Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** H*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Helmuth Hackl und Mag. Michaela Fattinger-Hackl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** Bankaktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, und den Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei Mag. C***** P*****, Unternehmensberater, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 171.362,94 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. April 2010, GZ 6 R 71/10v-20, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. Februar 2010, GZ 2 Cg 198/08b-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidungen zu lauten haben:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 171.362,94 EUR samt 4 % Zinsen ab dem 24. 6. 2008 zu zahlen und die mit 12.152,73 EUR (darin 1.429,28 EUR USt und 3.578,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die mit 9.661,56 EUR (darin 591,84 EUR USt und 6.110,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 10.704,14 EUR (darin 426,07 EUR USt und 8.147,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger und der Nebenintervenient waren als Rechtsanwälte durch einen Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag (Arbeitsgesellschaftsvertrag) und diverse vertragliche Ergänzungen miteinander verbunden. In diesem Vertrag war unter anderem vorgesehen, dass jeder Gesellschafter das Gesellschaftsverhältnis unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten aufkündigen kann.
Die Beklagte gab im Auftrag des Nebenintervenienten am 6. 12. 2006 gegenüber dem Kläger die folgende Bankgarantie ab (Beil ./1):
„Sehr geehrte Damen und Herren,
uns ist bekannt, dass Sie mit dem oben genannten Auftraggeber einen Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen, abgeschlossen haben.
Gemäß den vertraglichen Bedingungen soll zur Besicherung der daraus resultierenden Zahlungen unseres Kunden an Sie eine Bankgarantie beigebracht werden.
Dies vorausgesetzt verpflichten wir uns, auftrags unseres oben erwähnten Kunden Ihnen gegenüber unwiderruflich über Ihre erste schriftliche Aufforderung, unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses, den uns namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch insgesamt EUR 313.946,64 inkl. UmSt. (i.W. Euro dreihundertdreizehntausendneunhundertsechsundvierzig und 64/100 inkl. UmSt.) unter Ausschluss von Barzahlung innerhalb von 5 Bankarbeitstagen auf ein von Ihnen genanntes Konto zu überweisen.
Eine Inanspruchnahme dieser Garantie ist möglich, wenn
1) das Gesellschaftsverhältnis VOR einer gänzlichen Übernahme der Kanzlei durch Hrn. Mag. C***** P***** aufgekündigt wird. In einem solchen Fall verpflichten wir uns auf Abruf von Hrn. Dr. H***** H*****, in dem dieser erklärt, dass das Gesellschaftsverhältnis VOR gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt ist und Hr. Mag. C***** P***** seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen ihm gegenüber nicht nachgekommen ist, Herrn Dr. H***** H***** einen Betrag in Höhe von EUR 2.180,19 zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer je Monat der Zugehörigkeit von Hrn. Mag. C***** P***** zur Kanzleigemeinschaft beginnend ab 01.01.2003 bis zum Monat seines Ausscheidens zu bezahlen höchstens jedoch EUR 313.946,64, ODER
2) Hr. Dr. H***** H***** verstirbt und seine Gattin und Mitgesellschafterin Frau Mag. M***** F***** die Auszahlung des Garantiebetrages von EUR 313.946,64 inkl. UmSt. binnen 2 Monaten durch Vorlage der Todeserklärung verlangt, ODER
3) uns Hr. Dr. H***** H***** und Hr. Mag. C***** P***** übereinstimmend schriftlich erklären, dass die Übernahme der Kanzlei durch Hrn. Mag. C***** P***** vor oder per 31.12.2012 erfolgt ist. In einem solchen Fall verpflichten wir uns an Hrn. Dr. H***** H***** binnen 2 Monaten ab dem Übergabetermin, auf seine schriftliche Erklärung hin, dass Herr Mag. C***** P***** seine vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen ihm gegenüber nicht erfüllt hat, bis längstens aber 31.03.2013, einen auf Basis des VPI 2000 (Ausgangsbasis ist Indexzahl für Jänner 2006, das ist 111,0) wertgesicherten Betrag in Höhe von EUR 313.946,64 (EUR 261.622,20 zuzüglich Umsatzsteuer EUR 53.323,44) zu bezahlen.
