Herzegowina bildende Vorliegen der Gegenseitigkeit (Art 92 Abs 1 IPR-G von Bosnien und Herzegowina) nach Art 92 Abs 3 erster Halbsatz IPR-G vermutet wird, würde es der Verpflichteten gerade bei österreichischen Entscheidungen leicht fallen, die fehlende Gegenseitigkeit zu beweisen, zumal § 79 Abs 2 EO für die Vollstreckbarkeit ausländischer Akte und Urkunden in Österreich die durch Staatsverträge oder durch Verordnungen - welche hier gerade nicht bestehen - verbürgte Gegenseitigkeit verlangt. Ungeachtet der offenbar in Bosnien und Herzegowina bestehenden Bereitschaft, ausländische Exekutionstitel auch bei bloß faktischer Gegenseitigkeit anzuerkennen und zu vollstrecken (vgl Šaula, Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen in Bosnien und Herzegowina, insbesondere Republika Srpska, IPRax 2004, 361 ff mwN) ist die Exekutionsführung für die Antragstellerin aufgrund ihres österreichischen Titels im Sitzstaat der Verpflichteten wohl ausgeschlossen, jedenfalls aber wegen fehlender Erfolgsaussicht als unzumutbar zu beurteilen. Für die von der Antragstellerin angestrebte Unterlassungsexekution gegen die Verpflichtete ist daher gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN ein inländisches Exekutionsgericht zu bestimmen.
Textnummer
E96703European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0030NC00005.11G.0228.000Im RIS seit
09.04.2011Zuletzt aktualisiert am
09.04.2011