Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI H*****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun und Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Wochengeldes (41.515,76 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2010, GZ 10 Rs 128/10g-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 5. Mai 2010, GZ 33 Cgs 334/09p-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Außer Streit steht, dass der Klägerin von der beklagten Partei für den Zeitraum 9. 9. 2008 bis 29. 1. 2009 aufgrund des Versicherungsfalls der Mutterschaft Wochengeld in der Höhe von täglich 119,05 EUR, insgesamt sohin 17.014,15 EUR, abzüglich des e-card Service Entgelts von 10 EUR gewährt wurde.
Mit Bescheid vom 10. 11. 2009 lehnte die beklagte Partei die Forderung der Klägerin auf Zahlung eines höheren Wochengelds aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, und zwar von weiteren 290,32 EUR täglich für den Zeitraum 9. 9. 2008 bis 29. 1. 2009, insgesamt sohin 41.515.76 EUR ab und sprach aus, dass das Wochengeld täglich 119,05 EUR betrage.
In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage brachte die Klägerin vor, der ihr im Juli 2008 gewährte Sachbezug in Form von „stock options“ sei bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Wochengeldes unrichtigerweise außer Betracht geblieben. Bereits seit Beginn ihres Dienstverhältnisses seien ihr „stock options“ zugeteilt worden, deren Ausübung erstmals nach dem Börsegang im Jahr 2005 möglich gewesen sei. Sie habe in der Folge jährlich - auch im Jahr 2008 - die Maximalzahl an Optionen tatsächlich ausgeübt; die Versteuerung sei nach § 67 Abs 10 EStG erfolgt. Ohne bestehendes Dienstverhältnis hätte ihr die Dienstgeberin keine derartigen Optionen gewährt, weshalb es sich um Entgelt iSd § 49 ASVG handle. Der Zeitpunkt der Ausübung der Optionen sei nicht in ihrem Belieben gestanden. Vielmehr seien entsprechend den Optionsbedingungen sogenannte „Ausübungsfenster“ vorgegeben gewesen; so im Jahr 2009 vom 22. 6. bis 17. 7. 2009. Es werde begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr unter Einrechnung der „stock options“ in die Bemessungsgrundlage weiteres Wochengeld aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft von täglich 290,32 EUR (insgesamt sohin täglich 409,37 EUR), somit weitere 41.515,76 EUR für den Zeitraum 9. 9. 2008 bis 29. 1. 2009 zu gewähren; insgesamt somit 58.529,91 EUR.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung und brachte im Wesentlichen vor, der Sachbezug in Form von „stock options“ sei bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Wochengeldes nicht zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung der begünstigten Besteuerung von „stock options“ im Zuge des am 1. 1. 2001 in Kraft getretenen Kapitalmarktoffensive-Gesetzes (KMOG) die Intention verfolgt, hiedurch die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen zu verbessern. Es könne dem Gesetzgeber aber nicht die Intention unterstellt werden, dass die aus der Ausübung von „stock options“ gezogenen Vorteile für die Bemessung des Wochengeldes relevant sein sollten. Andernfalls käme es ohne sachliche Rechtfertigung schlagartig zu einer deutlichen Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Wochengeldes. Es sei nicht denkbar, dass die Höhe des Wochengeldes allein vom Kalkül der Dienstnehmerin abhänge, die die Höhe des Wochengeldes durch die Optionsausübung zu einem für sie günstigen Zeitpunkt steuern könnte. Es bestehe außerdem keine synallagmatische Verknüpfung zwischen der Einräumung von Optionsrechten und dem Dienstverhältnis. Der aus der Optionsausübung gewonnene Vorteil sei nicht als aufgrund des Dienstverhältnisses erhaltener Vorteil iSd § 49 Abs 1 ASVG zu verstehen. Zudem sei die Klägerin in der Lage gewesen, unabhängig vom Beschäftigungsverbot die ihr zuvor eingeräumten Optionsrechte auszuüben; ihr Ausübungsrecht sei vom Beschäftigungsverbot unberührt geblieben. In eventu werde vorgebracht, dass der Vorteil aus der Ausübung von nicht übertragbaren „stock options“ jedenfalls insoweit nicht als Entgelt iSd § 49 Abs 1 und Abs 2 ASVG anzusehen sei, soweit die Einkommenssteuerbefreiung nach § 3 Abs 1 Z 15 lit c EStG zum Tragen komme.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
