TE OGH 2011/5/4 15Os6/11p

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Veröffentlicht am 04.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ondrej B***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Oktober 2010, GZ 13 Hv 151/10x-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Privatbeteiligtenzusprüche enthaltenden Urteil wurde Ondrej B***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1./) sowie der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (2./) und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (3./) schuldig erkannt.

Danach hat er „am 23. Mai 2010 in Graz als unmittelbarer Täter im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter

1./ Dr. Werner S***** dadurch, dass er ihm ein Mittel verabreichte, wodurch dieser (zumindest) in einen einer Bewusstlosigkeit gleichzusetzenden Schlaf verfiel, sohin mit Gewalt gegen seine Person, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Taschenuhr, Schmuck und Bargeld im Gesamtwert von ca 33.000 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

2./ durch das Ansichbringen der im Zuge des zu Punkt 1./ geschilderten Angriffs erbeuteten Bankomatkarte für das Konto des Dr. Werner S***** bei der R***** sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, und

3./ Berechtigten der K*****, Filiale S*****, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in einem nicht näher bekannten Betrag im Zuge von erfolglosen Bankomatbehebungen mit der unter Punkt 2./ genannten Bankomatkarte mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** verfehlt ihr Ziel.

Soweit der uneingeschränkte Aufhebungsantrag auch die Schuldsprüche 2./ und 3./ erfasst, ist auf die Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen, weil der Nichtigkeitswerber insofern weder bei der Anmeldung noch im Rahmen der Ausführung der Beschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnete (§ 285 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285a Z 2 StPO).

Die Mängelrüge (Z 5; der Sache nach Z 10) ignoriert mit der Behauptung, es sei nicht festgestellt worden, wer dem Tatopfer das Glas gab, worin sich mit einer betäubenden bzw berauschenden Substanz angereichertes Wasser befand, die Konstatierung, dass die beiden Täter (der Angeklagte und der abgesondert verfolgte Mittäter) dies in Umsetzung ihres auf Begehung eines Raubes gerichteten Vorhabens gemeinsam taten (US 4).

Mit der Kritik, es sei nicht durch Feststellungen geklärt, wer von ihnen beiden - der Angeklagte oder sein Cousin - die betäubende bzw berauschende Substanz ins Wasser gegeben hatte, wird angesichts ihres Handelns im bewussten und gewollten Zusammenwirken (vgl US 2 iVm US 4) keine entscheidende Tatsache angesprochen. Den Umstand, dass dem, dem Opfer zum Trinken verabreichten Wasser eine betäubende bzw berauschende Substanz beigemengt worden war, stellten die Tatrichter - der Beschwerde (nominell Z 5, der Sache erneut Z 10) zuwider - sehr wohl fest (US 4).

Der Einwand, Konstatierungen zur Dosierung des eingesetzten (Betäubungs- bzw Berauschungs-)Mittels seien unterlassen worden (der Sache nach Z 10), betrifft gleichfalls keine entscheidende Tatsache. Denn allein maßgeblich ist insoweit nur der Umstand, dass die verabreichte Substanz die vom Angeklagten beabsichtigte Wirkung tatsächlich hervorrief; auf die konkrete Zusammensetzung des eingesetzten Mittels kommt es dabei ebenso wenig an wie auf dessen Dosierung (vgl 13 Os 69/93). Dass Gewalt (iSd § 142 Abs 1 StGB) durch den Einsatz betäubender oder berauschender Mittel ausgeübt werden kann, ist gesicherte Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0093295, RS0120379; Eder-Rieder in WK² § 142 [2006] Rz 22; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 142 RN 16).

Der weiteren Rüge zuwider ist den Urteilsannahmen (US 4) klar zu entnehmen, dass auch das Handeln des Nichtigkeitswerbers kausal dafür war, dass das Opfer in einen die Bewusstlosigkeit gleichzusetzenden Schlafzustand verfiel.

Die Behauptung (nominell Z 5, der Sache nach wiederum Z 10), es würde die Feststellung fehlen, „welche 'Art der Gewalt' und wiederum von wem gedanklich beschlossen wurde“, ist mit Blick auf die diesbezüglichen tatrichterlichen Ausführungen zur gemeinsamen Tatausführung und zu der durch die verabreichte(n) Substanz(en) verursachte Wirkung (insbesondere US 4 und 8 ff) nicht nachvollziehbar.

