TE OGH 2011/5/4 15Os164/10x

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Veröffentlicht am 04.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Anwesenheit der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alen C***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten C***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. August 2010, GZ 22 Hv 70/10h-115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch der Mitangeklagten Christiane E***** enthält, wurde Alen C***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ zwischen 2005 und 23. Juli 2009 im Großraum Innsbruck durch den in zahlreichen Teilgeschäften erfolgenden kleinweisen gewinnbringenden Verkauf bzw zu Punkt 17./ durch kostenlose Zurverfügungstellung vorschriftswidrig Suchgift in einer insgesamt unbekannten, das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) aber jedenfalls übersteigenden Menge, nämlich zumindest 527,20 g Heroin von zumindest durchschnittlicher Qualität mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20 % und zumindest 5 g Cannabis mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 5 % anderen überlassen und zwar

1. zwischen Sommer 2008 und 23. Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Perica T***** insgesamt cirka 10 g Heroin;

2. zwischen Anfang Mai und 23. Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Memet K***** durchschnittlich zweimal wöchentlich je 0,1 g insgesamt sohin über 2,4 g Heroin;

3. zwischen Herbst 2006 und Sommer 2007 dem abgesondert verfolgten Bojan M***** insgesamt zumindest 0,8 g Heroin;

4. zwischen November und Dezember 2008 dem abgesondert verfolgten Ertan G***** insgesamt cirka 0,4 g Heroin;

5. zwischen 2006 und Frühjahr 2009 dem abgesondert verfolgten Dejan Mi***** insgesamt über 20 g Heroin;

6. zwischen 2005 und Frühjahr 2009 den abgesondert verfolgten Mirhad J*****, Mirsad J***** und weiteren namentlich nicht bekannten Abnehmern zumindest 16,8 g Heroin;

7. zwischen September 2008 und Mai 2009 dem abgesondert verfolgten Samuel Ci***** zumindest 2 g Heroin;

8. im Lauf des Jahres 2009 bis zum 23. Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Rijad R***** zumindest 3 g Heroin;

9. zwischen 2007 und 23. Juli 2009 der abgesondert verfolgten Nicole V***** durchschnittlich drei- bis fünfmal wöchentlich jeweils 0,2 g bis 0,3 g, insgesamt jedoch über 80 g Heroin;

10. zwischen 2007 und 23. Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Martin S***** durchschnittlich zehnmal pro Monat jeweils 0,2 g, insgesamt sohin zumindest 48 g Heroin;

11. zwischen Anfang 2008 und Mitte Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Daniel Kr***** insgesamt cirka 80 g Heroin;

12. zwischen Dezember 2007 und Jänner 2008 dem abgesondert verfolgten Öskan G***** insgesamt cirka 2 g Heroin;

13. zwischen April und Anfang Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Christopher H***** insgesamt cirka 10 g Heroin;

14. zu unbekannten Zeitpunkten zumindest 1 g Heroin an die abgesondert verfolgten Gökhan Ha*****, Mehmet Er***** und Cengiz Er*****;

15. zwischen 2007 und 23. Juli 2009 dem abgesondert verfolgten Adis Ke***** im Zuge von zumindest vier Teilgeschäften insgesamt zumindest 0,8 g Heroin;

16. zwischen Ende 2008 und Anfang 2009 der abgesondert verfolgten Claudia St***** im Zuge mehrerer Teilhandlungen insgesamt zumindest 5 g Cannabis;

17. zwischen 2006 und 23. Juli 2009 in steigender Intensität, in den letzten sechs Monaten vor dem 23. Juli 2009 jedenfalls 1 g Heroin täglich, insgesamt aber jedenfalls mehr als 250 g Heroin, an Christiane E***** durch Zurverfügungstellung im Zuge gemeinsamer Konsumationen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese verfehlt ihr Ziel.

Soweit die Mängelrüge unter dem Titel der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) Kritik an den beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter zu den finanziellen Bedürfnissen des Angeklagten übt, spricht sie - mit ihrer Argumentation überdies im Bereich der Beweiswürdigungskritik verbleibend - keine entscheidende Tatsache an.

Die Konstatierungen zur vom Angeklagten an Dejan Mi***** verkauften Suchtgiftmenge (A./5./) blieben nicht unbegründet, sondern wurden auf die Angaben dieses Zeugen vor dem Stadtpolizeikommando Innsbruck sowie die Unglaubwürdigkeit der hiezu erstatteten Angaben des Angeklagten gegründet (US 16 f). Gleiches gilt für die Feststellungen zum Verkauf von Suchtgift an Nicola V***** (A./9./), bei denen sich die Tatrichter auf den von dieser Zeugin in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruck und ihre als unglaubwürdig bewerteten Angaben dort stützten (US 21). Der zur Überzeugung des Gerichts von der Glaubwürdigkeit einer Person aufgrund des persönlichen Eindrucks gewonnene kritisch-psychologische Vorgang aber ist einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588). Auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) wird - der Rüge zuwider - kein formeller Begründungsmangel dargestellt (RIS-Justiz RS0102162).

