TE OGH 2011/3/31 10Bs61/11p

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Veröffentlicht am 31.03.2011
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Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Dr.Haidacher (Vorsitz) und die Richterinnen Mag.List und Dr.Rabl in der Strafsache gegen Thomas N***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4.Februar 2011, 14 Hv 20/10i-46, in nichtöffentlicher Sitzung den                             

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Thomas N***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12.April 2010, 14 Hv 20/10i, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Unter einem fasste das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluss, die bedingte Nachsicht der mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 23.August 2005, 153 Hv 119/05z, verhängten siebenmonatigen und des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.Oktober 2007, 17 U 321/07f, verhängten dreimonatigen Freiheitsstrafen zu widerrufen.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Mag.Dr.Roland B***** liegt bei Thomas N***** ein Abhängigkeits- und Entzugssyndrom durch den chronischen Missbrauch von morphinhältigen Medikamenten, Heroin, Kokain sowie benzodiazepinhältigen Medikamenten vor.

Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27.Mai 2010 wurde dem Verurteilten über seinen Antrag in der Hauptverhandlung am 12.April 2010 ein Strafaufschub bis einschließlich 1.August 2010 gewährt. Der Verurteilte war daraufhin vom 17.Juni 2010 bis 19.Juni 2010 beim Verein "Grüner Kreis" in der Einrichtung "Marienhof" in Aspang untergebracht, wo er sich einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzog. Danach begab er sich ab 2.August 2010 in die Einrichtung "Zukunftsschmiede Voggeneder GmbH" in Pressbaum, wo er die stationäre gesundheitsbezogene Maßnahme fortsetzte. Mit Schreiben vom 6.August 2010 stellte er einen weiteren Antrag auf Strafaufschub, welcher ihm mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.August 2010 bis zum 31.Jänner 2011 gewährt wurde. Am 3.September 2010 brach er die stationäre Therapie nach einem Rückfall ab. Daraufhin bewarb er sich am 27.September 2010 um einen Therapieplatz bei der Drogentherapiestation "SHH Schweizer Haus Hadersdorf". Nach einer längeren Vorbetreuung, deren Vorgaben Thomas N***** zuverlässig befolgte, wurde er am 18.Jänner 2011 zur stationären Drogentherapie für sechs Monate im Schweizer Haus Hadersdorf aufgenommen.

Der Verurteilte ersuchte mit Schreiben vom 19.Jänner 2011 um neuerliche Verlängerung des Strafaufschubes. Die Staatsanwaltschaft Graz sprach sich unter Hinweis auf die Neufassung des § 39 SMG und das Fehlen von Übergangsbestimmungen gegen einen weiteren Strafaufschub aus.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 46) gewährte das Erstgericht dem Verurteilten einen weiteren Strafaufschub bis 30.Juni 2011, um sich der notwendigen ärztlichen und therapeutischen Behandlung betreffend seiner Suchtgiftabhängigkeit zu unterziehen. Dem Verurteilten wurde unter einem die Weisung erteilt, sich weiterhin einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs 2 SMG, gegebenenfalls einer bis zu sechs Monate dauernden stationären Aufnahme, zu unterziehen und die diesbezügliche Bestätigung dem Gericht unaufgefordert vorzulegen. Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass die Rechtslage zum Zeitpunkt der Urteilsfällung (12.April 2010) bzw der Tathandlung für den Verurteilten wesentlich günstiger sei als die seit 1.Jänner 2011 in Kraft stehende Regelung, weshalb auch weiterhin die Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2010 für die Gewährung eines Strafaufschubes ausschlaggebend sei.

Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 48) kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der - durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I Nr.111/2010, unberührt gebliebene - § 48 SMG normiert, dass die Strafbestimmungen des SMG nicht in Strafsachen anzuwenden sind, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil erster Instanz gefällt worden ist. Nur nach Aufhebung eines Urteils infolge Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens oder infolge eines Einspruches ist ein Günstigkeitsvergleich im Sinne der §§ 1, 61 StGB vorzunehmen. In allen anderen Fällen hat demnach eine nach Fällung des Urteils erster Instanz erfolgte Gesetzesänderung außer Betracht zu bleiben. § 48 SMG bezieht sich nur auf die das gerichtliche Strafverfahren betreffenden Bestimmungen einschließlich der verfahrensrechtlichen Bestimmungen; somit die §§ 27 bis 43 SMG (Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 48 Rz 1). Zu den in § 48 erster Satz SMG erwähnten "Strafbestimmungen dieses Bundesgesetzes" sind auch die gerichtlichen Verfahrensbestimmungen des SMG (§§ 35ff SMG) zu zählen. Darauf deutet auch die Überschrift des 4.Abschnitts (das sind die §§ 33 bis 42 SMG) im 5.Hauptstück ("weitere strafrechtliche Bestimmungen") hin (RIS-Justiz RS0124408).

Im gegenständlichen Fall wurde das - am 16.April 2010 in Rechtskraft erwachsene - Urteil vom 12.April 2010 vor Inkrafttreten der durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I Nr.111/2010, geänderten Bestimmung des § 39 Abs 1 SMG (wonach ein Aufschub des Strafvollzuges bei Verurteilungen nach § 28a Abs 2, 4 und 5 SMG nicht mehr in Betracht kommt) gefällt, sodass - nach dem klaren Wortlaut des § 48 SMG - diese Änderung hier nicht zu berücksichtigen ist (Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 48 Rz 2) (in diesem Sinne auch OLG Linz 7 Bs 76/11t vom 16.März 2011).

Damit kommt - trotz Antragstellung (erst) im Februar 2011 - die Bestimmung des § 39 SMG idF der SMG-Novelle 2007, BGBl I Nr.110/2007, zur Anwendung. Gemäß § 39 Abs 1 SMG aF ist einem an Suchtmittel gewöhnten Verurteilten ein Aufschub des Strafvollzuges einer über ihn (unter anderem) wegen einer Straftat nach den §§ 27 bis 31a SMG verhängten Geldstrafe oder drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe - auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug - für die Dauer von höchstens zwei Jahren zu gewähren, wenn er sich bereit erklärte, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen.

Fallaktuell ist § 39 Abs 1 SMG aF grundsätzlich anwendbar. Der Verurteilte wurde zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren verurteilt, hat bereits mehrfach Strafaufschübe gemäß § 39 SMG bewilligt erhalten und befindet sich bereits in einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme, die notwendig und nicht offenbar aussichtslos ist. Das Erstgericht hat daher zutreffend dem Antrag auf Strafaufschub stattgegeben, sodass der

Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10

Textnummer

EG00073

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2011:0100BS00061.11P.0331.000

Im RIS seit

02.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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