Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz K*****, und 2. Elisabeth K*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wegen Feststellung und Unterlassung, über 1. die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 2. September 2010, GZ 21 R 178/10z-16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 31. März 2010, GZ 2 C 600/09g-12, bestätigt wurde, und 2. den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2011, GZ 21 R 178/10z-19, womit der Antrag der klagenden Parteien auf Abänderung des Bewertungsausspruchs zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
1. Die Revision wird zurückgewiesen.
2. Die klagenden Parteien werden mit ihrem Rekurs auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Kläger begehrten die Feststellung, dass ihnen als Eigentümer eines bestimmten Grundstücks ein Geh- und Fahrrecht über näher bezeichnete Grundstücke des Beklagten zustehe, und der Beklagte schuldig sei, jegliche Störungen dieses Rechts zu unterlassen. Sie bewerteten das Feststellungsbegehren mit 5.000 EUR und das Unterlassungsbegehren mit 1.000 EUR. Aufgrund einer Bemängelung durch den Beklagten wurde der Streitwert von den Parteien gemäß § 7 RATG mit 5.100 EUR „einvernehmlich festgelegt“.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei. Zur Begründung des Bewertungsausspruchs führte es aus, dass eine gleichwertige Zufahrtsmöglichkeit der Kläger zu ihrem Grundstück über Eigengrund bestehe.
Die Kläger beantragten in ihrer Revision die Abänderung des zweitinstanzlichen Ausspruchs dahin, dass der „Streitwert“ 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht habe den Streitwert willkürlich und unbegründet herabgesetzt.
Das Berufungsgericht wies den Antrag, den Bewertungsausspruch abzuändern, als unzulässig zurück und legte die Revision dem Obersten Gerichtshof vor. Nur diesem obliege die Beurteilung, ob die von den Klägern behauptete willkürliche Fehlbewertung tatsächlich vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Das Berufungsgericht hat nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO über den Wert des Entscheidungsgegenstands abzusprechen, ohne dabei an die Bewertung des Klägers (oder eine „einvernehmliche“ Bewertung der Streitteile iSd § 7 RATG) gebunden zu sein. Der Bewertungsausspruch ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0042410, RS0042415), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (2 Ob 248/09y mwN; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 155). Selbst wenn - wie hier - keine zwingenden Bewertungsvorschriften bestehen, ist das Berufungsgericht demnach in der Bewertung nicht völlig frei. Sein gebundenes Ermessen hat sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren, Danach bildet der objektive Wert der Streitsache ein Bewertungskriterium. Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands - bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache - weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbewertung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (2 Ob 248/09y mwN; RIS-Justiz RS0118748).
Die Kläger vermögen eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht nicht aufzuzeigen. In einem vergleichbaren Fall hat der Oberste Gerichtshof die von ihnen als „Scheinbegründung“ bezeichneten Argumente des Berufungsgerichts durchaus als beachtlich angesehen (4 Ob 216/08f). Von einer „offenkundigen“, dh eindeutig erkennbaren Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht ist unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht auszugehen (vgl auch 2 Ob 124/10i).
Die gemäß § 502 Abs 2 ZPO (absolut) unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.
Mit ihrem Rekurs gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, womit der Antrag auf Abänderung des Bewertungsausspruchs zurückgewiesen wurde, sind die klagenden Parteien auf die zu Spruchpunkt 1. getroffene Entscheidung zu verweisen.
Schlagworte
ZivilverfahrensrechtTextnummer
E97045European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00055.11V.0407.000Im RIS seit
06.05.2011Zuletzt aktualisiert am
08.02.2013