Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bergmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Lasha D***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 8. November 2010, GZ 37 Hv 134/10f-46, sowie dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lasha D***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 4. September 2010 in Innsbruck versucht, Gewahrsamsträgern des Unternehmens M***** vier Sonnenbrillen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen, wobei er, bei diesem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen den Unternehmensangestellten Wolfgang R***** anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er ihm einen wuchtigen Schlag gegen den Arm versetzte und ihn gegen die Brust stieß.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider sind die - von der Beschwerde zudem unvollständig zitierten - Feststellungen zu der vom Beschwerdeführer eingesetzten Gewalt, nach denen er nicht nur mit derartiger Wucht gegen den Arm des ihn festhaltenden Wolfgang R***** schlug, dass dieser ihn loslassen musste, sondern den Genannten auch gleichzeitig gegen die Brust stieß, sodass er etwa einen Meter zurückweichen musste und der Angeklagte entkommen konnte (US 5 f), keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall).
Zu der - als mit bloßer „Scheinbegründung“ fundiert - gerügten Feststellung des Vorliegens der subjektiven Tatseite gelangten die Erkenntnisrichter - wie das Rechtsmittel ohnedies einräumt - aufgrund der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers im Verein mit dem objektiven Täterverhalten, insbesonders der Flucht aus dem Geschäfslokal unter Mitnahme der Diebsbeute (US 12), was - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet, das Erstgericht habe es sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des (einzigen Belastungs-)Zeugen Wolfgang R***** „zu einfach“ gemacht, verkennt sie zunächst, dass die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person einer Anfechtung aus Z 5 und Z 5a entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649). Indem sie (zudem ohne Angabe der Fundstelle der nach Ansicht des Beschwerdeführers erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen auslösenden Verfahrensergebnisse [RIS-Justiz RS0124172]) aus - in der angefochtenen Entscheidung ausführlich erörterten (US 7 - 12) - Widersprüchen in den Angaben der beiden Genannten andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht als die Tatrichter, erschöpft sie sich in einer unzulässigen Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Mit dem Einwand, dem Beschwerdeführer sei wegen Undurchführbarkeit einer von ihm beantragten Beweisaufnahme (nämlich der Vorführung der Videoaufzeichnungen über den verfahrensgegenständlichen Vorfall, welche vom Geschädigten - zum Unterschied von denjenigen, die den Angeklagten beim Betreten des Geschäftslokals zeigten - bereits gelöscht worden waren) „eine effektive Verteidigung und Entlastung durch objektive Beweismittel unmöglich“ gemacht worden, und der auf diese Argumentation gestützten Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) wird ein aus Z 5a beachtlicher Fehler nicht behauptet (RIS-Justiz RS0102162).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen zur „Intensität der Gewaltausübung“ ohne darzulegen, welche über die insoweit getroffenen (US 5 f; vgl oben) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich seien, und bringt solcherart den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund erneut nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass unter den Begriff der Gewalt im Sinne des § 131 StGB jeder nicht unerhebliche Einsatz einer physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstands zu verstehen ist. Für die Beurteilung, dass der gegen die Person eines Festhaltenden gerichtete Kraftaufwand des widerstrebenden Täters die für den Gewaltbegriff maßgebende Erheblichkeitsschwelle überschreitet, sind weder eine besondere körperliche Kraftanstrengung noch die Unwiderstehlichkeit der vom Täter aufgewendeten physischen Kraft, deren Überlegenheit gegenüber jener des Opfers, die tatsächliche Wirksamkeit des Krafteinsatzes oder sichtbare Merkmale oder Verletzungsspuren beim Tatopfer erforderlich. Es genügt vielmehr, dass es gerade der tätergewollte Krafteinsatz ist, der das Opfer dazu veranlasst, von seinem Bestreben, die weggenommene Sache wieder zu erlangen, Abstand zu nehmen und der solcherart dazu führt, dass der Dieb den Gewahrsam an der Diebsbeute aufrecht erhalten kann (vgl für viele: RIS-Justiz RS0093597, RS0093602, RS0093762; 15 Os 70/08w; Jerabek in WK² § 74 Rz 35; anders die, sich allerdings in bloßer Rechtsbehauptung erschöpfende Ansicht von Bertel in WK² § 131 Rz 3), womit die mit den zitierten Sachverhaltsannahmen im Urteil ausgedrückte Intensität des Tatverhaltens (US 5 f) den beschriebenen Gewaltbegriff verwirklicht.
Weshalb der Gebrauch von verba legalia auf der Feststellungsebene der Entscheidungsgründe - mit konkretem Sachverhaltsbezug (US 6), den die Rüge prozessordnungswidrig übergeht - als Tatsachengrundlage für die rechtliche Annahme der Qualifikation des § 131 erster Fall StGB (konkret für das Vorliegen einer auf den Erhalt der Beute gerichteten Absicht des Angeklagten) ungenügend sei, lässt die Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls offen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8; RIS-Justiz RS0119090).
Mit dem Hinweis auf die - von den Tatrichtern wie dargelegt mängelfrei als unglaubwürdig verworfene - räuberische Absicht leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers wird erneut bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts angegriffen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E96811European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0140OS00004.11M.0301.000Im RIS seit
15.04.2011Zuletzt aktualisiert am
15.04.2011