Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger ua Rechtsanwälte in Wörgl, wider die verpflichtete Partei Herbert M*****, vertreten durch Mag. Christian Dillersberger, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen 100.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. Juli 2010, GZ 1 R 70/10s-13, womit dem Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 11. Jänner 2010, GZ 6 E 9100/09s-3, Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.
Der betreibenden Partei werden die mit 2.134,44 EUR (darin enthalten 355,74 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom11. Jänner 2010 bewilligte das Erstgericht aufgrund eines Wechselzahlungsauftrags zur Sicherung einer Kapitalforderung von 100.000 EUR sA die Exekution zur Sicherstellung unter anderem durch Zwangsverwaltung hinsichtlich zweier Liegenschaften des Verpflichteten (Punkte 4 und 5 des erstgerichtlichen Spruchs). Zur Begründung dieses Teils seiner Entscheidung führte das Erstgericht aus, die Zwangsverwaltung komme im Zuge der Sicherstellungsexekution nur in Betracht, wenn die bloße Begründung eines Pfandrechts zur Sicherung nicht ausreiche, was der Betreibende zu behaupten und zu bescheinigen habe. Auf beiden Liegenschaften sei ein Veräußerungs- und Belastungsverbot einverleibt, was der Einverleibung eines Zwangspfandrechts entgegenstehe, weswegen ein solches als Minus zur Zwangsverwaltung als Sicherungsmittel nicht in Betracht komme.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten, der sich nur gegen diese Punkte des Beschlusses vom 11. Jänner 2010 richtete, Folge und wies den Antrag auf Exekution zur Sicherstellung durch Zwangsverwaltung der beiden Liegenschaften ab. Ein eingetragenes Veräußerungs- und Belastungsverbot hindere zwar die Vormerkung eines zwangsweisen Pfandrechts, stehe aber der Zwangsverwaltung nicht entgegen. Dies hätte die Betreibende in ihrem Antrag aber zu behaupten gehabt. Mangels entsprechender Behauptungen sei der Antrag in diesem Umfang abzuweisen.
Der Entscheidung komme über den Einzelfall hinausgehend keine Bedeutung zu, weswegen der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Betreibende beantragt mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs die Wiederherstellung der Exekutionsbewilligung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es im Hinblick auf § 55a EO einer Klarstellung der Rechtslage bedarf. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Nach herrschender Auffassung ist die Zwangsverwaltung nur zulässig, wenn der Sicherungszweck durch ein exekutives Pfandrecht oder eine bücherliche Pfandrechtsvormerkung nicht vollständig erreicht werden kann (Klicka in Angst2, § 374 Rz 4 mwN; 3 Ob 24/73 = SZ 46/18; RIS-Justiz RS0004895). Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Zwangsverwaltung sind grundsätzlich vom Betreibenden zu behaupten und zu bescheinigen (3 Ob 214/98m mwN). Das Behauptungs- und Bescheinigungserfordernis ist dabei auf den Umstand beschränkt, dass die volle Deckung der zur sichernden Forderung allein durch eine Pfandrechtsvormerkung oder den Erwerb eines exekutiven Pfandrechts zweifelhaft erscheint (3 Ob 114/98f; RIS-Justiz RS0004217 [T2]). Eine solche Behauptung und Bescheinigung ist aber dann entbehrlich, wenn sich unmittelbar aus dem Grundbuchsstand ergibt, dass die Pfandrechtsvormerkung oder die Einverleibung eines exekutiven Pfandrechts rechtlich überhaupt unzulässig ist:
Mit § 55a EO wurde durch die EO-Nov 2000 die Verpflichtung des Gerichts eingeführt, den Grundbuchsstand von Amts wegen zu ermitteln, wenn dessen Kenntnis für die Entscheidung von Bedeutung ist. Diese Verpflichtung gilt in jedem Exekutionsverfahren und erfasst auch das Bewilligungsverfahren (Jakusch in Angst2 § 55a Rz 2). Vor der Entscheidung über den Antrag auf Zwangsverwaltung ist der Grundbuchsstand seit der EO-Nov 2000 vom Bewilligungsgericht zu erheben, selbst wenn es nicht zugleich Buchgericht ist (Angst in Angst2 § 101 Rz 3; Rassi in Burgstaller/Deixler, EO § 55a Rz 6). Die Anordnung, den Grundbuchsstand zu erheben, weil dessen Kenntnis für die Entscheidung selbst von Bedeutung ist, beinhaltet, dass die dabei gewonnenen Kenntnisse der Entscheidung zu Grunde zu legen sind.