Sollte das Gesellschaftsverhältnis jedoch a) durch Tod des Hrn. Mag. C***** P***** oder b) durch Kündigung und Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis für mindestens 5 Jahre seitens Hrn. Mag. C***** P***** aufgelöst werden, kommt es zu keiner Zahlung aus dieser Garantie. Die Garantie erlischt in diesem Falle spätestens am 31.03.2013. Die Kündigung infolge Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis sowie die Nichtausübung derselben für die Dauer von 5 Jahren ist uns von Hrn. Mag. P***** schriftlich zu bestätigen.
Sollte Hr. Mag.C***** P***** innerhalb dieser 5 Jahre ab Beendigung des Gesellschaftsverhältnis seine Rechtsanwaltsbefugnis wieder aufnehmen, ist Hr. Dr. H***** H***** berechtigt, diese Garantie in Anspruch zu nehmen. Im diesem Fall ist uns von Hrn. Dr. H***** H***** schriftlich unter Vorlage einer Bestätigung der RA-Kammer zu bestätigen, dass Hr. Mag. C***** P***** seine Rechtsanwaltsbefugnis innerhalb der Frist von 5 Jahren wieder aufgenommen hat. Die Bankgarantie verlängert sich für diesen Fall um 5 Jahre ab Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses, längstens jedoch bis 31.03.2018.
Ihre Inanspruchnahme ist uns innerhalb der Garantiedauer an die A***** Bankaktiengesellschaft, S***** O***** Kreditprodukte/Z, OE 4660, mittels eingeschriebenen Briefes (Telefax und E-Mail sind ausgeschlossen) zu übermitteln. Sollte der Fristablauf nicht auf einen Bankarbeitstag fallen, muss die schriftliche Zahlungsaufforderung spätestens mit Ablauf des vorhergehenden Bankarbeitstages bei uns einlangen.
Eine Abtretung von Rechten aus dieser Garantie ist nur mit unserer vorherigen schriftlichen Zustimmung möglich.
Der Garantieauftraggeber hat uns allfällige Rückforderungsansprüche von auf Grund dieser Garantie geleisteten Zahlungen abgetreten. Soferne daher nach Haftungsinanspruchnahme und Zahlung durch uns Beträge frei werden, sind diese ausschließlich an uns zurückzuzahlen.
Für allfällige Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dieser Garantie ergeben, gilt österreichisches Recht und wird als ausschließlicher Gerichtsstand das jeweils zuständige Gericht in Linz vereinbart.“
Am 3. 3. 2008 kündigte der Kläger den Arbeitsgesellschaftsvertrag mit dem Nebenintervenienten. Am 28. 3. 2008 kündigte auch der Nebenintervenient den Arbeitsgesellschaftsvertrag.
Mit Schreiben vom 31. 3. 2008 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die vorstehende Bankgarantie unter Hinweis auf seine Aufkündigung des Vertrags mit dem Nebenintervenienten vom 3. 3. 2008 geltend, gab in diesem Schreiben allerdings nicht die in der Bankgarantie geforderte Erklärung des Inhalts ab, dass das Gesellschaftsverhältnis vor gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt sei und der Nebenintervenient nicht seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen nachgekommen sei. Die Beklagte wies den Kläger auf das Fehlen der laut Garantiebedingungen erforderlichen Erklärung hin.
Am 17. 6. 2008 löste der Kläger den Arbeitsgesellschaftsvertrag mit dem Nebenintervenienten aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung auf. Mit Schreiben vom 23. 6. 2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte ihr mit, dass er die Kanzleigemeinschaft mit dem Nebenintervenienten am 17. 6. 2008 aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aufgelöst habe. Weiters gab er der Beklagten bekannt, dass er das Gesellschaftsverhältnis vor gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt habe und der Nebenintervenient seiner vertraglichen Zahlungsverpflichtung aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen ihm gegenüber nicht nachgekommen sei.