„Die Klägerin ist seit 1. 8. 2003 bei der I***** AG als Angestellte zu einem Bruttogehalt von zuletzt 5.500 EUR (14 x jährlich) beschäftigt. Zusätzlich erhält sie einen auf gemeinsamen Vereinbarungen mit dem Vorstand/Vorgesetzten basierenden Zielbonus. Mit Beginn des Dienstverhältnisses begann die Zuteilung von 'stock options'. Deren Ausübung war erstmals nach dem Börsegang des Unternehmens der Dienstgeberin im Jahr 2005 und ausschließlich während der vorgegebenen 'Ausübungsfenster' möglich. Die Klägerin nützte die ihr jedes Jahr eingeräumten Optionen jeweils in maximaler Höhe. Im 'Ausübungsfenster' 13. 6. bis 11. 7. 2008 bezog sie 2700 'stock options' im Wert von 77.220 EUR und im Ausübungsfenster 22. 6. bis 17. 7. 2009 3400 'stock options' im Wert von 86.020 EUR. Für die Ausübung der im Jahr 2008 eingeräumten stock options im Wert von 77.220 EUR entrichtete sie nach Abzug des steuerbefreiten Betrages 22.991,75 EUR an Einkommenssteuer, welcher Betrag ihr (netto) von der Dienstgeberin ersetzt wurde.
Der Versicherungsfall der Mutterschaft trat bei der Klägerin am 9. 9. 2008 ein.“
Rechtlich vertrat das Erstgericht im Wesentlichen die Ansicht, maßgeblich sei der in den letzten dreizehn Wochen vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft durchschnittlich gebührende Arbeitsverdienst (§ 162 Abs 3 ASVG). Im Hinblick auf den Zweck des Wochengeldes, den durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust zu ersetzen, seien „stock options“ jedoch nicht unter diesen Begriff zu subsumieren und nicht in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld einzubeziehen. Als Entgelt iSd § 49 Abs 1, 3, 4 und 6 ASVG seien alle vermögenswerten Vorteile zu verstehen, die als Gegenleistung für abhängige Dienste gewährt werden. Im Hinblick auf § 49 Abs 3 Z 18 lit d ASVG iVm § 3 Abs 1 Z 15 lit c EStG sei auch der nicht einkommenssteuerbefreite Teil von nicht übertragbaren Optionen als Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG anzusehen. Aus der Entgeltersatzfunktion des Wochengeldes lasse sich aber ableiten, dass der Vorteil aus der Ausübung von nicht übertragbaren Optionen dennoch nicht auch als Entgelt iSd § 162 Abs 3 ASVG anzusehen ist. Jede andere Interpretation würde die Entgeltersatzfunktion des Wochengeldes untergraben. Vorteile aus Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers oder an mit diesem verbundenen Konzernunternehmen und Optionen auf den Erwerb von Arbeitgeberaktien wären auch nicht in die Bemessungsgrundlage für Entgeltfortzahlungsansprüche und für Beendigungsansprüche einzubeziehen (§ 2a AVRAG). Es bestehe keine Veranlassung, die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts nach § 14 MSchG und die Höhe des Wochengeldes unterschiedlich zu beurteilen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung dazu bestehe, ob vom Arbeitgeber gewährte „stock options“ in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld einzubeziehen seien. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, aus dem familienpolitischen Zweck des Wochengeldes, der Versicherten das zuletzt bezogene Entgelt weiter zu gewähren, folge, dass der Entgeltbegriff nach §§ 44 ff ASVG heranzuziehen sei, weil Voraussetzung für den Wochengeldanspruch ein aufrechtes Versicherungsverhältnis sei und die Leistungsbemessung nach den Bestimmungen der Pflichtversicherung vorzunehmen sei. Berücksichtige man aber § 2a AVRAG sowie das bei Ermittlung der Höhe des Wochengeldes anzuwendende „Durchschnittsprinzip“, bestünden keine Bedenken dagegen, „stock options“ nicht als Arbeitsverdienst iSd § 162 Abs 3 ASVG anzusehen und sie nicht in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Wochengeldes einzubeziehen.
Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt:
Die Revisionswerberin bringt vor, nach dem Wortlaut des § 162 Abs 3 ASVG sei der Berechnung der Höhe des Wochengeldes exakt jener Betrag zu Grunde zu legen, den die Dienstnehmerin im Zeitraum von drei Monaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls netto verdient habe. Dabei sei - auch um einen Anreiz zu bieten, „Kinder in die Welt zu setzen“ - alles, was von der Versicherten im maßgeblichen Zeitraum ins Verdienen gebracht worden ist, zu berücksichtigen. Überlegungen, wie sie beim „Ausfallprinzip“ angestellt werden, hätten zu unterbleiben. Da der Verdienstbegriff des § 162 Abs 3 ASVG sehr weit zu fassen sei, seien auch die von der Klägerin ausgeübten „stock options“ in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld einzubeziehen.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist nicht zu folgen:
1. Optionen werden generell als Gestaltungsrecht verstanden, ein im Voraus bestimmtes Schuldverhältnis durch rechtsbegründende Gestaltungserklärung in Geltung zu setzen. (vgl allgemein RIS-Justiz RS0017078; RS0019140; RS0115633). So wird etwa im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungen den Arbeitnehmern der Kauf von Aktien des Unternehmens des Dienstgebers zu einem bestimmten Kaufpreis angeboten. Es wird ihnen das Recht eingeräumt, die Aktien zu im Voraus bestimmten Konditionen zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben („stock options“). Steigt der Wert (Kurs) der Aktie(n), kann der Arbeitnehmer die Option ausüben und die Aktie(n) zum vereinbarten Wert mit Gewinn erwerben. Das vom Dienstgeber dabei verfolgte Ziel liegt regelmäßig in der höheren Motivation aber auch in der Bindung an das Unternehmen, indem die Übertragbarkeit an Dritte ausgeschlossen und festgelegt wird, dass die Optionen nur bei aufrechtem Arbeitsverhältnis innerhalb bestimmter Zeiträume („Ausübungsfenster“) ausgeübt werden können (siehe im vorliegenden Fall Pkt 6.1. und 6.2. der „Optionsbedingungen zum Employee Stock Option Plan 2008“ - Blg ./D).
Aktienoptionen gehören nicht zum Kernbereich arbeitsrechtlicher Vergütung. Ansprüche aus Aktienoptionen werden in der Regel auch nicht aus dem Dienstvertrag abgeleitet, sondern beruhen auf einem eigenständigen „Aktienoptionsvertrag“. Der Abschluss des „Optionsvertrages“ ist zwar durch das Arbeitsverhältnis motiviert und steht daher mit diesem in ursächlichen Zusammenhang, ist aber eigenständige Grundlage für den Bezug von Aktien durch den Arbeitnehmer (Talos/Schrank, Aktienoptionen beim Betriebsübergang, ecolex 2006, 591 ff [592]). Da aber im Arbeitsrecht unter „Entgelt“ jede Leistung verstanden wird, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür erhält, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, qualifizierte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObA 161/02p (= DRdA 2004/17, 303 [Jabornegg]) zugesagte Aktienoptionen als Entgelt im Sinne des weiten Entgeltbegriffs des Arbeitsrechts, weil sie die Qualität der bisher vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeiten honorieren und ihn andererseits zu einem zukünftigen besonderen Arbeitseinsatz motivieren. Im Hinblick auf § 16 AngG wurde in dieser Entscheidung weiters dargelegt, dass eine klare synallagmatische Beziehung zwischen Aktienoptionen und der Arbeitsleistung nicht bestehe, weil der Zuteilung von Aktienoptionen weder ein bestimmter Arbeitserfolg gegenüber stehe, noch davon ausgegangen werden könne, dass damit die Arbeitsleistung in einer bestimmten Periode mit einem bestimmten oder auch nur bestimmbaren Entgelt abgegolten werden könne.
