Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj T***** S*****, vertreten durch das Land Kärnten als Jugendwohlfahrtsträger, *****, über den Revisionsrekurs des Vaters H***** A*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 10. November 2010, GZ 2 R 242/10f-63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 16. Juli 2010, GZ 10 P 124/03y-57 bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Vater war dem minderjährigen Sohn zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 192 EUR verpflichtet. Er hat Sorgepflichten für drei weitere minderjährige Kinder und seine Ehegattin, in deren Haushalt der Sohn lebt.
Der Vater beantragte die Enthebung von dieser Unterhaltsverpflichtung bzw deren Herabsetzung ab 1. 8. 2007, weil er infolge einer wegen einer Schließung des Betriebs des Arbeitgebers ausgesprochenen Kündigung ab dem 1. 8. 2007 arbeitslos geworden sei. Infolge seiner weiteren Sorgepflichten sei er nicht bereit, auch nur einen geringen Unterhaltsbeitrag an den Sohn zu leisten. Von der geplanten Betriebsschließung habe der Vater ca im Mai 2007 erfahren. Er leide schon seit Jahren an Schmerzen im Knie. Im Jänner 1999 habe eine erste Knieoperation stattgefunden, eine weitere Operation (Meniskus) habe am 12. 11. 2007 stattgefunden. Er leide an weiteren Gesundheitsproblemen im Bereich der Wirbelsäule und an einer Gehörschwäche; er stehe in physikalischer Behandlung. In der Zeit von Mai bis Juli 2007 und auch nach der Kündigung habe sich der Vater bei 10 - 13 Unternehmen beworben, er bewerbe sich weiterhin.
Im Zuge des Verfahrens brachte der Vater vor (ON 53), dass er im Jahr 2008 bis Oktober einen 6-monatigen OP-Gehilfenkurs über das AMS absolviert habe. Er habe jedoch die Prüfung nicht geschafft und daher auch kein Zeugnis erhalten. Im Jahr 2009 habe er bis Ende Oktober einen ebenfalls 6-monatigen Deutschkurs über das AMS besucht. Beide Kurse seien vom AMS bezahlt worden. Der Vater brachte vor, sich weiterhin beworben zu haben. Seit 25. 11. 2009 arbeite er wieder als Produktionsarbeiter. Er sei bereit, ab 1. 12. 2009 einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 158 EUR an den Sohn zu bezahlen. In diesem Umfang schränkte der Vater seinen Herabsetzungsantrag ein (ON 53). Für die Zeit vor dem 1. 12. 2009 beantragte er die Herabsetzung auf 30 EUR monatlich.
Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den Herabsetzungsantrag des Vaters für den Zeitraum 1. 8. 2007 bis 31. 3. 2008 sowie für die Zeit ab dem 1. 12. 2009 zur Gänze ab. Für den dazwischen liegenden Zeitraum vom 1. 4. 2008 bis 30. 11. 2009 setzte es den monatlichen Unterhaltsbetrag auf 100 EUR herab und wies das Herabsetzungsmehrbegehren des Vaters für diesen Zeitraum ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Vater war bis 31. 7. 2007 als Arbeitnehmer beschäftigt. Anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erhielt er eine Abfertigung von 5.280 EUR netto. Ab 1. 8. 2007 war der Vater bis zum 25. 11. 2009 arbeitslos. Er bezog zunächst ab 1. 8. 2007 Arbeitslosengeld und ab 28. 3. 2008 eine Notstandshilfe von täglich 27,55 EUR. Seit 25. 11. 2009 bezieht der Vater ein monatliches Durchschnittseinkommen inklusive Sonderzahlungen in Höhe von 1.490 EUR. Ungeachtet seiner gesundheitlichen Einschränkungen wäre der Vater bei intensiver Arbeitsplatzsuche in der Dauer von acht Monaten nach Beginn der Arbeitslosigkeit am 1. 8. 2007, daher ab 1. 4. 2008, in der Lage gewesen, einen Arbeitsplatz als Tischarbeiter, Verpackungsarbeiter oder Bürobote zu erlangen und dadurch im Jahr 2008 ein monatliches (arithmetisches) Durchschnittseinkommen inklusive Sonderzahlungen in Höhe von 1.201,50 EUR, und im Jahr 2009 ein solches Einkommen in Höhe von 1.235,50 EUR zu erzielen.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass für den Zeitraum 1. 8. 2007 bis 31. 3. 2008 unter Berücksichtigung der erhaltenen Abfertigung von einer monatlichen Bemessungsgrundlage von durchschnittlich 1.490 EUR auszugehen sei, sodass sein Herabsetzungsantrag für diesen Zeitraum nicht berechtigt sei. Ab 1. 4. 2008 sei der Vater unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes zur Zahlung eines Geldunterhalts auf Basis des festgestellten erzielbaren Durchschnittseinkommens als Bemessungsgrundlage verpflichtet. Ab dem 1. 12. 2009 sei das durch die berufliche Tätigkeit tatsächlich erzielte Einkommen des Vaters als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich, führte es aus, dass weder der Besuch eines Deutschkurses, noch eines OP-Gehilfenkurses, dessen Abschlussprüfung der Vater überdies nicht bestanden habe, ihn von der Verpflichtung zur dauernden intensiven Arbeitsplatzsuche entlasten könnten. Seine Anspannung sei daher zu Recht erfolgt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Anwendung des Anspannungsgrundsatzes im Fall des Besuchs von Kursen zur Verbesserung von Arbeitsplatzchancen Rechtsprechung fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, den der Sohn nicht beantwortete.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts unzulässig.