In Reaktion auf die vorzeitige Auflösung durch den Kläger mit Schreiben vom 17. 6. 2008 gab der Nebenintervenient der Beklagten mit Schreiben vom 20. 6. 2008 bekannt, dass er die Befugnis zum Rechtsanwalt mit Wirkung zum 20. 6. 2008 niedergelegt habe und diese Zurücklegung für zumindest fünf Jahre aufrecht erhalten werde. Tatsächlich legte der Nebenintervenient die Rechtsanwaltschaft mit Wirkung ab 21. 6. 2008 für die Dauer von zumindest fünf Jahren nieder.
Mit Schreiben vom 27. 6. 2008 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Leistung aus der Bankgarantie ab.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage den Betrag von 171.362,94 EUR sA aus der Bankgarantie der Beklagten vom 6. 12. 2006, mit der ein neues Modell der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Nebenintervenienten bis zum Betrag von 313.946,64 EUR besichert worden sei. Die Beklagte habe sich in der Bankgarantie verpflichtet, auf Aufforderung des Klägers unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Überprüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zu zahlen. Der Kläger habe am 17. 6. 2008 die Kanzleigemeinschaft mit dem Nebenintervenienten wegen dessen vertragswidrigen Verhaltens mit sofortiger Wirkung aus wichtigen Gründen aufgelöst. Die Beklagte schulde daher laut Bankgarantie aufgrund des formgerechten Abrufs durch den Kläger mit Schreiben vom 23. 6. 2008 den Klagebetrag. Die erst nach der Vertragsauflösung erfolgte Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis durch den Nebenintervenienten begründe keinen Ausschluss der Auszahlung der Bankgarantie. Nicht der Kläger habe rechtsmissbräuchlich gehandelt, sondern der Nebenintervenient, der trotz Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis weiter als Rechtsanwalt tätig sei und Klienten des Klägers berate.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Klageabweisung und wendete ein, dass die vorzeitige Auflösung durch den Kläger die vorhergehende ordentliche Kündigung überlagert habe, weshalb das Vertragsverhältnis durch vorzeitige Auflösung beendet worden sei. In diesem Fall liege aber kein Garantiefall vor. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass auch die außerordentliche Kündigung vom Vertrag umfasst sei, sei dennoch dem Garantieabruf des Klägers nicht zu folgen, weil der Nebenintervenient auf die weitere Ausübung der Rechtsanwaltschaft für zumindest fünf Jahre verzichtet habe. Im Übrigen sei die Inanspruchnahme der Garantie durch den Kläger rechtsmissbräuchlich, weil infolge Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis durch den Nebenintervenienten kein Klientenabgang des Klägers zu erwarten sei.
