TE OGH 2011/3/22 3Ob14/11x

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Veröffentlicht am 22.03.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei O*****, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die verpflichtete Partei Mag. Gernot Faber, Rechtsanwalt, Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 34, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Ing. H*****, über den Rekurs des Verpflichteten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 16. Oktober 2009, GZ 17 R 285/09x-14, womit über Rekurs der betreibenden Partei und der Einschreiterin B***** AG, *****, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 26. Juni 2009, GZ 11 E 56/09z-10, in seinem Punkt 1. aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und in diesem Umfang der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die betreibende Partei und die Einschreiterin sind schuldig, dem Verpflichteten die mit 766,08 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 127,68 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei aufgrund eines vor dem Landesgericht Wiener Neustadt geschlossenen Vergleichs vom 22. August 2008 antragsgemäß die Fahrnisexekution, die Forderungsexekution gemäß § 294 und § 294a EO und die Pfändung eines Unternehmens und behielt sich die Entscheidung über den Verwertungsantrag vor.

Nach Erlassung der Exekutionsbewilligung stellte der Verpflichtete in der am 28. April 2009 eingelangten Oppositionsklage das Begehren, es werde festgestellt, dass der Anspruch aus dem Vergleich erloschen sei. Dazu brachte er vor, dass die Forderung der hier betreibenden Partei an eine Bank (die Einschreiterin im Rekursverfahren; in der Folge immer: Bank) mit Globalzessionsvereinbarung vom 21. November 2007 zediert worden sei, wobei der Verpflichtete mit eMail vom 15. Dezember 2008 von der Zession verständigt worden sei.

Am 9. Juni 2009 beantragten die betreibende Partei und die Bank die Bewilligung des Wechsels der betreibenden Partei auf die Bank infolge Einzelrechtsnachfolge. Sie bezogen sich ebenfalls auf die Globalzessionsvereinbarung vom 21. November 2007 und auf eine Verständigung des Verpflichteten mit eMail vom 15. Dezember 2008 und legten eine öffentlich beglaubigte Urkunde („gemeinsame Erklärung“) vor, in welcher das Einverständnis der betreibenden Partei dokumentiert ist, dass die Bank an ihrer Stelle als betreibende Partei in das Exekutionsverfahren gemäß § 9 EO eintritt.

Das Erstgericht wies den Antrag der betreibenden Partei und der Bank, den Wechsel der betreibenden Partei auf die Bank infolge Einzelrechtsnachfolge zu bewilligen ebenso wie das damit verbundene Kostenbegehren ab (Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses) und schob (Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses) die am 9. Februar 2009 bewilligte Exekution bis zur rechtskräftigen Erledigung des vom Verpflichteten eingeleiteten Oppositionsverfahrens auf. Die Drittschuldner wurden angewiesen, die gepfändete Forderung bis dahin weder an den Verpflichteten noch an die betreibende Partei zu bezahlen.

Rechtlich ging das Erstgericht zu Punkt 1 seines Beschlusses davon aus, dass die Bewilligung des Eintritts der Bank in das Exekutionsverfahren zu einer Rangverschiebung führen und somit einem wesentlichen Grundsatz des Einzelexektionsverfahrens widersprechen würde. § 9 EO könne nicht dazu dienen, eine ursprünglich unzulässige, weil von einer nicht legitimierten Partei beantragte, Exekution durch nachträglichen Eintritt der „richtigen“, legitimierten Partei zu sanieren.

Das Rekursgericht gab dem von der betreibenden Partei und der Bank erhobenen Rekurs Folge, hob (neben einer teilweisen Abänderung des erstgerichtlichen Aufschiebungsbeschlusses, die rechtskräftig wurde) den erstgerichtlichen Beschluss in seinem Punkt 1 auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil sich die Überlegungen des Erstgerichts als gewichtig erwiesen.

Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass der Forderungsübergang von der betreibenden Partei auf die Bank nach der Aktenlage bereits vor dem Antrag auf Exekutionsbewilligung am 9. Jänner 2009 abgeschlossen gewesen sei. Da die Bank bereits den Exekutionsantrag hätte stellen können, könne auch ein nachfolgender Parteiwechsel bewilligt werden, müsse aber den Anforderungen des § 9 EO gerecht werden. Der Zessionsvertrag sei nicht vorgelegt worden. Das Erstgericht werde daher im fortzusetzenden Verfahren den Abtretungsvertrag im Original abzuverlangen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs des Verpflichteten ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Über das Vermögen des Verpflichteten wurde am 28. Dezember 2010 zu AZ 11 S 40/10v des Bezirksgerichts Wiener Neustadt das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dem Verpflichteten wurde die Eigenverwaltung entzogen und ein Masseverwalter bestellt. Sowohl die Exekutionsbewilligung als auch die für den Pfandrechtserwerb maßgebliche Zustellung des Drittverbots an die Drittschuldner (RIS-Justiz RS0114584) erfolgte außerhalb der Frist des § 11 Abs 2 KO (nun: Sechsmonatsfrist des § 11 Abs 2 IO). Das Exekutionsverfahren, das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens bereits zum Erwerb eines Absonderungsrechts führte, läuft daher unberührt weiter und wird durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Verpflichteten nicht unterbrochen. Während des anhängigen Insolvenzverfahrens ist der Masseverwalter der gesetzliche Vertreter des Schuldners (RIS-Justiz RS0110285; RS0002250; 3 Ob 187/04b). Zwar steht dem Schuldner im reinen Exekutionsverfahren, das die Masse betrifft, kein Rekursrecht zu; zur Rekurserhebung ist vielmehr allein der Masseverwalter legitimiert (RIS-Justiz RS0002253). Davon ist aber der vorliegende Fall nicht berührt, weil der Verpflichtete den Rekurs vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens und somit wirksam erhob. Das schon wirksam erhobene Rechtsmittel wird nicht nachträglich unwirksam (vgl zum umgekehrten Fall der Rekurserhebung durch den Masseverwalter und dessen nachträglicher Enthebung 3 Ob 32/06m SZ 2006/67).

2. Der aus dem Firmenbuch hervorgehende Umstand, dass die betreibende Partei am 16. Februar 2010 amtswegig gelöscht wurde, nimmt ihr nicht die Parteifähigkeit, weil die Löschung nach herrschender Ansicht nur deklarativ wirkt. Die Gesellschaft besteht so lange fort, als noch Aktivvermögen (hier: der betriebene Anspruch) vorhanden ist (RIS-Justiz RS0050186).

3. Gemäß § 9 EO kann zu Gunsten einer anderen als der im Exekutionstitel als berechtigt bezeichneten Person oder wider einen anderen als den im Exekutionstitel benannten Verpflichteten die Exekution nur insoweit stattfinden, als durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen wird, dass der im Exekutionstitel anerkannte Anspruch oder die darin festgestellte Verpflichtung von den dort genannten Personen auf diejenigen Personen übergegangen ist, von welchen oder wider welche die Exekution beantragt wird. Zweck der Regelung des § 9 EO ist es, dass Änderungen des Sachverhalts, die nach Schaffung des Exekutionstitels eingetreten sind und eine Verschiebung der Rechtszuständigkeit mit sich gebracht haben, für die Exekutionsführung berücksichtigen werden können. Es soll vermieden werden, dass in einem solchen Fall der bereits erlangte Exekutionstitel hinfällig wird und ein neuer Exekutionstitel geschaffen werden muss (Jakusch in Angst² § 9 Rz 1, 8).

4. Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung, dass auch eine nach Erlassung der Exekutionsbewilligung vollzogene Rechtsnachfolge zu einem Parteiwechsel im Exekutionsverfahren führen kann (RIS-Justiz RS0000311; 3 Ob 324/02x SZ 2003/41; 8 Ob 82/03x; 3 Ob 299/05z); nicht unumstritten war in der Vergangenheit lediglich, auf welchem Weg der Eintritt in das Exekutionverfahren bewirkt wird (vgl die Darstellung bei Jakusch in Angst² § 9 EO Rz 10).

