TE OGH 2011/4/26 8ObA22/11k

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Veröffentlicht am 26.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** P*****, vertreten durch Dr. Michael Nocker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 871.020,28 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 225.000 EUR; Revisionsinteresse 60.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Februar 2011, GZ 15 Ra 9/11b-35, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juli 2010, GZ 46 Cga 106/09b-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.025,54 EUR (darin enthalten 337,59 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1991 für die Beklagte (bzw deren Rechtsvorgängerin) als Handelsvertreter tätig. Das Vertragsverhältnis wurde zum 30. 6. 2008 durch Kündigung der Beklagten aufgelöst. In Pkt 8 des Handelsvertretervertrags vom 28. 1. 2002 war vereinbart, dass der Unternehmer dem Kläger für jeden Kalendermonat bis spätestens zum letzten Tag des Folgemonats eine Provisionsabrechnung über die durchgeführten und berechneten Geschäfte übergibt. Tatsächlich wurden die monatlichen Provisionsabrechnungen von der Beklagten nicht erstellt. Mit E-Mail vom 19. 10. 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich seine Provisionsansprüche für das Jahr 2005 mit 136.325,23 EUR errechneten und diese für die Zeit vom 1. 6. 2006 bis 30. 9. 2007 mit 9,97 % verzinst würden.

Der Kläger machte mit der am 24. 12. 2008 eingelangten Klage bereits bezifferbare Provisionen, weiters eine Verwaltungsvergütung, kapitalisierte Zinsen sowie einen Ausgleichsanspruch geltend. Zudem begehrte er mittels Stufenklage, die Beklagte dazu zu verpflichten, für den Zeitraum vom 1. 1. 2005 bis 31. 12. 2008 für sämtliche Geschäfte mit den näher bezeichneten Produkten in den näher bezeichneten italienischen Provinzen Rechnung zu legen und darüber binnen 14 Tagen einen Buchauszug mit näher genanntem Inhalt vorzulegen sowie den sich aus der Rechnungslegung ergebenden Betrag samt Zinsen in Höhe von 8 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz binnen 14 Tagen zu zahlen. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung brachte er vor, dass die Abrechnung für das Jahr 2005 vereinbarungsgemäß bereits mit 31. 1. 2006 zu erstellen gewesen sei, weshalb die Fälligkeit des entsprechenden Provisionsanspruchs schon mit 1. 2. 2006 eingetreten sei. Der Anspruch auf Buchauszug stehe ihm nach § 16 HVertrG zu. Dieser Nebenanspruch könne nicht vor dem Hauptanspruch nach § 18 HVertrG verjähren. Die Beklagte habe die in Rede stehenden Provisionsansprüche erst im Oktober 2007 in eine Abrechnung einbezogen.

Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger in der Lage sein müsse, die ihm zustehenden Provisionsansprüche für die Jahre 2005 bis 2008 zu beziffern, weshalb ihm für die Stufenklage das Rechtsschutzinteresse fehle. Abgesehen davon sei das Rechnungslegungsbegehren sowie auch jenes auf Vorlage eines Buchauszugs für den Zeitraum 1. 1. 2005 bis 30. 11. 2005 verjährt.

Das Erstgericht gab mit seinem Teilurteil sowohl dem Rechnungslegungs- als auch dem Buchauszugsbegehren zur Gänze statt (Pkt B 1 des Spruchs). Darüber hinaus gab es im Wesentlichen auch dem Zahlungsbegehren statt. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass der Kläger Anspruch auf Rechnungslegung und Buchauszug durch die Beklagte habe, wobei diese Ansprüche nicht verjährt seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 18 Abs 1 HVertrG umfasse alle Ansprüche des Handelsvertreters gegenüber dem Geschäftsherrn. Ein Anspruch auf Rechnungslegung verjähre als bloßer Nebenanspruch mit dem Hauptanspruch. Maßgebend sei daher, wann der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Provisionen aus dem Jahr 2005 verjährt sei. Da die Beklagte die Ansprüche des Klägers für das Jahr 2005 erst im Oktober 2007 abgerechnet habe, habe die Verjährung erst mit Ablauf des 31. 12. 2007 zu laufen begonnen. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, wann die Verjährungsfrist für Ansprüche des Handelsvertreters auf Rechnungslegung und Vorlage eines Buchauszugs durch den Geschäftsherrn zu laufen beginne, gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen die Stattgebung des Rechnungslegungsbegehrens „bis 31. 10. 2005“ sowie des Buchauszugsbegehrens „bis 30. 11. 2005“ richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in der Weise abzuändern, dass die Begehren auf Rechnungslegung und Buchauszug für die genannten Zeiträume abgewiesen werden.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Streitgegenstand im Revisionsverfahren bilden nur mehr die vom Kläger geltend gemachten Begehren auf Rechnungslegung und Buchauszug für den Zeitraum vom 1. 1. 2005 bis 31. 10. 2005 bzw 30. 11. 2005. Strittig ist die Frage der Verjährung dieser Nebenansprüche.