Der Nebenintervenient trat dem Verfahren auf Seite der Beklagten bei, bestritt seinerseits das Klagebegehren und beantragte ebenfalls dessen Abweisung. Auch er räumte ein, dass das Gesellschaftsverhältnis vom Kläger am 17. 6. 2008 mit sofortiger Wirkung vorzeitig aufgelöst worden sei. Damit stehe aber fest, dass kein Garantiefall eingetreten sei. Die Bankgarantie stelle nicht auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Formulierung „Kündigung infolge Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis“ ab, sondern sei neutral formuliert worden („Kündigung und Zurücklegung“), weshalb es nicht darauf ankomme, durch welchen Gesellschafter die Kündigung ausgesprochen werde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen ab, die einleitend wiedergegeben wurden, soweit sie für das Revisionsverfahren von Bedeutung sind. Rechtlich führte es aus, dass die Inanspruchnahme der Bankgarantie durch den Kläger mit Schreiben vom 23. 6. 2008 zwar formal korrekt erfolgt sei; es sei aber ein Leistungsausschlussgrund vorgelegen, weil der Nebenintervenient die Ausübung der Rechtsanwaltsbefugnis für die Dauer von zumindest fünf Jahren zurückgelegt habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Rechtlich trat es der Beurteilung des Erstgerichts bei, dass die erste Inanspruchnahme der Bankgarantie durch den Kläger mit Schreiben vom 31. 3. 2008 formal nicht korrekt erfolgt sei. Im zweiten Abrufschreiben vom 23. 6. 2008 habe der Kläger den versäumten Textteil nachgeholt. Da er mit der vorzeitigen Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses vom 17. 6. 2008 einen neuen Auflösungs- und Abruftatbestand geltend gemacht habe, sei dieser auch selbständig zu prüfen und scheitere an der ab 21. 6. 2008 erfolgten Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis durch den Nebenintervenienten. Dabei komme es nicht darauf an, durch wen der Gesellschaftsvertrag aufgelöst worden sei.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen in den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig und berechtigt.
Die vom Revisionswerber gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) und Aktenwidrigkeit (§ 502 Abs 3 ZPO) wurden geprüft, sie liegen aber nicht vor. Diese Beurteilung bedarf gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Zu Recht wendet sich der Revisionswerber aber gegen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht (§ 503 Z 4 ZPO).
Vorauszuschicken ist, dass der echte Garantievertrag im Gesetz nicht geregelt ist. Nicht weiter strittig ist aber, dass er nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit mit verschiedenem Inhalt geschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0016963 ua). Für den Garantievertrag ist die Begründung einer selbständigen Schuld typisch, die von der Verbindlichkeit des ursprünglichen Schuldverhältnisses unabhängig ist (RIS-Justiz RS0017739 ua). Der zwischen den Parteien abgeschlossene Bankgarantievertrag vom 6. 12. 2006 stellt einen in der Praxis bedeutsamen Anwendungsfall des echten Garantievertrags dar. Beim Bankgarantievertrag handelt es sich um einen selbständigen, von jedem anderen Schuldverhältnis unabhängigen, einseitig verpflichtenden Schuldvertrag, der in der Regel der Sicherung der Leistung eines Dritten, zumeist des Bankkunden, an den aus diesem Vertrag begünstigten Gläubiger in der Weise dienen soll, dass letzterem durch die Bank gewährleistet wird, dass er die Leistung bzw sein vertraglich festgesetztes geldliches Interesse an dieser auf jeden Fall erhält (RIS-Justiz RS0017039 ua).
Besonders scharf betont ist die Abstraktheit bei einer Garantie „auf erstes Abfordern“ oder „ohne Einwendung“ (RIS-Justiz RS0016992 ua), wie sie auch hier vorliegt (arg „... verpflichten wir uns, … Ihnen gegenüber unwiderruflich über Ihre erste schriftliche Aufforderung, unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses, den uns namhaft gemachten Betrag … zu überweisen“). Durch den Gebrauch der Formulierung „ohne Prüfung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses“ wurden die abstrakte Rechtsposition des Begünstigten und damit die Abstraktheit der Garantie besonders betont. In diesem Fall ist dem Begünstigten auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, zunächst einmal Zahlung zu verschaffen; sein Vertragspartner ist auf den Weg einer Rückforderungsklage verwiesen (RIS-Justiz RS0005081, RS0016992 ua).