5. Damit § 9 EO zur Anwendung kommen kann, muss der Rechtsübergang jedenfalls nach Entstehung des Exekutionstitels erfolgt sein (3 Ob 285/02m). Lediglich in jenen Fällen, in denen bei einem Zivilprozess nach Veräußerung der streitverfangenen Sache (§ 234 ZPO) das Urteil gegen den ursprünglichen Sachinhaber ergeht, kann die Rechtsnachfolge auch vor Entstehen des Exekutionstitels, aber nach Streitanhängigkeit im Titelverfahren erfolgt sein (RIS-Justiz RS0000291 [T2]).

6. Im Anlassfall stützen sich die betreibende Partei und die Bank auf eine Generalzessionsvereinbarung vom 21. November 2007. Ob es sich bei der Generalzession um eine Sicherungszession handelte, die zu ihrer Wirksamkeit eines besonderen Modus bedurfte (RIS-Justiz RS0032565; 6 Ob 116/05k SZ 2006/180 zur Zulässigkeit der Drittschuldnerverständigung), oder ob eine Vollzession vorlag, die den sofortigen Rechtsübergang auf die Bank bewirkte, kann - mangels Vorlage der Zessionsvereinbarung - nicht beurteilt werden.

7. Allerdings bedarf die Frage, wann die Forderung in die Rechtszuständigkeit der Bank überging, aus folgenden Überlegungen keiner Beantwortung:

7.1 Sowohl dann, wenn der Forderungsübergang am 21. November 2007 eintrat als auch dann, wenn er erst am 15. Dezember 2008 bewirkt wurde, war zum Zeitpunkt der Stellung des Exekutionsantrags ebenso wie zum Zeitpunkt der Erlassung der Exekutionsbewilligung die Forderung bereits übergegangen. Der Umstand, dass dem betreibenden Gläubiger der materiellrechtliche Anspruch - etwa durch Zession der zu Grunde liegenden Forderung - nicht mehr zusteht, führt nach der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre sowohl dann, wenn die Forderung vor der Exekutionsbewilligung, als auch dann, wenn sie danach überging, zwar nicht zu einer Aufhebung oder Hemmung dieses Anspruchs im eigentlichen Sinn des § 35 EO, denn der Anspruch als solcher ist weiterhin aufrecht. Der Anspruch ist allerdings im Verhältnis zwischen Titelgläubiger und Titelschuldner erloschen. Wegen vergleichbarer Interessenlage kommt aber eine (zumindest analoge) Anwendung des § 35 EO in Betracht, wenn der Gläubiger- oder Schuldnerwechsel nicht nach § 9 bzw § 10 EO geltend gemacht worden ist und daher ein entsprechender Parteiwechsel im Exekutionsverfahren unterbleibt (3 Ob 324/02x SZ 2003/41; 3 Ob 142/69 SZ 43/21; 3 Ob 45/66 JBl 1966, 527; Jakusch in Angst² § 35 EO Rz 27 f mwN). Mit dem durch die Abtretung bewirkten Rechtsübergang fällt die materielle Berechtigung des Zedenten weg. Ab diesem Zeitpunkt ist nur mehr der Zessionar zur Exekutionsführung berechtigt (3 Ob 45/66 JBl 1966, 527).

7.2 Ein zu 7.1 behandelter Fall liegt aber hier nicht vor: Vielmehr besteht die Besonderheit des hier zu beurteilenden Falls darin, dass der Rechtsübergang (Forderungsübergang) zum Zeitpunkt der Stellung des Exekutionsantrags und zum Zeitpunkt der Erlassung der Exekutionsbewilligung bereits vollzogen war, die Exekution aber dennoch vom Altgläubiger (betreibende Partei) beantragt und auch ihm gegenüber bewilligt wurde.

