TE OGH 2011/3/29 12Os21/11x

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz S***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 29. Juni 2010, GZ 17 Hv 194/08t-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz S***** mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), dreier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II/1), eines Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (II/2) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB idF BGBl I 2004/15 (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in Klagenfurt

(I./) mit einer unmündigen Person, nämlich der am 18. April 1990 geborenen Julia St*****, von 2002 bis 18. April 2004 (US 6 oben) in wiederholten Angriffen den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er einen Finger in ihre Scheide einführte und mit ihr den Geschlechtsverkehr sowie den Oral- und Analverkehr durchführte;

(II./)

(1) am 1. Oktober 2007 und in zwei weiteren Angriffen im Oktober oder November 2007 Julia St***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie mit Körperkraft auf ihr Bett niederdrückte und fixierte;

(2) am 15. November 2007 versucht, Julia St***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen, indem er sie mit den Händen umfasste, festhielt und in ihr Zimmer drängte;

(III./) von 2002 bis März 2007 mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, nämlich der am 18. April 1990 geborenen Julia St*****, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber die zu I./ und II./ genannten Tathandlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf „Einholung eines ärztlichen Gutachtens über den Körper des Angeklagten, insbesondere über dessen im Intimbereich vorliegenden und aus unmittelbarer Nähe wahrnehmbaren besonderen Kennzeichen, wie beispielsweise Narben, Muttermale etc“ (ON 34 S 24), ließ keine Eignung erkennen, das angestrebte Beweisziel, nämlich den Ausschluss von „sexuellen Handlungen“ zwischen ihm und Julia St*****“, zu erreichen. Daran ändert der Umstand nichts, dass er bei der Antragstellung auf die Angaben seiner als Zeugin vernommenen Lebensgefährtin, Amitha St*****, verwies, wonach er „ein Muttermal am Hoden hat“, das sie als „offensichtlich“ erachtete (ON 23 S 16), und Julia St***** von mehreren Muttermalen des Angeklagten berichtet hatte, von denen ihr „keines in besonderer Erinnerung“ geblieben sei (ON 34 S 12). Durch das ablehnende Zwischenerkenntnis wurden demnach Verteidigungsrechte nicht geschmälert (Z 4; RIS-Justiz RS0099189).

Inwiefern Feststellungen über Aufforderungen des Angeklagten an Julia St*****, an ihm geschlechtliche Handlungen vorzunehmen (US 5 unten f), zu in der Beweiswürdigung herangezogenen (vgl US 10 oben) Angaben dieser Zeugin vom 28. November 2007 (ON 2 S 15 ff) und vom 15. Mai 2008 (ON 5) „im krassen Widerspruch“ stehen sollen, legt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht dar.

Bedenken an ihrer Glaubwürdigkeit zu äußern spricht keinen Begründungsmangel (Z 5) an, sondern stellt den Versuch dar, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Verfahrensordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen. Dies gilt für das Vorbringen zu einer Minderbegabung der Zeugin ebenso wie für den (aktenwidrig fehlende Angaben zu anatomischen Besonderheiten beim Beschwerdeführer behauptenden; vgl ON 34 S 12) Hinweis auf ihre Angaben zu Muttermalen des Angeklagten.

Weshalb Ergebnisse eines von einer Sachverständigen mit Julia St***** durchgeführten Tests, wonach Letztere auffällig ehrgeizig und begeisterungsfähig sei, sich engagiert zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetze und Schwierigkeiten damit habe, Aggressivität unter Kontrolle zu halten, einer Erörterung bedurft hätten (Z 5 zweiter Fall), legt der Angeklagte nicht dar.

Ebenso wenig wird deutlich und bestimmt bezeichnet (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO), welche Angaben der in der Beschwerde aufgezählten Zeugen das Erstgericht näher hätte würdigen sollen (Z 5 zweiter Fall).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zur Berufung:

Der Angeklagte hat nach Urteilsverkündung das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, nicht aber jenes der Berufung (ON 36; vgl §§ 280, 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO).

Die dennoch ausgeführte Berufung (gegen den Ausspruch über die Strafe und gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche) war daher in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO; Ratz, WK-StPO § 280 Rz 3).

Zur amtswegigen Maßnahme:

Die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der „völligen Schulduneinsichtigkeit“ des leugnenden Angeklagten als eine für die Strafzumessung entscheidende Tatsache (US 17) stellt eine unrichtige Gesetzesanwendung dar (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; RIS-Justiz RS0090897). Daher wird das Erstgericht (vgl § 43 Abs 2 StPO; Lässig in WK-StPO § 43 Rz 23) die Strafe neu zu bemessen haben (14 Os 49, 50/01; Ratz, WK-StPO § 285i Rz 4).

Zum Kostenausspruch:

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Sie umfasst nicht die Kosten der amtswegigen Maßnahme.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97285

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00021.11X.0329.000

Im RIS seit

28.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

30.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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