TE OGH 2011/5/4 15Os160/10h

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Veröffentlicht am 04.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Geza K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 8. September 2010, GZ 4 Hv 80/10i-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Geza K***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II./) und des Verbrechens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 2 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 11. April 2010 in Fernitz

I./ versucht, seine Exgattin Ileana K***** zu töten, indem er die Erdgasleitung im Keller des Wohnhauses ***** ansägte, Gas ausströmen ließ und sodann versuchte, Ileana K***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, im Keller sei es zu einem Wasserschaden gekommen, in den Keller zu locken, in weiterer Folge durch Ergreifen am Rücken und am Nacken gewaltsam die Kellertreppe hinunter zu werfen und - als auch dies aufgrund ihrer Gegenwehr misslang - durch die Äußerung, sie solle sofort in den Keller kommen, weil er sonst das Haus mit ihr und den Kindern in die Luft sprenge, dazu zu nötigen, in den Keller zu kommen, wo er unmittelbar darauf die mit Erdgas angereicherte Luft entzündet hätte, was eine für alle im Haus Anwesenden tödliche Gasexplosion zur Folge haben sollte, wobei der Versuch fehlschlug, weil Ileana K***** rechtzeitig Verdacht schöpfte und nach erfolgreicher Gegenwehr mit drei Kindern aus dem Haus fliehen konnte,

II./ versucht, Ileana K***** durch die zu Punkt I./ angeführten Handlungen, sohin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit ihrem Tod sowie dem Tod der unter ihrer Fürsorge bzw Obhut stehenden Kinder und mit einer Verletzung am Vermögen, zu einer Handlung, und zwar dazu, zu ihm in den Keller zu kommen, zu nötigen,

III./ eine fremde Sache, und zwar das zu Punkt I./ angeführte, im Hälfteeigentum der Ileana K***** stehende Wohnhaus durch Entzünden des im Kellergewölbe entstandenen Gas-Luftgemisches, welches eine Gasexplosion zur Folge hatte, beschädigt, wobei er durch die Tat am Haus einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte.

Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellten Hauptfragen 1, 4 und 5 bejaht, die Beantwortung der zur Hauptfrage 1 gestellte Eventualfrage 1 (nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB) konnte demgemäß entfallen, die Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch gemäß § 16 Abs 1 StGB wurde von den Geschworenen verneint.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche zu I./ und III./ wendet sich die ausschließlich auf Z 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.

Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 10a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten, intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Die Tatsachenrüge will demnach nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583; RS0118780).

Zu Faktum I./ bestreitet die Tatsachenrüge das Vorliegen der inneren Tatseite, indem sie auf - selektiv wiedergegebene - Teile der Aussage des psychiatrischen Sachverständigen verweist. Die dort niedergelegten Mutmaßungen und Einschätzungen über die „primäre Intention“ des Angeklagten, seine Gattin unter Druck zu setzen, und die eigenständigen Erwägungen der Rüge zur Frage des Zeitpunkts, in dem der Tatentschluss gefallen sein könnte, erwecken - schon im Hinblick auf die weitere Aussage des Sachverständigen, die Frage des Vorliegens eines Vorsatzes müssten die Geschworenen beantworten (ON 64 S 61) - beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Gleiches gilt für die Ausführungen zur Zusatzfrage, die unter Angabe einer Chronologie der Ereignisse darzustellen trachtet, dass der Angeklagte die Tatverwirklichung freiwillig aufgegeben habe (§ 16 Abs 1 StGB). Auch damit gelingt es der Beschwerde nicht, eine geradezu lebensfremde Beweiswürdigung der Geschworenen aufzuzeigen.

Zu Schuldspruch III./ bekämpft die Beschwerde die Annahme eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens unter Hinweis auf Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen für Bauwesen DI Peter S***** und des Zeugen Martin H*****. Diese vermögen keine erheblichen Bedenken zu erwecken, zumal der Sachverständige sein ursprüngliches, von der Verteidigung kritisiertes Gutachten ergänzt und schließlich eine Sanierungsmöglichkeit mit einem Betrag von 50.000 Euro oder weniger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen hatte (ON 64 S 74 f, 79) und auch der zitierte Zeuge nichts Gegenteiliges angeben konnte (ON 64 S 41).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Das handschriftliche, nicht von einem Verteidiger unterfertigte Schreiben des Angeklagten vom 16. November 2010, mit dem er unter dem Titel „Nichtigkeitsbeschwerde“ den Schuldspruch kritisiert, war ebenso wie die Folgeeingaben unbeachtlich, kennt die Strafprozessordnung doch nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6).

Die Entscheidung über die Berufung kommt demgemäß dem Oberlandesgericht Graz zu (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97231

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00160.10H.0504.000

Im RIS seit

20.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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