Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin I*****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, gegen die Antragsgegnerin C***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 26 Abs 1, § 5 Abs 1 KartG), über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 29. Oktober 2010, GZ 26 Kt 2/08-91, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Parteien haben die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin begehrt die Abstellung marktmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsgegnerin, das darin bestehen soll, dass sie nicht zum Filmstart mit „Blockbustern“ (Kinofilmen, die österreichweit mit zumindest 50 Filmkopien starten) beliefert werde.
Die Antragsgegnerin gab ein - mehrfach modifziertes - Verpflichtungszusagenangebot ab. Daraufhin wurde vom Erstgericht der Sachverständige beauftragt, diese Angebote „vor dem Hintergrund der Stellungnahmen der Parteien im Hinblick auf Deckung in der Kostenstruktur der Antragsgegnerin, Transparenz, Nachvollziehbarkeit sowie Praktikabilität und Überprüfbarkeit in betriebswirtschaftlicher Hinsicht darzustellen“. Zusätzlich wurde dem Sachverständigen der Auftrag erteilt, nur die variablen Kosten, die der Antragsgegnerin je zusätzlicher Filmkopie im Blockbusterbereich entstehen, möglichst präzise darzustellen und Vorschläge zu erstatten, in welcher Form eine nachvollziehbare Entgeltregelung für die sofortige Zurverfügungstellung eines Blockbusters an jeden Kinobetreiber, der dies wünscht, ohne Anrechnung auf eine umsatzabhängige Leihmiete gestaltet werden könne.
Aufgrund einer Kostenschätzung des Sachverständigen erlegte die Antragsgegnerin einen Sachverständigengebührenvorschuss von 10.800 EUR.
Am 5. 7. 2010 legte der Sachverständige das Gutachten und eine Gebührennote über 10.800 EUR vor.
Die Antragstellerin erhob Einwendungen gegen den Gebührenanspruch des Sachverständigen. Der Sachverständige verrechne mehr als die ihm im Erwerbsleben als Rechtsanwalt zustehenden Ansätze nach RATG; ein außergerichtliches Einkommen von 225 EUR pro Stunde habe er nicht bescheinigt. Der Sachverständige habe keinen Abschlag nach § 34 Abs 2 letzter Satz GebAG vorgenommen. Seinen Zeitaufwand für Mühewaltung habe er nicht detailliert bescheinigt; dieser werde im Hinblick auf den geringen Umfang des Gutachtens bestritten. Der Sachverständige habe seinen Gutachtensauftrag nicht erfüllt; er habe von der Antragstellerin aufgeworfene zahl- und umfangreiche Fragen nicht beantwortet. Das Gutachten sei unbrauchbar, weshalb dem Sachverständigen keine Gebühren zustünden.
Der Sachverständige hielt dem entgegen, dass er im außergerichtlichen Erwerbsleben Stundensätze von 300 EUR bis 475 EUR verrechne. Außerdem habe er noch einen zusätzlichen Nachlass gewährt, um eine „runde Summe“ im Rahmen der von ihm abgegebenen Kostenschätzung zu verrechnen. Der Zeitaufwand stehe in keinem Zusammenhang mit dem Papierumfang des Gutachtens. Das Gutachten sei auch keineswegs unbrauchbar. Eine Erweiterung sei jederzeit möglich; es könne auf dem vorgelegten Gutachten auch aufgebaut werden.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen antragsgemäß mit 10.800 EUR.
Die Anspruchsvoraussetzungen seien gegeben, wenn das Gutachten in Befolgung des gerichtlichen Auftrags erstattet worden sei; inhaltliche Richtigkeit, Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tunlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens eines Sachverständigen seien im Gebührensbestimmungsverfahren nicht zu überprüfen, zumal das Gutachten nicht völlig unbrauchbar sei. Primärer Zweck des vom Gericht von Amts wegen eingeholten Gutachtens sei nicht die Beantwortung von Fragenkatalogen der Parteien, sondern die Klärung der dem Gericht wesentlich erscheinenden Vorfrage gewesen, inwieweit die von der Antragsgegnerin angebotenen Verpflichtungszusagen betriebswirtschaftlich nachvollziehbar und allgemein darstellbar wären, um die Hauptfrage beantworten zu können, ob die Bedingungen, unter welchen die Antragsgegnerin bereit wäre, jedermann mit Blockbustern zu beliefern, in wettbewerblicher Hinsicht fassbar und rechtfertigbar wären. Zu der weiters aufgeworfenen Frage, ob - und, wenn ja, welche - variable Kosten pro zusätzlicher Filmkopie betriebswirtschaftlich darstellbar wären, enthalte das Gutachten hinreichend Substanz. Die Anzahl der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Arbeitsstunden sei bis zum Beweis des Gegenteils für wahr zu halten. Der Sachverständige habe glaubhaft dargelegt, dass er alle Mühewaltungstätigkeiten selbst verrichtet habe. Auch seine außergerichtlichen Einkünfte habe der Sachverständige nachträglich ausreichend bescheinigt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Gebühren des Sachverständigen nicht, zumindest aber nicht in voller Höhe zuzusprechen. Hilfweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In ihrem Rekurs macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, der Sachverständige habe den Gutachtensauftrag nicht erfüllt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 AußStrG).