Mit dem Kapitalmarktoffensive-Gesetz (KMOG) 2001, BGBl I 2001/2, wurde zur Förderung von Mitarbeiterbeteiligungs- und „Stock options“-Programmen eine Steuerbegünstigung für nicht übertragbare „stock options“ eingeführt (vgl Zehetner/Wolf, Die Besteuerung von Stock Options, ecolex 2001, 24 ff). Diese steuerliche Begünstigung wurde allerdings mittlerweile durch das Steuerreformgesetz 2009, BGBl I 2009/26, wieder aufgehoben (vgl Krapinger-Jandl, Steuerliche Begünstigung für Stock Options durch das Steuerreformgesetz 2009 aufgehoben, FJ 2009, 230 ua). Mit dem KMOG 2001, BGBl I 2001/2, wurde in § 49 Abs 3 Z 18 lit d ASVG der Vorteil aus der Gewährung von nicht übertragbaren „stock options“ bzw der Vorteil aus der Abgabe von Beteiligungen am Unternehmen des Dienstgebers oder an mit diesem verbundenen Konzernunternehmen im selben Ausmaß und unter denselben Voraussetzungen wie im Steuerrecht von der Sozialversicherungspflicht befreit (vgl Zehetner/Wolf, Sozialversicherungsrechtliche Aspekte von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen, ecolex 2001, 21 ff).
2. Nach § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG gebührt das Wochengeld in der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden Teils des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen (bei Versicherten, deren Arbeitsverdienst nach Kalendermonaten bemessen oder abgerechnet wird, in den letzten drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge. Der Begriff „gebührender Arbeitsverdienst“ ist gesetzlich nicht näher determiniert. Von der Rechtsprechung wird darunter grundsätzlich jeder Geld- und Sachbezug verstanden, der einer voll- oder teilversicherten Arbeitnehmerin als Arbeitsverdienst im Beobachtungszeitraum, und zwar unabhängig von der beitrags- oder einkommenssteuerrechtlichen Qualifikation zustand (RIS-Justiz RS0084112).
3. Der Gesetzgeber entschied sich somit für das Durchschnittsprinzip, das vergangene Werte berücksichtigt und nicht für das - zukünftige Entwicklungen in Rechnung stellende - Ausfallsprinzip (RIS-Justiz RS0117195; Binder in Tomandl, SV-System 21. Erg.-Lfg 264/32). Maßgebend ist, dass der Arbeitsverdienst aus einem unselbstständigen Beschäftigungsverhältnis erzielt wird, also einer Tätigkeit entspringen muss, die als solche der Krankenversicherung nach dem ASVG unterliegt (10 ObS 197/03y = SSV-NF 18/53). Eine Höchstgrenze besteht nicht.
4. Während bei Gewerbetreibenden und Bauern das Wochengeld als Betriebshilfe zur Bezahlung der die Versicherte entlastenden betriebsfremden Kräfte dient, ist es im Bereich der unselbstständig Erwerbstätigen als Entgeltersatzleistung konstruiert (Tomandl, Grundriss6 Rz 189). Dies ergibt sich für den Bereich des ASVG in eindeutiger Weise aus den Gesetzesmaterialien, nach denen das Wochengeld einen Ersatz für den im Zusammenhang mit der Entbindung stehenden Verlust des Arbeitsverdienstes bietet (Initiativantrag zur 9. ASVG-Novelle, 517 BlgNR 9. GP 75). Es soll auch nach dem Eintritt des Versicherungsfalls die im Bemessungszeitraum im Regelfall bestehenden Einkommensverhältnisse der Versicherten aufrechterhalten werden (Tomandl, Grundriss6 Rz 189; Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG 110. Erg.-Lfg § 162 Anm 8d) Ähnlich wie beim Krankengeld ist der Ersatz des durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlusts bezweckt, um eine finanzielle Absicherung zu schaffen (Binder in Tomandl, SV-System 21. Erg.-Lfg 264/29). Die Rechtsansicht der Klägerin, der Gesetzgeber des ASVG habe mit dem Wochengeld nicht nur einen Ersatz des der Versicherten während des Beschäftigungsverbots entgehenden Entgelts bezweckt, sondern mittels darüber hinausgehender Geldleistungen einen Anreiz schaffen wollen, „Kinder in die Welt zu setzen“, findet einerseits in den Gesetzesmaterialien keine Grundlage, wäre andererseits aber auch nicht geeignet, die von ihr angestrebte Entgeltberechnung zu untermauern. Spricht die Absicht des Gesetzgebers für ein bestimmtes Verständnis des Gesetzes, so ist jedenfalls dieses maßgebend.
