TE OGH 2011/3/9 7Ob222/10p

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Veröffentlicht am 09.03.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M***** R*****, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei 1. Dr. M***** N*****, 2. P***** B*****, beide vertreten durch Mag. Georg Kampas, Rechtsanwalt in Wien, wegen 47.627,48 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2010, GZ 1 R 87/10m-18, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Handelsgericht vom 16. September 2009, GZ 11 Cg 34/09f-13, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber machen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, weshalb ihr Rekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0102059):

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung für zulässig erklärt, dass vor allem zu den „Detailfragen“ des § 6 Abs 2 Z 2 KSchG und zum Verhältnis dieser Bestimmung zu § 9 Abs 1 KSchG keine Rechtsprechung vorliege.

Der Rekurs der Beklagten macht als zu klärende, „über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende“ Fragen lediglich folgende Rechtsfragen geltend (Punkt 1.1. und 1.2. des Rekurses):

In welcher Art und Weise die in § 6 Abs 2 Z 2 KSchG vorgesehene „namentliche Nennung“ von Dritten erfolgen müsse, damit ein Unternehmer seine Pflichten solchen Dritten mit schuldbefreiender Wirkung überbinden könne, ohne dies vorher im Einzelnen aushandeln zu müssen; und unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer einem Verbraucher unter Beachtung des § 6 Abs 2 Z 2 und des § 9 Abs 1 KSchG eigene Gewährleistungsansprüche mit schuldbefreiender Wirkung überbinden könne.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagten zum Verhältnis von § 9 Abs 1 KSchG zu § 6 Abs 2 Z 2 KSchG in ihrem Rechtsmittel nichts ausführen. Sie vertreten lediglich den Standpunkt, dass Gewährleistungsansprüche mit schuldbefreiender Wirkung auf den Käufer rechtswirksam überbunden werden könnten und eine entsprechende Vereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei.

Dass dies nicht zutrifft, hat der Oberste Gerichtshof aber bereits ausgesprochen:

Die Abtretung von Gewährleistungsrechten an den Vertragspartner findet - ebenso wie die Überbindung von Gewährleistungspflichten an einen Dritten - im Verhältnis zu Verbrauchern ihre Grenze jedenfalls darin, dass die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche der Verbraucher nicht beschnitten werden darf; daher ist die Einschränkung der Gewährleistungsrechte auf jene Ansprüche, die der Verkäufer selbst gegen seine Subunternehmer (Professionisten) oder Lieferanten hat, unzulässig (RIS-Justiz RS0065562 [T4] = 9 Ob 7/10k).

Auch hier ist - wie bereits in der eben zitierten Entscheidung - im Hinblick auf die Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 2 KSchG darauf hinzuweisen, dass sich die Frage nach der Zulässigkeit der Überbindung von Vertragspflichten an einen Dritten - im Weg einer Schuld- bzw Vertragsübernahme, die jedenfalls nur mit Zustimmung des Dritten möglich und wirksam wäre - nicht stellt. Vielmehr betrifft auch die hier zu prüfende Vertragsbestimmung den Vertrag zwischen den beklagten Unternehmern als Verkäufer und dem klagenden Verbraucher als Käufer. Mit der Klausel sollten die Gewährleistungsrechte der Verkäufer (nicht ihre Pflichten) an den Käufer (nicht an einen Dritten) „überbunden“ werden. Dadurch sollte es hinsichtlich der Gewährleistungsrechte der Käufer zugunsten der Beklagten zu einer schuldbefreienden Wirkung kommen.