2.1. Der Gebührenanspruch gemäß § 25 Abs 1 GebAG setzt die Erfüllung des erteilten Auftrags voraus. Die Anspruchsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle sind daher gegeben, wenn das Gutachten in Befolgung des gerichtlichen Auftrags erstattet wurde (RIS-Justiz RS0059129).
2.2. Nach ständiger Rechtsprechung sind im Rahmen des Gebührenbemessungsverfahrens Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tunlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens nicht zu beurteilen (RIS-Justiz RS0059129 [T6]).
3.1. Die Einwendungen gegen die verrechneten Stundenzahlen und die Höhe des Stundensatzes hält die Antragstellerin im Rekursverfahren nicht mehr aufrecht.
3.2. Soweit die Rekurswerberin zur Darlegung ihrer Rekursgründe auf einen in erster Instanz erstatteten Schriftsatz der Bundeswettbewerbsbehörde und ihre eigenen Einwendungen verweist, ist dies nach ständiger Rechtsprechung unbeachtlich. Die bloße Verweisung auf Inhalt und Anträge einer früheren Rechtsmittelschrift oder eines sonstigen Schriftsatzes ist unzulässig (E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 506 Rz 1; G. Kodek in Fasching/Konecny² §§ 84, 85 ZPO Rz 185 mwN; RIS-Justiz RS0043579, RS0043616, RS0007029 uva). Ein Rechtsmittel ist eine in sich geschlossene selbstständige Prozesshandlung, die durch Bezugnahme auf den Inhalt anderer Schriftsätze nicht ergänzt werden kann (1 Ob 527/85). Dieser Mangel ist nach herrschender Rechtsprechung nicht verbesserungsfähig (RIS-Justiz RS0036173, RS0043579; G. Kodek aaO).
4.1. Die Rekurswerberin macht im Wesentlichen geltend, der Sachverständige sei nicht auf die Stellungnahmen der Parteien eingegangen.
Dieser Einwand ist nicht berechtigt:
4.2. Zu den variablen Kosten pro Filmkopie hat der Sachverständige - wenn auch sehr knapp - Stellung genommen. Das Erstgericht ging davon aus, dass diese Ausführungen ausreichend Substanz zur Beantwortung der damit verbundenen Fragen enthielten. Dass der Sachverständige die Kosten von Filmkopien lapidar mit „zwischen 0,35 und 0,60“ angegeben hat, tut der Verständlichkeit des Gutachtens im Übrigen keinen Abbruch, weil sich aus dem Akteninhalt zweifelsfrei ergibt, dass es sich dabei um Kosten pro Laufmeter handelt (vgl S 4 in ON 33).
4.3. Im Übrigen hatte der Sachverständige keineswegs den Auftrag, auf alle Stellungnahmen der Parteien einzugehen, sondern das vom Erstgericht von Amts wegen eingeholte Gutachten sollte lediglich „vor dem Hintergrund der Stellungnahmen der Parteien“ bestimmte vom Erstgericht als wesentlich angesehene Fragen beantworten. Das Erstgericht hat den von ihm erteilten Gutachtensauftrag als erfüllt angesehen. Dem vermag der Oberste Gerichtshof, der auch im Kartellverfahren - ebenso wie in allen anderen Verfahrensarten - lediglich Rechts-, nicht aber Tatsacheninstanz ist (RIS-Justiz RS0123662), nicht entgegenzutreten. Der Wortlaut des Bestellungsbeschlusses des Erstgerichts lässt jedenfalls ein Verständnis dahin zu, dass die Äußerungen der Parteien dem Sachverständigen lediglich Informationen über den Hintergrund des Verfahrens liefern sollten, er darauf aber nicht im Einzelnen einzugehen hatte.
4.4. Im Übrigen hat die Antragstellerin in ihrem Rekurs nicht vorgebracht, auf welche inhaltlichen Aspekte ihrer Stellungnahme der Sachverständige nicht eingegangen ist, sodass insoweit die mangelhafte Erfüllung des Gutachtensauftrags auch nicht ausreichend dargetan ist.
5. Zusammenfassend erweist sich der Beschluss des Erstgerichts daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG. Daraus ergibt sich, dass weder der Sachverständige noch die Parteien des Verfahrens einen Anspruch auf Kostenersatz im Gebührenbestimmungsverfahren haben (Krammer/Schmidt, GebAG3 § 41 GebAG Anm 16).
Schlagworte
KartellobergerichtTextnummer
E96977European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0160OK00001.11.0322.000Im RIS seit
05.05.2011Zuletzt aktualisiert am
05.10.2011