TE OGH 2011/4/26 8ObA34/10y

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Veröffentlicht am 26.04.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** K*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei E***** G*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Herausgabe (Streitwert 10.000 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. März 2010, GZ 12 Ra 106/09h-15, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Oktober 2009, GZ 14 Cga 91/09g-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird und die Kostenentscheidung lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.085,09 EUR (darin 180,85 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.978,43 EUR (darin 124,07 EUR USt und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 1. 10. 2008 beim Beklagten in einem neu gegründeten Filialbetrieb als Glaser beschäftigt. Die Streitteile schlossen einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der unter anderem folgende Vereinbarungen enthielt:

Präambel

Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber zugesagt, in den nächsten 5 Jahren seine volle Arbeitskraft dem Betrieb dieser Filiale zu widmen und außerdem seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass ein wirtschaftlich erfolgreiches Führen dieses Filialbetriebs möglich ist. Festgehalten wird, dass der Arbeitnehmer bei einem früheren Glasereibetrieb in (...) gearbeitet hat und daher über einschlägige Kenntnisse über die wirtschaftliche Machbarkeit dieses Glaserei-Filialbetriebs verfügt. Im Hinblick auf die vorerwähnten Umstände und die einschlägige Berufserfahrung ist der Arbeitnehmer auch bereit, eine finanzielle Mithaftung für die Errichtung und den Betrieb der Filiale für die nächsten 5 Jahre zu übernehmen. (...)

XI.) Konventionalstrafe

Tritt der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig aus oder trifft ihn ein Verschulden an der Entlassung oder verletzt der Arbeitnehmer die ihn treffende Verschwiegenheitspflicht oder die ihn treffenden Pflichten zur unverzüglichen Herausgabe von Unterlagen oder eine sonstige Bestimmung dieses Arbeitsvertrags, steht dem Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens zu. (...)

XVI.)

Festgehalten wird, dass der Arbeitgeber für die Errichtung und den Betrieb des Glaserei-Filialbetriebs bei der Volksbank (...) einen Kontokorrentkreditrahmen von € 40.000,- vereinbart hat. Im Hinblick darauf, dass der Wunsch zum Betrieb dieses Glaserei-Filialbetriebs vom Arbeitnehmer ausgegangen ist und aufgrund der Tatsache, dass dieser Filialbetrieb vom Arbeitnehmer und einem weiteren Mitarbeiter weitgehend autonom geführt wird, hat der Arbeitnehmer als Sicherstellung für diesen Kontokorrentkredit bei der Volksbank (...) ein Sparbuch mit einem Einlagestand von € 10.000,- hinterlegt. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer innerhalb der nächsten 5 Jahre ab Beginn des Arbeitsverhältnisses das Arbeitsverhältnis beendet oder der Filialbetrieb wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit eingestellt werden muss, verfällt die hinterlegte Sicherheitsleistung zu Gunsten des dann offenen Kontokorrentkredits. Lediglich bei wirtschaftlich nicht zu begründender Arbeitgeberkündigung oder im Falle eines berechtigten vorzeitigen Austritts des Arbeitnehmers hat der Arbeitnehmer Anspruch auf unverzügliche Rückstellung der von ihm getätigten Sicherheitsleistung. Ebenfalls Anspruch auf Rückstellung der Sicherheitsleistung hat der Arbeitnehmer nach Ablauf von 5 Jahren ab Beginn des Arbeitsverhältnisses.“

Der Kläger übergab dem Beklagten im Oktober 2008 ein Sparbuch der Volksbank ***** mit der Kontonummer *****, lautend auf „*****“, mit einem Einlagestand von 10.000 EUR unter Nennung des Losungsworts. Der Beklagte hinterlegte dieses Sparbuch zur Besicherung des im Arbeitsvertrag genannten betriebsbezogenen Kontokorrentkredits, der bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz mit etwa 40.000 EUR aushaftete, bei der Bank.

Das Dienstverhältnis des Klägers wurde vor Schluss der Verhandlung erster Instanz vom Beklagten zum 30. 11. 2009 gekündigt.

Das Erstgericht gab dem auf § 4 KautSchG gestützten Klagebegehren auf Herausgabe des Sparbuchs statt. Die zwischen den Streitteilen im Arbeitsvertrag vereinbarte Sicherheitsleistung stelle einen klassischen Verstoß gegen §§ 1 und 3 KautSchG dar. Schadenersatzansprüche aus dem Arbeitsverhältnis seien nach dem Vertragsinhalt nicht von der Kaution erfasst. Die Rückgabe des Sparbuchs sei entgegen den Einwendungen des Beklagten auch ohne weiteres möglich, wenn er für die Abdeckung des Kontokorrentkredits sorge.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten Folge, wies die Klage ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Auf die Frage, ob die Vereinbarung der Streitteile gegen das KautSchG verstoßen habe, müsse nicht eingegangen werden, weil jedenfalls der Einwand der rechtlichen Unmöglichkeit der Herausgabe zutreffe. Die Herausgabeklage nach § 366 ABGB erfordere eine Gewahrsame des Beklagten oder zumindest sogenannten mittelbaren Besitz an der verlangten Sache. Die kreditgewährende Bank habe aber nach dem Sachverhalt gutgläubig ein Pfandrecht an dem Sparbuch erworben, sodass der Beklagte keine Sachherrschaft mehr habe. In diesem Fall bleibe dem Eigentümer nach § 456 ABGB nur die Wahl, den redlichen Pfandinhaber schadlos zu halten oder einen Ersatzanspruch gegen den Verpfänder geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und auch berechtigt.

