Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache Franz K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die Antragsgegnerin Maria K*****, vertreten durch MMag. Verena Rastner, Rechtsanwältin in Lienz, wegen §§ 16 Abs 2, 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 28. Jänner 2011, GZ 3 R 313/10s-48, mit dem infolge Rekurses der Antragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 25. August 2010, GZ 4 Msch 7/08y-42, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht hat in Abänderung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses den Sachantrag des Antragstellers auf Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin (1.) zur (bereits vorgenommenen) Vertiefung eines zu seinem Wohnungseigentumsobjekt gehörenden Balkons und (2.) zur (erst vorzunehmenden) Verglasung dieses Balkons wegen des vermeintlichen Fehlens der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 abgewiesen.
Das Rekursgericht hat in seinem Sachbeschluss ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands nicht 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht könne noch nicht verlässlich beurteilen, ob aufgrund der in RIS-Justiz RS0083341 enthaltenen Entscheidungen nunmehr von einer ständigen - restriktiven - Judikatur des Obersten Gerichtshofs bei der Berücksichtigung eines wichtigen Interesses des Wohnungseigentümers auszugehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002) - Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002) nicht zulässig. Dies ist - kurz (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002) - zu begründen:
1.1. Der Antragsteller macht geltend, das Rekursgericht hätte den erstinstanzlichen Sachbeschluss schon deshalb nicht abändern dürfen, weil diesem keine unrichtige rechtliche Beurteilung anhafte. Die dem Erstgericht bei der Beurteilung des wichtigen Interesses iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 zukommende Ermessensentscheidung dürfe vom Rechtsmittelgericht nur im Fall einer Ermessensüberschreitung, eines Ermessensmissbrauchs oder bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Beurteilungsgesichtpunkte abgeändert werden. Eine solche fehlerhafte Ermessensübung habe das Erstgericht hier aber nicht zu vertreten.
1.2. Das Rekursgericht ist in seiner Entscheidung - zusammengefasst - zum Ergebnis gelangt, dass ein wichtiges Interesse an der von einem Wohnungseigentümer angestrebten Änderung nur dann zu bejahen sei, wenn ohne diese Änderung die Benützbarkeit der Wohnung nahezu unmöglich bzw eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung des Objekts nicht möglich wäre, wovon im vorliegenden Fall keine Rede sein könne. Damit hat das Rekursgericht genau eine vom Antragsteller reklamierte Ermessensüberschreitung angenommen.
2. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die vom Antragsteller teils vorgenommenen, teils beabsichtigten Maßnahmen nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 zu beurteilen sind. Diesfalls muss eine Änderung - abgesehen von hier nicht mehr relevanten Hindernissen nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 - der Übung des Verkehrs oder einem wichtigen Interesse des betreffenden Wohnungseigentümers entsprechen.
2.1. Betreffend die vom Antragsteller vermeinte Verkehrsüblichkeit der beurteilten Maßnahmen ist auf die objektiven Umstände abzustellen, wozu von der dafür behauptungs- und beweispflichtigen Partei, hier also dem Antragsteller, - konkrete - Tatsachen darzulegen gewesen wären, wenn sich die Verkehrsüblichkeit nicht schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt. Dabei kommt es aber nicht auf die Verkehrsüblichkeit der betreffenden Maßnahme im Sinn einer ganz allgemeinen, generalisierenden Betrachtung, sondern auf die konkrete Änderung unter Berücksichtigung der bestimmten Beschaffenheit des betreffenden Hauses und seines Umfelds an (vgl 5 Ob 167/10k). Die Verkehrsüblichkeit in diesem Sinn konnte das Rekursgericht schon mangels dafür tauglicher Sachverhaltsgrundlage nicht bejahen.
2.2. Bei der Beurteilung des wichtigen Interesses im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 stand hier dem Rekursgericht ein weiter Wertungs- und Ermessensspielraum zu (jüngst etwa 5 Ob 73/10m mwN). Dabei mag dem Antragsteller zuzustimmen sein, dass der erkennende Senat - offenbar entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - in seiner jüngeren Rechtsprechung zu § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 keinen generell restriktiv(er)en Ansatz verfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung reicht allerdings für die Bejahung eines wichtigen Interesses eine Steigerung des Wohn- und/oder Verkehrswerts des betreffenden Objekts nicht aus (vgl 5 Ob 63/08p mzN; 5 Ob 180/08v; RIS-Justiz RS0083341). Den Begriff des „wichtigen Interesses“ in § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 hat der erkennende Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung besonders unter dem Gesichtspunkt beurteilt, ob die fragliche Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer die dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (5 Ob 97/09i = wobl 2010/16, 42 [Vonkilch] = wobl 2010/28, 91 [Cerha] = ecolex 2009/410, 1060). Auch bei diesem Verständnis des wichtigen Interesses lässt sich aber über die Zulässigkeit der Verglasung eines Balkons (einer Loggia) keine generelle Aussage treffen (vgl 5 Ob 212/01i).
2.3. Das Objekt des Antragstellers bietet für ihn und seine Familie ein ausreichend adäquates Raumangebot und gewährleistet auch ohne die zu beurteilenden Maßnahmen ohne jeden Zweifel für eine 4-köpfige Familie eine dem derzeit üblichen Standard entsprechende Nutzung. Dass die Verglasung des Balkons als Vorsichtsmaßnahme wegen der Bienenallergie des Antragstellers geboten sei, ist aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts zum auch sonst wenig problembewussten Umgang des Antragstellers mit Bienen nicht plausibel.
3. Wenn das Rekursgericht bei dieser Sachlage die vom Antragsteller angestrebten Änderungen nicht genehmigte, ist darin im Ergebnis eine Überschreitung des ihm dabei einzuräumenden Ermessensspielraums noch nicht zu erkennen. Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002 (Bemessunsgrundlage: 2.000 EUR gemäß § 10 Abs 3 lit a sublit aa RATG). Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Schlagworte
8 außerstreitige Wohnrechtssachen,Textnummer
E97167European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00070.11X.0427.000Im RIS seit
16.05.2011Zuletzt aktualisiert am
12.02.2013