Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Mag. H*****, vertreten durch Mag. Dr. Walter Mühlbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner H*****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Oktober 2010, GZ 39 R 139/10w-27, womit über Rekurs des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 24. Februar 2010, GZ 30 Msch 2/09x-22, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 297,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 49,56 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht stellte - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Relevanz - fest, dass der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für die von der Antragstellerin ab 16. 3. 2007 auf die Dauer von sechs Jahren zu einem Hauptmietzins von 149,68 EUR monatlich gemietete Wohnung top 26 in dem dem Antragsgegner gehörigen Haus unter Berücksichtigung eines Befristungsabschlags von 25 % 82,88 EUR netto betrug. Davon ausgehend stellte das Erstgericht näher bezeichnete Hauptmietzinsüberschreitungen zu den Zinsperioden ab 16. 3. 2007 bis Mai 2009 fest und verhielt den Antragsgegner zur Rückzahlung eines Betrags von 576,30 EUR samt gestaffelten Zinsen.
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluss über Rekurs des Antragsgegners lediglich geringfügig im Umfang der vom Erstgericht ab Juli 2008 festgestellten Überschreitungen des Hauptmietzinses durch die Vorschreibungen des Antragsgegners ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und erklärte - über Zulassungsvorstellung des Antragsgegners - den Revisionsrekurs nachträglich mit der Begründung für zulässig, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verfassungskonformität des Befristungsabschlags gemäß § 16 Abs 7 MRG fehle.
Rechtlich vertrat das Rekursgericht zusammengefasst die Auffassung, dass ausgehend vom näher festgestellten Ausstattungs- und Erhaltungszustand der Wohnung die vom Erstgericht vom Richtwert vorgenommenen Zu- und Abschläge nicht zu beanstanden seien. Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Regelung des § 16 Abs 7 MRG hegte das Rekursgericht nicht.
In seinem dagegen erhobenen Revisionsrekurs strebt der Antragsgegner eine Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichts dahin an, dass festgestellt werde, dass der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für die von der Antragstellerin gemietete Wohnung zum Stichtag 16. 3. 2007 116,77 EUR netto betrage und sich davon ausgehend auch die konkret festgestellten Überschreitungsbeträge ab 16. 3. 2007 verringerten.
Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruchs des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig:
1. Wesentliches Argument des Revisionsrekurses ist die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 16 Abs 7 MRG idF der WRN 2000: Danach verringert sich der nach Abs 1 bis 6 höchstzulässige Hauptmietzins im Fall eines befristeten Hauptmietvertrags um 25 %. Der Antragsgegner meint dazu, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen befristeten und unbefristeten Mietverträgen sachlich nicht gerechtfertigt sei und einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot darstelle. Wollte man davon ausgehen, dass der Gesetzgeber einen „Nachteil“, den der Mieter durch ein befristetes Mietverhältnis erleide, durch einen Befristungsabschlag ausgleichen wolle, sei nicht einzusehen, warum ein entsprechender Befristungsabschlag nur bei Mietverhältnissen vorgesehen sei, die in den Vollanwendungsbereich des MRG fielen. Überdies sei zu bedenken, dass der einheitlich starre 25%ige Befristungsabschlag keine Differenzierung nach der Dauer des befristeten Mietverhältnisses erlaube; es mache einen Unterschied, ob ein Mietvertrag auf zehn Jahre oder länger oder nur auf drei Jahre befristet sei.