2.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass alle Ansprüche des Handelsvertreters gegenüber dem Geschäftsherrn aus dem zwischen diesen bestehenden Vertragsverhältnis von der dreijährigen Verjährungsfrist des § 18 Abs 1 HVertrG umfasst sind (8 ObA 39/04z; 9 ObA 187/07a).

2.2 Allgemein beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem das Recht erstmals hätte ausgeübt werden können (RIS-Justiz RS0034343). Demnach ist der Beginn der Verjährungsfrist an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung nach Eintritt der Fälligkeit geknüpft (vgl Petsche/Petsche-Demmel, Handelsvertretergesetz § 18 Rz 6).

Demgegenüber enthält § 18 HVertrG eine besondere Verjährungsbestimmung. Nach Abs 2 leg cit beginnt die Verjährung für Ansprüche, die in die Abrechnung einbezogen werden, mit dem Ende des Jahres, in dem die Abrechnung stattgefunden hat, und für Ansprüche, die in die Abrechnung nicht einbezogen wurden, mit dem Ende des Jahres, in dem das Vertragsverhältnis gelöst wurde. Der Beginn der Verjährungsfrist knüpft demnach an den Umstand an, ob der jeweilige Anspruch in die „Abrechnung“ aufgenommen wurde oder nicht. Unter „Abrechnung“ ist ohne jeden Zweifel die Abrechnung nach § 14 Abs 1 HVertrG, also die Provisionsabrechnung zu verstehen.

Nocker (HVertrG § 18 Rz 22 und § 16 Rz 43) führt im gegebenen Zusammenhang aus, dass die Ansprüche auf Auskunft, Buchauszug oder Bucheinsicht keine in die Abrechnung aufzunehmenden Ansprüche seien, weshalb bei ihnen grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in dem das Recht das erste Mal ausgeübt werden könne. Diese Ansicht, auf die sich die Argumentation der Beklagten stützt, erweist sich als unzutreffend.

2.3 Das zugrundeliegende Begehren des Klägers bezieht sich nicht auf die Vornahme einer Provisionsabrechnung nach § 14 Abs 1 HVertrG, sondern auf Rechnungslegung und Vorlage eines Buchauszugs.

Die (gesetzliche oder vertragliche) Rechnungslegungspflicht soll als typischer Nebenanspruch dem Berechtigten eine ausreichende Grundlage für die Kontrolle des Rechnungslegungspflichtigen sowie die Kenntnis für die Beurteilung seiner Ansprüche verschaffen. Ob zur Abrechnung auch die zusätzliche Vorlage von Belegen gehört, hängt vom Zweck der Rechnungslegung im Einzelfall ab (vgl Konecny in Fasching/Konecny2 Art XLII EGZPO Rz 27). Ein (materiell gesondert zustehender) Anspruch auf Buchauszug oder Bucheinsicht stellt ein Aliud zur Rechnungslegung dar. Diese zusätzlichen Aufklärungspflichten können nach Judikatur und herrschender Meinung aber ebenfalls im Weg einer Stufenklage geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0035140; Konecny aaO Rz 28 f mwN). Zugunsten eines Handelsvertreter und auch eines provisionsberechtigten Vermittlers ist der Anspruch auf Rechnungslegung, der den Berechtigten in die Lage versetzen soll, Leistungsansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen festzustellen und geltend zu machen, anerkannt (vgl RIS-Justiz RS0034856). Der zusätzliche Anspruch auf Buchauszug steht dem Handelsvertreter nach § 16 Abs 1 HVertrG zur Nachprüfung des Betrags der ihm zustehenden Provision, also zur Kontrolle der Provisionsabrechnung, zu. Sowohl beim Begehren auf Rechnungslegung als auch bei jenem auf Buchauszug handelt es sich somit um die Geltendmachung von Überprüfungs- bzw Kontrollrechten zur Provisionsabrechnung nach § 14 Abs 1 HVertrG. Dem Berufungsgericht kann daher ohne weiteres darin zugestimmt werden, dass die Rechnungslegung unter den Begriff „alle Auskünfte“ nach § 16 Abs 1 HVertrG fällt.