Die gegenständliche Bankgarantie sieht vor, dass ihr Abruf durch den Begünstigten durch die Abgabe einer bestimmten Erklärung zu erfolgen hat („... in dem dieser erklärt, dass das Gesellschaftsverhältnis VOR gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt ist und Hr. Mag. C***** P***** seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen ihm gegenüber nicht nachgekommen ist“). Die Bank kann, sobald der Begünstigte bei Abruf der Garantie die darin festgelegte formelhafte Erklärung abgibt, keine Einwendungen und Einreden aus dem zwischen Auftraggeber und Begünstigtem bestehenden Kausalverhältnis geltend machen, da es gerade der Sinn einer solchen Garantie ist, die Einstandsverpflichtung der Bank vom Kausalverhältnis zu lösen (vgl RIS-Justiz RS0016992 ua). Die Prüfung der materiellen Berechtigung des Zahlungsverlangens ist der Bank entzogen (RIS-Justiz RS0018014 ua). Im Hinblick auf das beträchtliche Risiko, das bei einer Bankgarantie für die garantierende Bank besteht, entspricht es der Verkehrssitte, dass der Wortlaut der Bankgarantie genau zu beachten ist (RIS-Justiz RS0016999 ua). Wird aber vom Begünstigten die vorgeschriebene Formulierung gebraucht, dann sind nur mehr solche Einwendungen zulässig, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben (vgl RIS-Justiz RS0016992, RS0017039 ua). Auch Garantieverträge sind Rechtsgeschäfte, die gemäß den §§ 914, 915 ABGB auszulegen sind (RIS-Justiz RS0033002 ua).
Die vorliegende Bankgarantie regelt drei Fälle, in denen die Inanspruchnahme der Garantie durch den Kläger möglich ist. Praktische Bedeutung hat hier nur der Garantiefall 1). Dieser liegt dann vor, wenn das Gesellschaftsverhältnis vor einer gänzlichen Übernahme der Kanzlei durch den Nebenintervenienten aufgekündigt wird. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung von maximal 313.946,64 EUR, wenn der Kläger in seinem Abruf der Garantie erklärt, dass das Gesellschaftsverhältnis vor gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt sei und der Nebenintervenient seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen gegenüber dem Kläger nicht nachgekommen sei. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Bankgarantie unterscheidet nicht zwischen ordentlicher oder außerordentlicher Kündigung des Arbeitsgesellschaftsvertrags. Entscheidend ist nur die Vertragsbeendigung VOR (besondere Hervorhebung in der Bankgarantie durch Großschreibung) der Übernahme der Kanzlei durch den Nebenintervenienten. Die Verfahrensbeteiligten gehen davon aus, dass der Arbeitsgesellschaftsvertrag vom Kläger am 17. 6. 2008 mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund beendet wurde. Damit kam die außerordentliche Kündigung des Klägers vom 17. 6. 2008 den ordentlichen Kündigungen des Klägers vom 3. 3. 2008 und des Nebenintervenienten vom 28. 3. 2008 zuvor, die unstrittig gemäß den Bedingungen im Arbeitsgesellschaftsvertrag jeweils unter Einhaltung der dort normierten dreimonatigen Kündigungsfrist erst zum Monatsletzten, das war hier der 30. 6. 2008, erfolgte. Im anschließenden Abruf der Garantie vom 23. 6. 2008 (nach der außerordentlichen Kündigung vom 17. 6. 2008) gab der Kläger gegenüber der Beklagten die laut Bankgarantie geforderte Erklärung ab, dass er das Gesellschaftsverhältnis vor gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt habe und der Nebenintervenient seiner vertraglichen Zahlungsverpflichtung aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen ihm gegenüber nicht nachgekommen sei. Mehr als die Abgabe dieser Erklärung gegenüber der Beklagten war vom Kläger laut Bankgarantie nicht zu tun. Der Garantiefall 1) ist damit verwirklicht.