Das Vorbringen (Z 5), die „in diesem Zusammenhang“ (gemeint ist die Verabreichung einer betäubenden bzw berauschenden Substanz) getroffenen Feststellungen beruhten nur „auf einer einzigen objektivierten Tatsache, nämlich der Entwendung der Bankomatkarte“, „sonst aber ausschließlich auf Mutmaßungen Dris. S*****“, vielmehr habe das Gericht „ausgehend von einem Taterfolg (= Wegnahme der Bankomatkarte) ohne Beweise spekulativ und exzessiv (= Verabreichung von Betäubungsmitteln) einen kompletten Tathergang konstruiert“, zeigt keinen Begründungsfehler auf, sondern bekämpft im Ergebnis nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die erstrichterliche Beweiswürdigung.

Mit Blick auf das konstatierte bewusste und gewollte Zusammenwirken des Nichtigkeitswerbers mit seinem Begleiter betreffen die problematisierten Themenbereiche, „wer welchen Gegenstand mit welchem Gedanken“ weggenommen, wer von den beiden „den angeblich in der Geldbörse vorhandenen Geldbetrag“ an sich genommen und wer den Tresor geöffnet hat, keine entscheidenden Umstände (vgl Fabrizy in WK² § 12 Rz 26).

Der auf ein Detail der Aussage des Zeugen Dr. S***** (wonach das ihm verabreichte Wasser „klar und unauffällig“ gewesen sei) verweisenden Rüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider liegt ein Begründungsmangel nicht schon deshalb vor, weil nicht der vollständige Inhalt der Angaben des genannten Zeugen im Einzelnen erörtert und darauf untersucht wurde, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen. Das Erstgericht musste sich - entsprechend dem Gedrängtheitsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO - nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0098377; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Schließlich sind die Tatrichter von einer unbekannten Substanz (US 4 iVm US 9) und nicht von bestimmten Beruhigungsmitteln ausgegangen, von denen der Sachverständige berichtete, sie verursachten mitunter einen Bodensatz (US 8).

Der weiteren Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider wurden die Konstatierungen, dass der Angeklagte und sein Begleiter Schmuckstücke im Wert von 32.600 Euro raubten, mit Bezugnahme auf die - nach einer kritischen Gesamtschau für glaubwürdig befundenen (vgl insbesondere US 5 [unten] und 11) - Angaben des Zeugen Dr. S***** im Einklang mit den Gesetzen logischen Denkens sowie grundsätzlichen Erfahrungssätzen und somit zureichend begründet. Mit Hinweisen auf mitberücksichtigte Widersprüche in den Angaben des genannten Zeugen, dessen Geldschwierigkeiten und den Umstand, dass er aufgrund des Raubes in den Genuss einer Versicherungsleistung kommt, wird letztlich - wiederum unzulässig - die tatrichterliche Beweiswürdigung kritisiert.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen (wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt), sind vom Obersten Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen zu beantworten, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470 ff und 490).

Die vorliegende Tatsachenrüge vermag mit der Anspielung auf die „derzeit schwierige Situation des Zeugen Dr. S*****“, mit den Hinweisen darauf, dass dieser - eine homosexuelle Beziehung mit dem Angeklagten in Abrede stellend - in den späten Nachtstunden ein einschlägiges Lokal in Wien aufsuchte und dort auch „harte Getränke“ zu sich nahm, mit der spekulativen Behauptung, dass der Angeklagte schon früher die Möglichkeit gehabt hätte, Dr. S***** etwas wegzunehmen und der Überlegung, dass „die einwandfrei nachvollziehbare Schilderung des Angeklagten bei lebensnaher Betrachtung wesentlich plausibler und glaubwürdiger erscheine“ als die teils widersprüchlichen Angaben des Tatopfers, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Letztlich bezweifelt die Tatsachenrüge bloß die vom Erstgericht ausdrücklich bejahte Glaubwürdigkeit dieses Zeugen, was als kritisch-psychologischer Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung einer Anfechtung nach Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099419).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Über die Berufung des Angeklagten wird demnach gemäß § 285i StPO das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97248

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00006.11P.0504.000

Im RIS seit

23.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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