2. Der Oberste Gerichtshof teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Revisionsrekurswerbers gegen § 16 Abs 7 MRG nicht, weshalb dazu keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS-Justiz RS0116943):
2.1 Dem einfachen Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum verfassungsrechtlich insofern zu, als er in seinen rechtspolitischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen frei ist (5 Ob 50/10d immolex 2010/14; 5 Ob 124/10m Zak 2010/683; RIS-Justiz RS0053889; RS0117654), sofern keine sachliche Ungleichbehandlung vorliegt (RIS-Justiz RS0072903; RS0053889 [T28]). Der gesetzlich vorgesehene Befristungsabschlag von 25 % bewirkt keine Überschreitung dieses Gestaltungsspielraums: Der Gesetzgeber hat die Regelung über den Befristungsabschlag, die erstmals mit dem 3. WÄG (in Höhe von ursprünglich 20 %) eingeführt wurde, im Wesentlichen damit begründet, dass ein befristetes Mietrecht für den Mieter von geringerem Wert ist, weil er erhöhte Aufwendungen für den Wohnungswechsel hat; beim Vermieter steht aber den verringerten Mietzinseinnahmen der Wert einer erhöhten Verfügbarkeit gegenüber (AB 1268 BlgNR XVIII. GP 12). Der damit vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters nach einer erhöhten Verfügbarkeit und den Interessen des Mieters nach einem gesicherten Bestandrecht liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Der Hinweis im Revisionsrekurs, auch Mieter „wünschten“ eine Befristung, lässt außer Acht, dass der Mieter im Anwendungsbereich der Kündigungschutzbestimmungen des MRG - und nur für diese gilt § 16 Abs 7 MRG - auch im auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverhältnis gegen eine Aufkündigung des Mietverhältnisses dadurch geschützt ist, dass der Vermieter nur aus wichtigen Gründen (§ 30 Abs 1 und 2 MRG) kündigen kann. In einem unbefristeten Mietvertrag steht dem Mieter das Recht der Kündigung ohne Angabe eines Grundes unter Einhaltung von Termin und Frist (§ 33 Abs 1 MRG) zu. Die Kombination von Bestandschutz und freier Kündigungsmöglichkeit des Mieters führt zur Beurteilung, dass keinerlei Vorteile zu erkennen sind, die der Mieter aus einer Befristung ziehen könnte. Wenn daher der Gesetzgeber im Interesse des Mieters auf Ausgleich der Nachteile durch eine Befristung eine Regelung schafft, die dem Vermieter einen Anreiz dafür bieten soll, unbefristet zu vermieten, lässt sich daraus eine unsachliche Ungleichbehandlung nicht erblicken.
2.2 Das Argument, diese Erwägungen des Gesetzgebers träfen in gleicher Weise auf bloß dem Teilanwendungsbereich des MRG unterliegende Mietverhältnisse zu, für die jedoch eine dem § 16 Abs 7 MRG vergleichbare Regelung nicht geschaffen worden sei, lässt außer Acht, dass der Gesetzgeber im Teilanwendungsbereich des MRG (von hier nicht relevanten förderungsrechtlichen Ausnahmen abgesehen) überhaupt keine Mietzinsbeschränkungen einführte; für bloß dem Teilanwendungsbereich des MRG unterliegende Mietverhältnisse bestehen hinsichtlich der Mietzinsbildung nur die allgemeinen Schranken des Zivilrechts (allenfalls des KSchG). Es ist daher nur konsequent, dass der Gesetzgeber für diese Mietverhältnisse auch keinen „Befristungsabschlag“ einführte.
2.3 Schließlich überzeugt auch das Argument nicht, es sei unsachlich, dass der Gesetzgeber unabhängig von der Dauer der Befristung immer den gleichen Befristungsabschlag vorsehe: Dem Vermieter bleibt ohnedies unbenommen, zugunsten einer besseren Verfügbarkeit kürzere Befristungen, soweit sie die für Wohnungen in § 29 Abs 1 Z 3 lit b vorgesehenen Mindestdauer von drei Jahren erreichen, zu vereinbaren.
2.4 Mit der Beschwerdesache Hutten-Czapska gegen Polen (EGMR Bsw 35014/97), auf die sich der Antragsgegner beruft, ist der Anlassfall nicht vergleichbar: Dort nämlich wurden die festgestellten Mängel der polnischen Wohnraumgesetzgebung damit begründet, dass die gesetzlichen Mietzinse nicht einmal die Instandhaltungskosten der Wohnung abgelten, geschweige denn die Ermöglichung eines Mindestgewinns bieten (vgl 5 Ob 50/10d immolex 2010/114).
2.5 Der Oberste Gerichtshof findet daher keinen Anlass, der Anregung des Revisionsrekurswerbers auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 B-VG näher zu treten.
3. Die Berechtigung und die Höhe von Ab- bzw Zuschlägen zum Richtwertmietzins hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0116132 [T2]). Durch den Zuschlag von 5 % (anstelle der vom Revisionsrekurswerber gewünschten 10 %) für den „Bezug nach Sanierung“ hat das Rekursgericht den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten.
4. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hinwies, entspricht es der Billigkeit, ihr die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen. Der verzeichnete Zuschlag für „verfassungsrechtliche Recherchen und Ausführungen“ und „vom Verfahrensgegner veranlasste Recherchen zur deutschen Rechtslage (?)“ steht allerdings nicht zu. Eine den Durchschnitt „erheblich übersteigende Leistung“ iSd § 21 Abs 1 RATG bei Verfassung der Revisionsrekursbeantwortung ist nicht zu erkennen.
Schlagworte
Außerstreitiges Wohnrecht,Gruppe: Zivilrechtsfragen - Menschenrechte,GrundfreiheitenTextnummer
E97023European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00029.11T.0329.000Im RIS seit
05.05.2011Zuletzt aktualisiert am
11.02.2013