Umstritten ist allerdings, ob sich die Beklagte auf einen der beiden in der Bankgarantie enthaltenen Ausschlussfälle berufen kann. Der Ausschlussfall b) liegt laut Bankgarantie dann vor, wenn das Gesellschaftsverhältnis durch „Kündigung und Zurücklegung“ der Rechtsanwaltsbefugnis für mindestens fünf Jahre seitens des Nebenintervenienten aufgelöst wird. Auch insoweit verlangt die Bankgarantie eine abzugebende Erklärung, und zwar muss der Nebenintervenient gegenüber der Beklagten die „Kündigung infolge Zurücklegung“ der Rechtsanwaltsbefugnis sowie die Nichtausübung derselben für die Dauer von fünf Jahren bestätigen. Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, dass die in der Garantie gebrauchte Formulierung „Kündigung und Zurücklegung“ dahin zu verstehen sei, dass (vor dem Hintergrund der von der Beklagten und dem Nebenintervenienten zugestandenen außerordentlichen Kündigung des Klägers mit sofortiger Wirkung vom 17. 6. 2008) nicht unbedingt eine Kündigung des Nebenintervenienten vorliegen müsse. Auch die Kombination der Kündigung des Klägers und der Zurücklegung der Rechtsanwaltsbefugnis durch den Nebenintervenienten begründe den Ausschlussfall b). Dieser Standpunkt hält allerdings einer systematischen Auslegung der Bankgarantie nicht stand. Diese Auffassung hätte nämlich zur Folge, dass sich die im Text der Bankgarantie geforderte schriftliche Bestätigung des Nebenintervenienten nicht mit dem Fall deckt, den die Beklagte und der Nebenintervenient als Ausschlussfall annehmen. Zu bestätigen ist nämlich beim Ausschlussfall laut Bankgarantie nicht irgendeine Kündigung durch irgendeine Vertragspartei, sondern die „Kündigung infolge Zurücklegung“ der Rechtsanwaltsbefugnis seitens des Nebenintervenienten. Das Wort „infolge“ ist nicht ganz zufällig in die Bankgarantie gekommen. Der Nebenintervenient räumte schon in seinem Beitritt auf Beklagtenseite ein, dass dieses Wort bereits im Gesellschaftsvertrag (genau genommen in einer Ergänzung des Vertrags, Beil ./2) vorkommt. Für das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten kommt es zwar nur auf die Formulierung der Bankgarantie an. Der Umstand, dass schon die Ergänzung des Gesellschaftsvertrags auf eine „Kündigung infolge Zurücklegung“ der Rechtsanwaltsbefugnis abstellt, spricht aber jedenfalls nicht gegen die Auslegung, dass es auch für den Ausschlussgrund laut Bankgarantie auf eine „Kündigung infolge Zurücklegung“ der Rechtsanwaltsbefugnis durch den Nebenintervenienten ankomme.
Entscheidend ist, dass sich die Beklagte in der Bankgarantie gegenüber dem Kläger „unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses“ zur Zahlung verpflichtet hat. Der für die Bankgarantie typische Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis und dem Deckungsverhältnis darf nach der Rechtsprechung auch nicht auf Umwegen umgangen werden (vgl RIS-Justiz RS0005081 ua). Die Tatsache allein, dass der Auftraggeber der Auszahlung der Garantiesumme widerspricht, berechtigt die Bank nicht, dem Begünstigten die Leistung zu verweigern (RIS-Justiz RS0018027 ua). Richtig ist, dass ein Leistungsverweigerungsrecht unter Umständen dann bestehen kann, wenn das Anfordern der garantierten Leistung einen Rechtsmissbrauch darstellt. Diesfalls muss aber die missbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie geradezu evident sein (RIS-Justiz RS0018027 ua). Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Da, wie bereits ausgeführt, auch kein Ausschlussfall vorliegt, ist das auf die Bankgarantie der Beklagten gestützte Klagebegehren des Klägers berechtigt.
Der Revision des Klägers ist daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Dabei konnte die vom Kläger begehrte Höhe des Klagebegehrens als nicht weiter strittig zugrunde gelegt werden.
Die Entscheidung über die Kosten aller drei Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E97010European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0090OB00039.10S.0330.000Im RIS seit
04.05.2011Zuletzt aktualisiert am
25.08.2011