Ein Veräußerungs- oder Belastungsverbot steht der Vormerkung eines zwangsweisen Pfandrechts und der exekutiven Pfandrechtsbegründung entgegen (3 Ob 185/98x = SZ 71/170), hindert aber nicht die Exekution zur Sicherstellung durch Zwangsverwaltung (Klicka aaO § 374 Rz 5; Angst aaO § 97 Rz 11; RIS-Justiz RS0002751). Die Unzulässigkeit der Vormerkung eines zwangsweisen Pfandrechts oder der exekutiven Pfandrechtsbegründung als gelindere Mittel gegenüber der Exekution zur Sicherstellung ist die rechtliche Folge eines Veräußerungs- oder Belastungsverbots und ergibt sich damit unmittelbar aus dem Grundbuchsstand.
Vor der Entscheidung über den Antrag auf Exekution zur Sicherstellung durch Zwangsverwaltung ist der Grundbuchsstand hinsichtlich der davon erfassten Liegenschaften nach § 55a EO amtswegig zu erheben. Der jeweilige Grundbuchsstand und damit auch das Veräußerungs- oder Belastungsverbot werden dadurch Entscheidungsgrundlage über den Exekutionsantrag. Bereits die Kenntnis des Grundbuchsstands schafft Klarheit darüber, ob die Deckung der zu sichernden Forderung durch die gelinderen Mittel der Vormerkung eines zwangsweisen Pfandrechts oder der exekutiven Pfandrechtsbegründung aus rechtlichen Gründen ausscheidet und damit die Voraussetzungen für die Bewilligung der zur Sicherung begehrten Zwangsverwaltung vorliegen. In einem solchen Fall muss der Betreibende in seinem Antrag die Belastung der Liegenschaft mit einem Veräußerungs- oder Belastungsverbot als Voraussetzung dafür, dass der beantragten Exekution zur Sicherstellung durch Zwangsverwaltung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, nicht behaupten. Das fehlende Vorbringen zum Bestehen eines Belastungs- und Veräußerungsverbots führt daher nicht zur Abweisung des Antrags der Betreibenden auf Bewilligung der Exekution zur Sicherstellung durch Zwangsverwaltung.
Diesem Ergebnis steht auch die Auffassung von Jakusch (in Angst2, § 55a Rz 6) nicht entgegen, der ebenfalls davon ausgeht, dass der Grundbuchsstand von Amts wegen zu ermitteln ist, wenn für das Gericht erkennbar ist, dass dieser im Einzelfall für die Entscheidung maßgeblich ist. Das von ihm für ein Beibehalten der Behauptungslast der Partei angeführte Beispiel ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Der Entscheidung 3 Ob 208/88 lag noch die Rechtslage vor der EO-Nov 2000 zugrunde, die eine amtswegige Verpflichtung zur Erhebung des Grundbuchsstands iSd § 55a EO nicht kannte.
Damit war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die Entscheidung der ersten Instanz in ihren Punkten 4 und 5 des Spruchs wiederhergestellt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.
Schlagworte
ExekutionsrechtTextnummer
E97044European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00175.10X.0413.000Im RIS seit
06.05.2011Zuletzt aktualisiert am
26.01.2012