5. Im Hinblick auf den Charakter des Wochengeldes als Entgeltersatzleistung ist wesentliche Voraussetzung für die Einrechnung eines Geld- oder Sachbezugs in die Bemessungsgrundlage, dass der Versicherten dieser Bezug nicht ohnedies zu Gute gekommen ist. Werden etwa Sachbezüge während der Wochengeldbezugszeit weiter gewährt, haben sie im Hinblick auf den Entgeltersatzcharakter des Wochengeldes unberücksichtigt zu bleiben („Aus der Praxis“, SozSi 1988, 91).
6. Überträgt man das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Entgeltersatzleistung auf den vorliegenden Fall, führt dies zu dem Ergebnis, dass die Einberechnung der sich für die Klägerin aus der Zuteilung und Ausübung von „stock options“ ergebenden Vorteile in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld schon deshalb zu unterbleiben hat, weil sie diese Vorteile - unabhängig vom Beschäftigungsverbot - ohnedies lukriert hat. Laut den Optionsbedingungen war Voraussetzung für die Ausübung der Optionsrechte lediglich der aufrechte Bestand des Dienstverhältnisses; dieser war im Zeitraum der „Ausübungsfenster“ gegeben und blieb auch durch das nachfolgende Beschäftigungsverbot unberührt. Welche Nachteile der Klägerin infolge des Beschäftigungsverbots bei der Zuteilung der „stock options“ und bei der Ausübung der sich daraus ergebenden Optionsrechte entstanden sein sollten, ist nicht ersichtlich. Wie sie selbst vorbringt, konnte sie 2008 (wie auch im Folgejahr 2009) die ihr für diese Jahre zugeteilten Optionsrechte jeweils in maximaler Höhe ausüben; die zu bezahlende Einkommenssteuer erhielt sie von ihrem Dienstgeber in voller Höhe refundiert. Dass das Beschäftigungsverbot zu einer (aliquoten) Kürzung der Vorteile aus den Optionsrechten geführt hätte, wird gar nicht behauptet. Würden demnach die Optionsrechte die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld erhöhen, stünde dies dem Normzweck des § 162 Abs 3 ASVG eindeutig entgegen.
7. Klarzustellen bleibt noch, dass der Begriff Arbeitsverdienst iSd § 162 Abs 3 ASVG mit dem auf die Beitragsbemessung zugeschnittenen § 49 ASVG nicht gleichzusetzen ist. Seit der Entscheidung 10 ObS 78/88 (= SSV-NF 2/40 = RIS-Justiz RS0084112) wird unter Arbeitsverdienst iSd § 162 Abs 3 ASVG der im Beobachtungszeitraum zustehende Geld- oder Sachbezug unabhängig von dessen beitragsrechtlicher oder einkommmenssteuerrechtlicher Qualifikation verstanden (siehe oben Pkt 2). In der (zustimmenden) Besprechung dieser Entscheidung führt Firlei (ZAS 1990/4, 31) aus, dass aufgrund des speziellen Kontexts, in den der Begriff Arbeitsverdienst eingebettet ist, für den Zusammenhang Arbeitsverdienst - Versicherungspflicht keine Schlussfolgerungen für die Wochengeldberechnung gezogen werden könnten. Dem stimmt auch Binder (in Tomandl, SV-System, 21. Erg.-Lfg 264/32f FN 12) zu.
Die Revision der Klägerin muss daher erfolglos bleiben.
Die Klägerin hat ihre Revisionskosten selbst zu tragen. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
Schlagworte
SozialrechtTextnummer
E97118European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:010OBS00033.11T.0412.000Im RIS seit
12.05.2011Zuletzt aktualisiert am
25.01.2013