Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Martin K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 13. Dezember 2010, GZ 17 Hv 36/10y-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Steurer zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis, soweit es Einbruchswerkzeug laut ON 12a betrifft, aufgehoben und in diesem Umfang die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./1), des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (I./2), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./3) sowie des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er
I./ am 14. Oktober 2010 in M*****
1) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) sowie mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den Bediensteten der Raiffeisenbank R***** reg. Gen.m.b.H., Zweigstelle M*****, Karoline B***** und Hartwig E***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Betrag von 226.000 Euro, unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Gas-Knall-Pistole, weggenommen und abgenötigt, indem er die Bankangestellten mit vorgehaltener Waffe in den Tresor- bzw Schalterraum brachte, sie zur Übergabe des Bargelds, Karoline B***** auch zum Öffnen des Bankomaten nötigte und nach Fesselung der Genannten daraus die Geldscheine selbst entnahm;
2) ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW VW Lupo mit dem amtlichen Kennzeichen *****, ohne Einwilligung der Berechtigten Karoline B***** mittels widerrechtlich erlangten Fahrzeugschlüssels in Gebrauch genommen, indem er sie mit vorgehaltener Pistole zur Übergabe des Fahrzeugschlüssels zwang und nach der unter 1) geschilderten Tat mit dem Fahrzeug flüchtete;
3) Karoline B***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich zur Überlassung ihres Fahrzeugschlüssels, genötigt, indem er sie mit vorgehaltener Pistole zur Übergabe des Schlüssels aufforderte;
II./ Anfang Oktober 2010 in B***** fremde bewegliche Sachen Gewahrsamsträgern der Raiffeisenbank B***** durch Einbruch in ein Gebäude sowie durch Eindringen mittels nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmter Werkzeuge mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Zylinderschloss der Kellertüre des Gebäudes mit Dietrichen aufzusperren bzw das Kellerfenster mit Brecheisen aufzubrechen trachtete.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810).
Demnach verfehlt die gegen den Schuldspruch II./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt, weil sie den konstatierten Bereicherungsvorsatz bestreitet (US 7).
Beim Misslingen eines Einbruchsdiebstahls (US 7) kommt der von der Beschwerde hilfsweise reklamierte (Z 9 lit b) Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0090338; Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 154 ff).
Die gegen den Schuldspruch I./1) gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die Ausschaltung der Qualifikation an; dies im Wesentlichen mit der Begründung, die vom Beschwerdeführer verwendete (richtig:) Gas-Schreckschusspistole sei ungeladen gewesen und daher mit Blick auf die objektive Gefährlichkeit einer Softgun gleichzuhalten.
Die Rüge geht fehl. Nach herrschender Rechtsprechung erfüllt nämlich auch der Einsatz einer ungeladenen Gaspistole das Qualifikationsmerkmal der Verwendung einer Waffe iSd § 143 zweiter Fall StGB. Von dieser gefestigten Rechtsprechung (EvBl 1978/175, 550 [verst Sen]; RIS-Justiz RS0094078; RS0094098) abzugehen, bietet der aktuelle Fall keine Veranlassung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über Martin K***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen, die hohe Beute, die lange Vorbereitung der Tat und das gegenüber den Opfern rücksichtslose Vorgehen als erschwerend, das „überwiegende Geständnis“, die „Unbescholtenheit“ (vgl Ebner in WK2 § 34 Rz 6), die Schadensgutmachung und die Verwendung einer ungeladenen Waffe als mildernd.
Die Berufung des Angeklagten strebt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.
Für das als mildernd reklamierte „vollumfängliche“ Geständnis bietet die Aktenlage keine Grundlage (US 11; ON 27 S 4).
Der Einwand mangelnder Gewaltanwendung übergeht die Fesselung der Tatopfer mit Kabelbindern.
Die vom Erstgericht unerwähnt gelassene Erfüllung beider Varianten (Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) des alternativen Mischtatbestands des Raubes (vgl Ebner in WK2 § 33 Rz 2) ist unter dem Aspekt des § 32 StGB als schulderhöhend zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Umstände der Opfermehrheit (vgl Ebner in WK2 § 32 Rz 77) und der Traumatisierung der Tatopfer (US 10).
Hingegen wirkt sich die Nervosität, Ängstlichkeit und die bloße Bereitschaft des Angeklagten zu weiterer Schadensgutmachung nicht mildernd aus, wenn auch sein Bestreben, ein positives Nachtatverhalten zu setzen, nicht unbemerkt blieb.
Unter Abwägung aller Strafzumessungsaspekte sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe von acht Jahren jedoch nicht nur dem beträchtlichen Handlungsunwert der Raubtat, sondern erweist sich auch als täteradäquat und demnach keiner Reduktion zugänglich.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof aber von einer das Einziehungserkenntnis betreffenden, nicht gerügten Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) überzeugt, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298). Im Umfang der Einziehung von „Einbruchswerkzeug laut ON 12a“ hat das Erstgericht weder deutlich und bestimmt dargelegt, welche der im mehrseitigen Konvolut genannten Gegenstände von der Einziehung betroffen sind noch die zur Gefährlichkeitsprognose notwendigen Feststellungen getroffen. Solcherart war die Teilkassation des Ausspruchs über die Einziehung erforderlich und wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO, sie erstreckt sich nicht auf das amtswegige Vorgehen (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E97348European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00006.11H.0414.000Im RIS seit
04.06.2011Zuletzt aktualisiert am
04.06.2011