1. Für die Zeit vom 1. 8. 2007 bis zum 31. 3. 2008 haben die Vorinstanzen den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Revisionsrekurswerbers im Hinblick auf die von ihm bezogene Abfertigung verneint, die - auf acht Monate aufgeteilt - bis zum 31. 3. 2008 die Aufrechterhaltung der bisherigen Unterhaltsverpflichtung rechtfertige. Diese Rechtsauffassung wird vom Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel nicht einmal erwähnt, geschweige denn bekämpft. Auf diesen Zeitraum ist daher nicht mehr einzugehen.
2. Für die Zeit vom 1. 4. 2008 bis zum 30. 11. 2009 - am 25. 11. 2009 hat der Vater einen neuen Arbeitsplatz gefunden - legten die Vorinstanzen unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes das nach den Feststellungen in dieser Zeit vom Revisionsrekurswerber erzielbare Einkommen zugrunde. Dem hält dieser in seinem Rechtsmittel entgegen, dass er sich intensivst, aber erfolglos um Arbeit bemüht habe und in weiterer Folge - um seine Arbeitsplatzchancen zu verbessern - einen Deutschkurs und einen OP-Gehilfenkurs besucht habe. Er habe daher - zumindest während der Kursbesuche - seine Verpflichtungen aus der Anspannungstheorie vollständig erfüllt.
3. Nach dem festgestellten Sachverhalt wäre es dem Vater trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen möglich gewesen, bei intensiver Arbeitsplatzsuche nach etwa 8 Monaten einen Arbeitsplatz zu finden, der ihm 2008 ein Einkommen von durchschnittlich 1.201,50 EUR monatlich, 2009 ein solches von 1.235,50 EUR monatlich ermöglicht hätte. Dies gilt um so mehr, als der Vater bereits vor dem Beginn seiner Arbeitslosigkeit durch das Kündigungsschreiben vom 13. 4. 2007 und das Wissen um die bevorstehende Schließung des Betriebs des Arbeitgebers nach einem neuen Arbeitsplatz suchen musste.
Dass - wie der Vater im Revisionsrekurs geltend macht - seine körperlichen Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden seien, trifft nicht zu. Den insoweit geltend gemachten Verfahrensmangel hat er in zweiter Instanz nicht geltend gemacht; diese Rüge kann in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden. Zudem liegt der behauptete Mangel nicht vor, zumal der Revisionsrekurswerber in erster Instanz die Richtigkeit der angesichts der von ihm behaupteten körperlichen Einschränkungen eingeholten Gutachten in erster Instanz nicht bestritten hat.