Die in Rede stehenden Kontrollrechte sind typische Nebenansprüche zur Durchsetzung des Provisionsanspruchs. Hauptanspruch ist demnach ohne jeden Zweifel jener auf Provision. Dieser Hauptanspruch ist aber typischerweise Gegenstand der pflichtgemäßen Provisionsabrechnung.

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist nun anerkannt, dass die Ansprüche auf Rechnungslegung und Bucheinsicht als bloße Nebenansprüche mit dem Hauptanspruch verjähren (RIS-Justiz RS0028102; RS0028134; 9 ObA 225/97x). Dementsprechend kann eine an sich bestehende Rechnungslegungspflicht in Bezug auf bereits verjährte (Haupt-)Leistungen nicht mehr durchgesetzt werden (RIS-Justiz RS0034930). Der Beginn der Verjährungsfrist für den Provisionsanspruch als Hauptanspruch sowie für alle Nebenansprüche, die zur Durchsetzung des Hauptanspruchs dienen, richtet sich damit nach § 18 Abs 2 HVertrG. Nach dieser Bestimmung beginnt die Verjährung im gegebenen Zusammenhang frühestens mit dem Ende des Jahres, in dem die Abrechnung der entsprechenden Provisionsansprüche stattgefunden hat. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Beginn der Verjährung den Zugang der jeweiligen (Provisions-)Abrechnung des Unternehmers beim Handelsvertreter voraussetzt (so auch Nocker aaO § 16 Rz 45), erweist sich demnach als zutreffend. Nach dem Zweck der Überprüfungs- und Kontrollrechte des Handelsvertreters können diese auch erst ausgeübt werden, wenn der Unternehmer die Provisionsabrechnung über die betreffende Periode tatsächlich erstellt hat.

2.4 Die Kritik der Beklagten, der Handelsvertreter könne dadurch, dass er die (Provisions-)Abrechnung und den Buchauszug nicht begehre, den Lauf der Verjährungsfrist nach Gutdünken verlängern, ist nicht berechtigt. Tatsächlich liegt es am Unternehmer, seiner Pflicht zur Abrechnung der Provisionen vereinbarungsgemäß nachzukommen und dadurch den Lauf der Verjährungsfrist auszulösen.

Das Ergebnis der Entscheidung 9 ObA 323/97h zu § 10 Abs 5 AngG ist auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Die Nachprüfung nach § 16 Abs 1 HVertrG durch Buchauszug und Rechnungslegung bezieht sich auf den Betrag der zustehenden Provisionen und nicht auf die zustandegekommenen Geschäfte. Die Feststellung des Betrags, also der Höhe der Provision setzt die Provisionsabrechnung zwingend voraus.

3. Zusammenfassend ergibt sich: Die Ansprüche auf Rechnungslegung und auf Buchauszug nach § 16 Abs 1 HVertrG stellen Kontrollrechte zur Provisionsabrechnung dar und sind typische Nebenansprüche zur Durchsetzung des Provisionsanspruchs als Hauptanspruch. Da diese Nebenansprüche mit dem Hauptanspruch verjähren, richtet sich der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist iSd § 18 Abs 1 HVertrG auch für sie nach § 18 Abs 2 HVertrG.

Mit Rücksicht auf die Abrechnung der Provisionsansprüche des Klägers für das Jahr 2005 erst im Oktober 2007 sind die zu beurteilenden Nebenansprüche nicht verjährt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesem Ergebnis im Einklang. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E97145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00022.11K.0426.000

Im RIS seit

13.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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