Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 22. November 2010, GZ 29 Hv 127/10k-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus S***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 9. Juni 2010 in A***** fremde bewegliche Sachen, und zwar drei Schweizermesser und zwei Scheren im Gesamtwert von 57,55 Euro Verfügungsberechtigten des Kaufhauses M***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er der Kaufhausdetektivin Heide W***** einen Stoß versetzte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, „9“ und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Entgegen dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht bei der Begründung seiner Feststellungen zur Absicht des Angeklagten, sich durch die Anwendung von Gewalt die weggenommenen Sachen zu erhalten, mit seiner diesbezüglich leugnenden Verantwortung auseinandergesetzt, diese jedoch als bloße Schutzbehauptung gewertet (US 4 f).
Das Erstgericht war dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten, den vollständigen Inhalt der Aussage des Angeklagten im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante spreche (RIS-Justiz RS0098778, RS0106295, RS0106642; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428), weshalb seine Verantwortung, er wisse selbst nicht, wie er plötzlich „zu dieser komischen Anwandlung“ gekommen sei und er wäre „nicht richtig bei Sinnen“ gewesen, keiner besonderen Erwähnung bedurfte.
Entgegen dem weiteren Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter bei den Feststellungen zur Absicht des Angeklagten mit den Aussagen der Zeugen Roland R***** und Heide W***** auseinandergesetzt (US 4 f). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Deposition der Zeugin W***** verweist, der Angeklagte habe „einfach nur weg“ wollen, er sei „in Panik“ gewesen (ON 12 S 3), ist ihr zu entgegnen, dass subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge grundsätzlich nicht Gegenstand einer Zeugenaussage sein können, sondern nur die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Prämissen (RIS-Justiz RS0097540).
Mit dem weiteren Vorbringen zum behaupteten Fehlen der subjektiven Tatseite, der Angeklagte hätte die weggenommenen Gegenstände nicht benötigt und sie im Misthaufen nicht „richtig“ vergraben, sondern nur ganz notdürftig mit „etwas Dreck“ bedeckt, wird weder eine Unvollständigkeit noch eine Aktenwidrigkeit zur Darstellung gebracht, sondern lediglich in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft. Wie tief der Angeklagte die Sachen vergraben hat, ist nicht entscheidungswesentlich.
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet. Gegenstand der Tatsachenrüge sind Feststellungen, angesichts derer - gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen - eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert naheliegt, wogegen unterhalb dieser (besonderen) Erheblichkeitsschwelle die Beweiswürdigung allein dem Schöffengericht vorbehalten bleibt (RIS-Justiz RS0119583). Mit dem wiederholten Hinweis auf seine leugnende Verantwortung, seine guten finanziellen Verhältnisse und den geringen Wert der von ihm gar nicht benötigten gestohlenen Sachen werden keine erheblichen Bedenken erweckt.
Die Rechtsrüge („Z 9“, inhaltlich Z 10) spricht mit dem - im Übrigen unsubstantiierten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588) - Vorbringen zur Entwicklungsstufe (Versuch) des Verbrechens des räuberischen Diebstahls keine für die Subsumtion entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0122138; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 645) und orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt, indem sie die konstatierte Absicht des Angeklagten, sich die Beute zu erhalten (US 3), in Abrede stellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).
Die Diversionsrüge (Z 10a) hält zum einen nicht an den Konstatierungen des Erstgericht zum Verbrechen des räuberischen Diebstahls fest und legt zum anderen nicht dar, warum bei den Feststellungen zum verwirklichten Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB trotz des in § 198 Abs 2 Z 1 StPO normierten Ausschlusses eine Diversion in Betracht käme.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - entgegen der Äußerung der Verteidigung gemäß § 24 StPO - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E97226European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00030.11T.0504.000Im RIS seit
20.05.2011Zuletzt aktualisiert am
20.05.2011