4. Nach dem festgestellten Sachverhalt hätte daher der Revisionsrekurswerber bei intensiver Arbeitsplatzsuche spätestens ab April 2008 ein Einkommen in der eben genannten Höhe erzielen können. Dass sich der Revisionsrekurswerber in dieser Zeit intensiv um die Erlangung eines Arbeitsplatzes bemüht hat, hat aber das Beweisverfahren - im Gegensatz zu den Behauptungen im Revisionsrekurs - gerade nicht ergeben:
Der mit einem Verlust des Arbeitsplatzes verbundene Einkommensentfall löst die Obliegenheit des Unterhaltsschuldners aus, unter Berücksichtigung seiner geistigen und körperlichen Veranlagung sowie seiner Ausbildung und seines Könnens alles zu unternehmen, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Dazu reicht die bloße Meldung bei den zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehenden Stellen nicht aus, sondern es ist auch die Entfaltung von Eigeninitiative zur Erzielung eines entsprechenden Einkommens zu fordern (2 Ob 208/06m; 4 Ob 245/01k ua). Die vom Vater im Verfahren vorgelegten 8 Antwortschreiben auf Bewerbungen - dass er keine weiteren Bewerbungsversuche unternommen hat, hat er in seinem Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts selbst angegeben (AS 413) - datieren sämtlich aus dem Zeitraum vom 14. 10. 2008 bis 20. 1. 2009, also aus einem Zeitraum mehr als ein Jahr nach Einleitung des Unterhaltsherabsetzungsverfahrens, in dem die Notwendigkeit der intensiven Arbeitssuche bereits thematisiert worden war (das neunte mit Rekurs vorgelegte Antwortschreiben stammt erst vom 20. 1. 2010). Zu diesem Zeitpunkt wäre der Vater aber nach den Feststellungen - wäre er zumindest ab dem Ende seines früheren Arbeitsverhältnisses intensiv darum bemüht gewesen - bereits seit geraumer Zeit wieder in Beschäftigung gestanden.
5. Aus eben diesem Grund muss auch der Hinweis des Revisionsrekurswerbers auf von ihm besuchte Kurse von vornherein erfolglos bleiben:
Dazu ist vorweg festzuhalten, dass bislang gar nicht festgestellt wurde, dass der Vater die von ihm behaupteten Kurse besucht hat. Er hat dazu in erster Instanz - abgesehen von völlig unsubstantiierten Hinweisen - kein konkretes Vorbringen erstattet. Erstmals im Rekurs hat er dazu nähere - aber abermals wenig präzise - Behauptungen aufgestellt und Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptungen untermauern sollen. Eine Kursbesuchsbestätigung legte der Vater allerdings nur hinsichtlich des (im Auftrag des Arbeitsmarktservices durchgeführten) Deutschkurses vor. Dieser Bestätigung ist zu entnehmen, dass der Kurs vom 4. 5. 2009 bis zum 30. 10. 2009 dauerte; wie viele Stunden an wie vielen Tagen pro Woche der Vater im Kurs verbrachte, ist der Bestätigung aber nicht zu entnehmen, sodass auch nicht klar ist, ob dieser Kurs der Arbeitssuche oder einer Arbeitsleistung überhaupt entgegenstand. Hinsichtlich des OP-Gehilfenkurses legte der Vater überhaupt nur eine „Einladung“ zum Kursbesuch vor, der zu entnehmen ist, dass der Kurs im April 2008 begonnen und bis Oktober 2008 gedauert und in dieser Zeit - zumindest teilweise - die Kursteilnehmer ganztägig in Anspruch genommen hat. Eine Bestätigung, dass der Vater diesen Kurs tatsächlich besucht hat, fehlt aber nach wie vor. Dies versucht der Vater damit zu erklären, dass er die Abschlussprüfung nicht geschafft habe.
Nähere Ausführungen dazu sind aber aus folgenden Gründen entbehrlich: Wie oben ausgeführt, wurde nämlich festgestellt, dass der Vater - hätte er sich (zumindest) ab dem Ende seines früheren Arbeitsverhältnises intensiv um Arbeit bemüht - spätestens nach acht Monaten (also spätestens ab Anfang April) einen Arbeitsplatz gefunden hätte. Unter dieser Voraussetzung wäre der Besuch der ins Treffen geführten Kurse gar nicht mehr erforderlich gewesen. Schon die Untätigkeit des Vaters in den ersten acht Monaten seiner Arbeitslosigkeit rechtfertigt daher die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes (so bereits 2 Ob 208/06m).
Dass die zweite Instanz die Voraussetzungen für die Anwendung der Anspannungstheorie als gegeben erachtete, erweist sich daher schon auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung als jedenfalls vertretbar. Erhebliche Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG waren nicht zu beantworten.
Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
UnterhaltsrechtTextnummer
E97128European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0080OB00033.11B.0426.000Im RIS seit
12.05.2011Zuletzt aktualisiert am
03.05.2013