TE OGH 2011/5/3 12Os30/11w

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Veröffentlicht am 03.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen Andre P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Stefan Pr***** und David S***** sowie die Berufungen des Angeklagten David S***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendgeschworenengericht vom 1. Dezember 2010, GZ 15 Hv 65/10t-106, sowie über die Beschwerde des Angeklagten David S***** gegen den Beschluss nach §§ 50 Abs 1, 52 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten Stefan Pr***** und David S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Andre P*****, Stefan Pr***** und David S***** je des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

Danach haben sie sich am 9. Mai 2009 in Ebensee anlässlich einer Gedenkfeier im ehemaligen KZ Ebensee, etwa 400 m von dieser entfernt, in der ehemaligen Stollenanlage auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem

- Andre P***** „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“, „Sieg Heil ihr Schweine“ und „Blood and Honour“ rief, in uniformähnlicher Kleidung, ausgestattet mit „Tarnanzug“ und Sturmhaube in Nachahmung des militärischen Stechschritts den Gedenkstollen querte, die Hand zum „Hitlergruß“ erhob und Besucher der Gedenkveranstaltung mit Munition aus einer Softgun-Waffe, nachgebaut einem M4 Sturmgewehr, unter Beschuss nahm,

- Stefan Pr***** Besucher der Gedenkveranstaltung mit Munition aus einer Softgun-Waffe unter Beschuss nahm und

- David S***** „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ rief und Besucher der Gedenkveranstaltung mit Munition aus einer CO2-Pistole unter Beschuss nahm.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Angeklagten Stefan Pr***** aus Z 10a, 11 lit a und 12a sowie David S***** (nominell aus § 281 Abs 1 Z 10a StPO, der Sache nach jedoch aus Z 12a des § 345 Abs 1 StPO) ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan Pr*****:

Urteilsnichtigkeit nach Z 10a ist gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (RIS-Justiz RS0118780 [T16]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391, 470, 490). Eine Tatsachenrüge, welche - wie die vorliegende - jeglichen Hinweis auf konkrete Aktenstellen, aus denen die reklamierten erheblichen Bedenken hervorgehen könnten, vermissen lässt, ist allerdings nicht an der Prozessordnung orientiert (RIS-Justiz RS0101034, RS0116733).

Letzteres gilt auch für die Rechtsrüge (Z 11 lit a), die nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, indem sie die im Wahrspruch der Geschworenen konstatierte Tendenz der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn bestreitet (RIS-Justiz RS0119234; vgl Lässig in WK2 VerbotsG § 3g Rz 17).

Auch die Diversionsrüge ist nicht zielführend. Ein Urteil ist nichtig nach Z 12a, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen (sodass ein Rechtsfehler vorliegt) oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der Voraussetzungen für diversionelles Vorgehen den Ausschlag gäbe, das Gericht aber dazu keine Feststellungen getroffen hat (sodass dem Urteil ein Feststellungsmangel anhaftet; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 659 f).

Das einen diesbezüglichen Rechtsfehler reklamierende Beschwerdevorbringen geht allerdings prozessordnungswidrig nur von einem Teil der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aus, indem es isoliert auf die Abgabe von Schüssen mit einer Softgun abstellt und den konstatierten Zusammenhang der Vorgangsweise des Angeklagten mit der Gedenkveranstaltung im ehemaligen KZ Ebensee negiert.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten David S*****:

Indem diversionelles Vorgehen nicht im Hinblick auf das - übrigens einen hohen Handlungsunwert ausweisende - Sachverhaltssubstrat des Urteils (vgl US 7), sondern lediglich auf Basis eigener Beweisergebnisse eine aus dem Akt nicht nachvollziehbare Bedeutung zuordnender (vgl ON 63 sowie S 30 ff in ON 113) Tatsachenannahmen des Nichtigkeitswerbers reklamiert wird (Z 12a), verfehlen nach dem schon Dargelegten auch seine Einwände die gebotene Ausrichtung an der Prozessordnung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten Stefan Pr***** und David S***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97273

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00030.11W.0503.000

Im RIS seit

16.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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