Auch die Ausführungen der Beschwerde zu den Schuldspruchpunkten A./10./ und 11./ (Martin S***** und Daniel Kr*****) bekämpfen mit ihrem Hinweis auf den persönlichen Eindruck der Tatrichter von den Zeugen und dem Verweis auf deren von früheren Depositionen abweichendes Aussageverhalten in der Hauptverhandlung lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts, ohne jedoch einen Begründungsmangel aufzeigen zu können.

Die Angaben der Mitangeklagten E***** zur behaupteten Steigerung ihres Suchtgiftkonsums, nachdem der Erstangeklagte das Suchtgift von J***** bezogen hatte (Schuldspruch A./17./), wurden nicht übergangen, sondern beweiswürdigend für unglaubwürdig befunden (US 29). Weshalb es einen nichtigkeitsbegründenden Widerspruch (Z 5 dritter Fall) darstellen sollte, wenn die Tatrichter der Angeklagten einerseits eine eingeschränkte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zubilligten, sich andererseits aber - mangels anderer Beweisergebnisse - bei den Feststellungen zu ihrem Suchtgiftkonsum auf ihre und die Angaben des Erstangeklagten stützten, vermag die Rüge nicht zu erklären.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) ist schließlich nur bei einem falschen Referat einer Aussage (oder Urkunde) gegeben, nicht aber, wenn die Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung einer Aussage - hier den Angaben des Zeugen J***** über den Verkauf von 140 Gramm Heroin an den Erstangeklagten - nicht folgen.

Die Gründe dafür, dass es die Angaben der Zweitangeklagten als Schutzbehauptung qualifizierte, hat das Erstgericht ebenso zureichend dargelegt (US 27 ff; Z 5 vierter Fall) wie jene für die - aus den Aussagen der beiden Angeklagten abgeleiteten - Feststellungen zu der jeweils Christiane E***** 2006 bis 2008 überlassenen Heroinmenge (US 30).

Die Konstatierungen zum Reinheitsgehalt des überlassenen Heroins gründeten die Tatrichter auf die Angaben der beiden Angeklagten, auf die Aussagen von mehreren Zeugen zur Qualität des von ihnen erworbenen Suchtgifts sowie auf die Auswertung des bei Markus Si***** und Ertan G***** sichergestellten Heroins. Ausgehend von diesen Beweisergebnissen nahm das Erstgericht unter Bezugnahme auf forensische Erfahrungen im Hinblick auf im Deliktszeitraum öfter sichergestelltes Heroin (dies nicht überraschend; vgl die von 25 % Reinheitsgehalt ausgehende Anklageschrift ON 92 und die Erörterungen zu dieser Thematik in der Hauptverhandlung [ON 109 S 28 und 35]) einen Reinheitsgehalt von zumindest 20 % an (US 31 ff). Der von der Beschwerde relevierte und von den Tatrichtern auch berücksichtigte Umstand (US 34), dass Mirhad J***** mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Februar 2010, AZ 22 Hv 55/10b, der Überlassung von Suchtgift an den Angeklagten mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von (bloß) zumindest 13,2 % verurteilt wurde, spricht weder gegen diese Feststellungen noch verursachte er - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur -  eine formelle Mangelhaftigkeit ihrer Begründung.

Mit dem - aktenmäßig nicht konkretisierten - Hinweis auf Widersprüche zwischen der Aussage des Zeugen Kr***** und jener des Zeugen N***** gelingt es der Tatsachenrüge nicht (Z 5a), beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Zutreffend weist die Generalprokuratur darauf hin, dass der des Verbrechens des Suchgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (und § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannten Angeklagten Christiane E***** irrtümlich zu B./2./ des Spruchs ein Beitrag zu allen unter Punkt A./1./-17./ angeführten Taten des Alen C***** angelastet wurde. Denn Christiane E***** wurde somit auch des Beitrags (§ 12 dritter Fall StGB) an der Zurverfügungstellung von mehr als 250 g Heroin an sie selbst („im Zuge gemeinsamer Konsumationen“) schuldig erkannt (A./17./ des Schuldspruchs). Dieser Sachverhalt wäre aber als (mehrfaches) Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (Suchtgifterwerb bzw -besitz) nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (bei Vorliegen der privilegierenden, den Strafsatz reduzierenden Umstände nach § 27 Abs 2 SMG) und nicht als Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG in Form eines Beitrags zum unmittelbaren Täter zu ahnden gewesen (zur Subsidiarität der Beitragstäterschaft zur unmittelbaren Täterschaft vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 112).

Zu einer - von der Generalprokuratur angeregten - amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 StPO) sah sich der Oberste Gerichtshof dennoch nicht veranlasst: Die Angeklagte wurde lediglich wegen eines (einzigen, US 5) in Form einer tatbestandlichen Handlungseinheit (US 12 f; vgl RIS-Justiz RS0088096, RS0122006) begangenen Verbrechens nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG verurteilt. Der Wegfall der unter B./2./ iVm A./17./ beschriebenen Tathandlungen würde unter Rücksichtnahme auf die festgestellten Suchtgiftquanten, hinsichtlich derer sie zum Verkauf an Dritte beitrug (US 11 ff), weder die rechtliche Kategorie in Frage stellen noch eine - dann freizusprechende - Einzeltat (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 521, 577) betreffen, sondern nur zum Hinzutreten von weiteren Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (iVm § 27 Abs 2 SMG) führen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 21).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97232

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00164.10X.0504.000

Im RIS seit

20.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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