Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI A***** R*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Grohs Hofer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 42.000 EUR (sA), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2010, GZ 5 R 146/10t-18, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. April 2010, GZ 47 Cg 61/10p-14, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.977,80 EUR (darin enthalten 329,60 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Über Auftrag des Klägers kaufte die Beklagte für diesen im November 2006 40.000 Stück des Wertpapiers „D*****“ um 42.000 EUR. Das Geschäft wurde vom selbständigen konzessionierten Wertpapierdienstleistungsunternehmen A***** GmbH (im Folgenden A*****) vermittelt, das mit der Beklagten - wie mit circa 60 weiteren Wertpapierdienstleistern - eine Vertriebsvereinbarung abgeschlossen hatte. A***** übergab dem Kläger eine Werbebroschüre der Beklagten, in der dem Wertpapier „100%ige Sicherheit“ und „100 % Kapitalgarantie“ bescheinigt wurde. Die Emittentin des Zertifikats gehört dem Konzern der in der Werbebroschüre nicht genannten Garantiegeberin, der US-amerikanischen Investmentbank L***** Holding Inc an. Ende September 2008 wurde diese Investmentbank samt den mit ihr verbundenen Unternehmen (darunter die Emittentin und die Garantin) auch für Fachkreise überraschend insolvent. Die vom Kläger erworbenen Wertpapiere wurden daher praktisch wertlos.
Mit den (im Revisionsverfahren noch) wesentlichen Behauptungen, durch den Werbeprospekt der Beklagten irregeführt und von der Beklagten über die Insolvenzgefahr nicht aufgeklärt worden zu sein, begehrte der Kläger die Erstattung des Kaufpreises von 42.000 EUR. Dazu erhob er noch mehrere Eventualbegehren in die Richtung, dass ihm die Beklagte den Schaden zu ersetzen habe, den er erleide, falls er für die Wertpapiere weniger als 40.000 EUR erlösen könne.
Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch die Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich zur Frage der Haftung der Beklagten wegen fehlender Beratung und Aufklärung bei Zwischenschaltung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens nicht der Entscheidung 5 Ob 106/05g, sondern der Lehre zur nunmehr geltenden Bestimmung des § 27 WAG angeschlossen habe.
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Abgesehen davon, dass sich der vorliegende Fall von dem zu 5 Ob 106/05g entschiedenen in wesentlichen Punkten unterscheidet, kann die vom Berufungsgericht im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO für erheblich erachtete Frage hier aus folgenden Erwägungen dahin stehen:
Der Kläger hat in erster Instanz vorgebracht, dass sich die Frage der Stellung des Vermittlers A***** im vorliegenden Fall nicht stelle, da die Irrtumsveranlassung durch unrichtige Angaben im Werbeprospekt der Beklagten selbst erfolgt sei. A*****, die der Beklagten als Verhandlungs- und Erfüllungsgehilfin zuzurechnen sei, habe lediglich die irreführenden Angaben der Beklagten weitergeleitet. Zur Frage, ob der Kläger unrichtig informiert wurde und von der Beklagten insbesondere mündlich oder schriftlich (im Werbeprospekt) auf die Gefahr der Insolvenz von Emittentin/Garantin hinzuweisen gewesen wäre, hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der einen ganz gleich gelagerten Parallelfall betreffenden Entscheidung 4 Ob 20/11m (auch dort hatte die Beklagte im November 2006 D*****-Zertifikate über Vermittlung von A***** für private Anleger erworben) Stellung genommen. Unter Darlegung der von der Rechtsprechung zur konkreten Ausgestaltung und zum Umfang der Beratungspflichten im Vorfeld von Effektengeschäften entwickelten Grundsätze und Literaturmeinungen wurde ausgeführt, die Beklagte habe im Hinblick auf die Einschätzung der Finanzkraft der Emittentin durch die Fachkreise im November 2006 davon ausgehen dürfen, dass das Bonitätsrisiko (Insolvenzrisiko) bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur sei (so auch schon der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 176/10a betreffend dasselbe Zertifikat). Dass die in der Werbebroschüre angeführten exzellenten Ratings der drei führenden Rating-Agenturen zum Kaufdatum noch gültig gewesen seien, werde von den Klägern nicht bestritten. Unter diesen Umständen sei die in der Werbebroschüre in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin ausreichend gewesen und es habe keiner darüber hinausgehenden Aufklärung der Kläger über das allgemeine Bonitätsrisiko bedurft. Schon mangels Verletzung von Aufklärungspflichten sei das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt. Auf die Frage der Zurechnung des Verhaltens der A***** zur Beklagten komme es daher nicht weiter an. Entsprechendes muss auch im vorliegenden, völlig gleich gelagerten Fall gelten. Da der Oberste Gerichtshof zur maßgebenden Rechtsfrage in der zitierten - wenngleich erst nach dem bekämpften Berufungsurteil ergangenen - Entscheidung bereits eingehend Stellung genommen hat, mangelt es der vorliegenden Revision an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO, die nach ständiger Rechtsprechung noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein muss (RIS-Justiz RS0112769).
Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich in der vorliegenden Causa entgegen der Ansicht des Revisionswerbers auch sonst nicht. So folgt etwa auch die vom Kläger bekämpfte Ansicht des Berufungsgerichts, ihn habe als Anfechtenden die Beweislast für die Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung getroffen, oberstgerichtlicher Judikatur (8 ObA 58/01i, RIS-Justiz RS0032543 [T7] ua). Der Umstand allein, dass sich die hier zu beantwortenden Rechtsfragen auch in mehreren weiteren Parallelverfahren stellten und stellen, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042816). So wie schon in dem weiteren, den Erwerb von D*****-Zertifikaten durch die Beklagte für private Anleger betreffenden, ganz gleich gelagerten Parallelfall 8 Ob 102/10y, in dem am 4. 11. 2010 über eine außerordentliche Revision entschieden wurde, ist das Rechtsmittel des Klägers daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen, der ihr daher die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.
Textnummer
E97191European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00029.11G.0427.000Im RIS seit
18.05.2011Zuletzt aktualisiert am
07.11.2011