1. Die Revisionsbeantwortung des Beklagten ist verspätet. Im vorliegenden Verfahren wurde die Mitteilung nach § 508 Abs 2 ZPO dem Beklagtenvertreter am 27. 7. 2010 zugestellt. Die entgegen § 507a Abs 3 ZPO nicht beim Revisionsgericht, sondern beim Erstgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung langte erst am 26. 8. 2010 und damit nach Ablauf der vierwöchigen Frist (§ 507a Abs 1 ZPO) beim Obersten Gerichtshof ein (RIS-Justiz RS0060177; zuletzt 3 Ob 21/10z).

2. Nach § 1 Abs 1 KautSchG darf sich ein Dienstgeber von seinem Dienstnehmer eine Kaution nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen bestellen lassen, die ihm gegen den Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis erwachsen können. Einlagebücher können nur dann als Kaution bestellt werden, wenn Rückzahlungen daraus nur gegen Abgabe der Unterschrift und Erbringung des Nämlichkeitsnachweises des Kautionsbestellers erfolgen dürfen.

Allein schon diese Voraussetzung ist nach dem unstrittigen Sachverhalt nicht erfüllt, weil dem Beklagten ein Inhabersparbuch unter Bekanntgabe des Losungsworts übergeben wurde, das ohne weitere Mitwirkung des Klägers verwertet werden könnte.

Der schriftliche Arbeitsvertrag enthält darüber hinaus unstrittig keine Widmung der Kaution (auch) für Schadenersatzansprüche. Soweit der Beklagte ins Treffen führt, die Streitteile hätten unter dem Vertragspunkt „Konventionalstrafe“ Schadenersatzansprüche „vereinbart“, ist daraus für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Entgegen der im Vertragstext gewählten Absatzbezeichnung haben die Streitteile darin überhaupt keine Konventionalstrafe bedungen, die Aufzählung möglicher Schadenersatzfälle geht nicht über das hinaus, was sich ohnedies aus dem Gesetz ergibt (vgl § 1162a ABGB; § 28 AngG; §§ 1295 ff ABGB, §§ 2 ff DHG). Eine kausale Verknüpfung zwischen diesen potentiellen Ansprüchen einerseits und der in Punkt XVI.) für den Fall mangelnder Wirtschaftlichkeit des Betriebs bestellten Kaution wird nicht hergestellt.

Da die Bestellung einer zulässigen Kaution für Schadenersatzansprüche der Schriftform bedürfte (§ 1 Abs 2 KautSchG), kommt es auf allfällige mündliche Vereinbarungen, zu deren Beweis vom Beklagten in erster Instanz die Vernehmung von Zeugen angeboten wurde, nicht an und ist der vom Beklagten ins Treffen geführte sekundäre Verfahrensmangel zu verneinen.

3. Rechtsgeschäfte, die den Bestimmungen des § 1 KautSchG widersprechen, sind nichtig. Das aufgrund solcher Rechtsgeschäfte Geleistete kann jederzeit zurückgefordert werden.

Der Anspruch auf Rückstellung des aus einem nichtigen Vertrag zu Unrecht Geleisteten richtet sich nach den §§ 1431 ff ABGB und beinhaltet primär den Anspruch auf die Rückgabe der Sache. Ist der Leistende Eigentümer der Sache geblieben, so konkurriert der bereicherungsrechtliche Herausgabeanspruch zwar mit der Eigentumsklage nach § 366 ABGB (vgl Lurger in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON § 1437 [Rz 3] [www.rdb.at]), der Bereicherte ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aber nicht auf diese beschränkt.

Zwar setzt der Anspruch auf Sachherausgabe gegen den Bereicherten in Analogie zum schadenersatzrechtlichen § 1323 Satz 1 ABGB voraus, dass sie faktisch möglich und tunlich ist (Rummel in Rummel3, § 1437 Rz 3), Unmöglichkeit der Naturalrestitution darf aber erst dann angenommen werden, wenn der Leistung ein dauerndes Hindernis entgegensteht. Dies ist vor allem dann nicht der Fall, wenn der Verpflichtete die Leistung wieder erlangen kann (RIS-Justiz RS0112887 [T7]), wobei ihn die Beweislast für die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Naturalrestitution trifft (5 Ob 229/09a).

Nach dem vorliegenden Sachverhalt kann von einer Unmöglichkeit der Wiederbeschaffung des Sparbuchs keine Rede sein; der Beklagte könnte das Pfand durch Abdeckung des Kontokorrentkredits einlösen, oder durch Bestellung alternativer Sicherheiten eine Pfandfreilassung durch die Bank erwirken.

Eine Untunlichkeit der Wiederbeschaffung wäre nur anzunehmen, wenn sie mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre (RIS-Justiz RS0053254), was aber vom Beklagten nicht behauptet wurde und bei den genannten möglichen Handlungsalternativen auch objektiv nicht zu erwarten ist.

Der Kläger hat daher Anspruch auf Naturalrestitution durch Herausgabe seines aufgrund eines nichtigen Rechtsgeschäfts übergebenen Sparbuchs. In Stattgebung der Revision war das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E97067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00034.10Y.0426.000

Im RIS seit

10.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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