Die von den Beklagten gewünschte vertragliche Konstruktion besteht somit im vorliegenden Fall ebenfalls darin, dass die Gewährleistungsrechte der Verkäufer - ohne Aufrechterhaltung ihrer eigenen Gewährleistungspflichten - an den Käufer abgetreten werden. Genau diese Frage wurde vom Obersten Gerichtshof aber bereits zu 9 Ob 7/10k (unter Hinweis auf § 9 Abs 1 KSchG, wonach Gewährleistungsrechte des Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden können und die Abtretung von Gewährleistungsrechten an den Vertragspartner - ebenso wie die Überbindung von Gewährleistungspflichten an einen Dritten - im Verhältnis zu Verbrauchern seine Grenze jedenfalls darin findet, dass die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche der Verbraucher nicht beschnitten bzw behindert werden darf [Krejci in Rummel³ § 9 KSchG Rz 23]) wie folgt beantwortet:

Daran, dass die von den Beklagten beabsichtigte Konstruktion eine Einschränkung der Gewährleistungsrechte der Verbraucher bewirkt, besteht kein Zweifel. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Käufer anstelle der Verkäufer das Risiko der Insolvenz des mangelhaft erfüllenden Professionisten sowie der Zurechnung der auftretenden Mängel zu den einzelnen Professionisten tragen müsste. Zudem sind die aus einem Unternehmergeschäft abgetretenen Gewährleistungsrechte gegenüber den einem Verbraucher gesetzlich zustehenden Gewährleistungsrechten schon wegen der den Unternehmer treffenden Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377 UGB eingeschränkt. Eine Diskrepanz zwischen den einem Verbraucher gesetzlich zustehenden Gewährleistungsansprüchen und den vom Verkäufer abgetretenen Ansprüchen kann sich auch aus - im Verhältnis zwischen Verkäufer und Professionisten als Unternehmer zulässigen - Abreden über die Einschränkung gesetzlicher Gewährleistungsansprüche ergeben. Die Einschränkung der Gewährleistungsrechte auf jene Ansprüche, die der Verkäufer selbst gegen seine Subunternehmer (Professionisten) oder Lieferanten hat, ist somit unzulässig (RIS-Justiz RS0065562; RS0121432; Krejci aaO Rz 24).

Mangels zulässiger Überbindung stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise die in § 6 Abs 2 Z 2 KSchG vorgesehene „namentliche Nennung“ von Dritten erfolgen müsse, ohne dies vorher im Einzelnen aushandeln zu müssen, gar nicht.

Die weiteren Rechtsmittelausführungen betreffen zunächst die Auslegung von Prozessvorbringen (Punkt 2. des Rekurses), die nach ständiger Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des konkreten Einzelfalls vorzunehmen ist und daher nur bei einer auffallenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage darstellen könnte (RIS-Justiz RS0042828; 1 Ob 180/10t; 2 Ob 197/10z). Letzteres wird hier jedoch - zu Recht - nicht einmal behauptet; der Rekurs bestreitet die „thematisierte“ Prozessbehauptung nämlich nur dahin, dass sie „als ganz offensichtliche Schutzbehauptung des Klägers zu werten“ sei.

Die zuletzt erstatteten Ausführungen (Punkt 3. des Rekurses) richten sich erneut gegen die - den bereits dargelegten Grundsätzen entsprechende - Beurteilung, dass die Gewährleistungsausschlussklausel nach Punkt IV. Abs 1 des Kaufvertrags („keine weitere Gewähr“) gemäß § 9 Abs 1 KSchG unwirksam ist, was jedoch ständiger Rechtsprechung entspricht (RIS-Justiz RS0065562; vgl auch RS0122135 und RS0121432).

Da Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung somit nicht zu lösen sind, ist der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht; in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO, der kraft Größenschlusses auch für die Zurückweisung eines von der zweiten Instanz wegen einer erheblichen Rechtsfrage zugelassenen Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren nach § 519 Abs 2 ZPO gilt, kann sich der Oberste Gerichtshof nämlich ebenfalls auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a ZPO; Kodek in Rechberger3 § 528a ZPO Rz 1; RIS-Justiz RS0043691; RS0048272).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; es findet vielmehr ein Kostenersatz statt, wenn der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hinweist (stRsp; RIS-Justiz RS0123222). Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Beklagten jedoch nicht hingewiesen (7 Ob 18/10p; mwN).

Textnummer

E96831

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00222.10P.0309.000

Im RIS seit

15.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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