7.3 Jakusch (in Angst² § 9 Rz 10a) meint, der Eintritt des Neugläubigers gelte „sinngemäß auch für den Fall, dass der Rechtsübergang noch vor der Exekutionsbewilligung eingetreten ist, die Exekution aber noch zu Gunsten des Altgläubigers bewilligt wurde und nun der Neugläubiger in das laufende Exekutionsverfahren eintreten will“. Seine - nicht näher begründeten - Ausführungen lassen nicht erkennen, ob er des hier vorliegenden Falls gedachte oder aber den Fall vor Augen hatte, dass zwischen Stellung des Exekutionsantrags (durch den noch materiell berechtigten Altgläubiger) und Ergehen der Exekutionsbewilligung der Rechtsübergang vollzogen wurde.

7.4 Gegen die Ansicht, dass auch in jenem Fall, bei welchen der Rechtsübergang vor Stellung des Exekutionsantrags und Erteilung der Exekutionsbewilligung vollzogen war, ein Eintritt des Neugläubigers in das Exekutionsverfahren möglich sei, ist das bereits vom Erstgericht zutreffend hervorgehobene tragende Rangprinzip des Exekutionsverfahrens ins Treffen zu führen. Hier hat eine materiell nicht (mehr) berechtigte Partei den Exekutionsantrag gestellt. Ließe man eine nachträgliche Sanierung der (ursprünglich nicht der materiellen Rechtslage entsprechenden) Exekutionsbewilligung dadurch zu, dass der wahre materiell Berechtigte in das Exekutionsverfahren eintreten kann, verletzt dieser Eintritt des materiell Berechtigten anstelle des zum Zeitpunkt der Stellung des Exekutionsantrags und der Erteilung der Exekutionsbewilligung nicht (mehr) Berechtigten das Rangwahrungsprinzip. Dem Rechtsnachfolger kommt nämlich der der ursprünglich betreibenden Partei gebührende Rang zu (3 Ob 299/05z).

7.5 Daraus folgt aber, dass eine ursprünglich unrichtig erteilte, weil infolge Forderungsabtretung nicht mehr der wahren Rechtslage entsprechende Exekutionsbewilligung nicht nachträglich dadurch saniert werden kann, dass der in Wahrheit bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Exekutionsantrags und der Erlassung der Exekutionsbewilligung wahrhaft Berechtigte anstelle des (materiell schon ursprünglich nicht Berechtigten) in das Exekutionsverfahren eintritt. Dass es ausreicht, wenn der Neugläubiger spätestens bis zum Schluss des gegen den Titelgläubiger geführten Oppositionsverfahrens in das Exekutionsverfahren gemäß § 9 EO eintritt (3 Ob 324/02x SZ 2003/41), steht dieser Beurteilung nicht entgegen: Im Anlassfall der Entscheidung 3 Ob 324/02x war der Exekutionsantrag zutreffend noch vom Titelgläubiger gestellt worden; erst nach Erlassung der Exekutionsbewilligung übergab der Titelgläubiger jene Liegenschaft, auf welcher das vom Verpflichteten zu räumende Gasthaus errichtet war.

7.6 Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch mit den Zielen, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 9 EO erkennbar verfolgte. § 9 EO verfolgt nicht den Zweck, materiell unrichtige Exekutionsbewilligungen dadurch zu sanieren, dass im Wege eines Parteiwechsels der tatsächlich legitimierte Gläubiger anstelle des bereits ursprünglich nicht (mehr) Legitimierten in das Exekutionsverfahren eintritt; vielmehr bezweckt § 9 EO, bereits geschaffene Exekutionstitel nicht durch einen nachträglichen Übergang der dem Exekutionstitel zu Grunde liegenden Forderung zunichte zu machen.

8. Aus diesem Grund ist der erstgerichtliche Beschluss in seinem Punkt 1. wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 78 EO, §§ 41 und 50 ZPO.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,

Textnummer

E96793

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00014.11X.0322.000

Im RIS seit

13.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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