TE OGH 2011/4/7 2Ob38/11v

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Veröffentlicht am 07.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes R*****, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger, Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Johann A*****, 2.) Anna A*****, beide *****, und 3.) A***** Versicherungs AG, *****, alle vertreten durch Mag. Thomas Deuschl, Rechtsanwalt in Linz, wegen 16.730 EUR sA und Feststellung, über die Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Dezember 2010, GZ 4 R 218/10x-25, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. August 2010, GZ 5 Cg 114/09y-21, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 883,15 EUR (darin 147,19 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 642,70 EUR (darin 107,12 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision der klagenden Partei:

1. Auf die Geltung aufgestellter Verkehrszeichen muss sich nach der ständigen Judikatur des erkennenden Senats jedermann grundsätzlich verlassen können (RIS-Justiz RS0075190; 2 Ob 11/93). Die Verkehrsteilnehmer müssen damit rechnen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer den Verkehrszeichen entsprechend verhalten werden, sofern ein dem gebotenen Verhalten entsprechendes Recht eines anderen Verkehrsteilnehmers zum Ausdruck kommt und der andere Verkehrsteilnehmer auch Grund zur Annahme hat, es stehe ihm ein derartiges Recht zu (2 Ob 27/04s; 2 Ob 157/09s = RIS-Justiz RS0075190 [T9 bis T11]). Die Grundsätze, nach denen ein ohne Deckung durch eine Verordnung aufgestelltes - daher an sich ungültiges - Verkehrszeichen aus Gründen der Verkehrssicherheit dennoch zu beachten ist, gelten auch für Fälle, in denen eine Kundmachung durch Bodenmarkierung (statt ein Verkehrszeichen) ohne vorausgegangene behördliche Willensbildung erfolgte (2 Ob 187/09b; 2 Ob 86/08y = RIS-Justiz RS0075190 [T8]).

2. Der Erstbeklagte (PKW-Lenker) fuhr auf einer Bundesstraße und wollte nach rechts zu einer Tankstelle zufahren. Dabei musste er eine Verkehrsfläche überqueren, die parallel zur Bundesstraße geführt wurde und (sonst) einen kombinierten Geh- und Radweg darstellte, der allerdings vor den beiden Zufahrten zur Tankstelle jeweils durch das Vorschriftszeichen „Ende des Geh- und Radwegs“ (§ 52 Z 17a iVm § 22a StVO) unterbrochen war, sodass im Bereich der beiden Einfahrten der Tankstelle und der zwischen den beiden Einfahrten liegenden Fläche kein Radweg bestand.

Gemäß § 19 Abs 6a StVO haben Radfahrer, die eine Radfahranlage verlassen, anderen Fahrzeugen im Fließverkehr den Vorrang zu geben.

Ob der Erstbeklagte im Zeitpunkt der Kollision mit dem Kläger (Radfahrer) noch teilweise auf der Bundesstraße war oder sich bereits zur Gänze im Zufahrtsbereich zur Tankstelle befand, wurde nicht festgestellt.

War dies der Fall (wofür die Fotos sprechen), befand er sich noch im - bevorrangten - Fließverkehr (vgl 8 Ob 42/85; RIS-Justiz RS0074716; RS0074706).

War dies dagegen nicht mehr der Fall, waren beide Unfallbeteiligten nicht im Fließverkehr. Der Vorrang zwischen Verkehrsteilnehmern, die sich alle auf Verkehrsflächen iSd § 19 Abs 6 StVO befinden, richtet sich aber nach der in § 19 Abs 1 normierter Rechtsregel, wenn nicht durch Verkehrszeichen Besonderes angeordnet ist (8 Ob 42/85; RIS-Justiz RS0074471). Die Rechtsregel des § 19 Abs 1 StVO weist hier wiederum dem Erstbeklagten den Vorrang zu, wie bereits das Berufungsgericht darlegte.

Auf die von der Revision herangezogene Bestimmung des § 19 Abs 5 StVO kommt es dagegen schon deshalb nicht an, weil zwar der Kläger seine Fahrtrichtung beibehielt, der Erstbeklagte aber rechts und nicht nach links einbiegen wollte, sodass eine Beurteilung des Vorrangs nach dieser Gesetzesstelle ausscheidet.

3.) Die Beurteilung des Verschuldensgrades und das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten sind wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO zu werten (RIS-Justiz RS0087606). Eine krasse Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

II. Zur Revision der Beklagten:

Die Behauptung der Revision, dass den Erstbeklagten wegen seines Vorrangs keine Beobachtungspflicht getroffen hätte, ist zur Rechtfertigung seiner ihm vom Berufungsgericht angelasteten groben Unaufmerksamkeit nicht geeignet.

Was die bekämpfte Verschuldensteilung (1:1) betrifft, ist auf Punkt I.3. zu verweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht jeweils auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Parteien in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen haben, dienten ihre Schriftsätze jeweils zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Schlagworte

Gruppe: Verkehrsrecht,Verkehrsopfergesetz

Textnummer

E97063

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00038.11V.0407.000

Im RIS seit

09.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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