TE OGH 2011/5/5 2Ob18/11b

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2011
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas König und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Elisabeth R*****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Feix, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 112.455,31 EUR sA (Revisionsinteresse 56.455,31 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. November 2010, GZ 2 R 184/10s-62, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. Juni 2010, GZ 11 Cg 67/08p-55, teilweise aufgehoben und teilweise als Teilurteil bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Im bestätigenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteils wird die Wendung „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ als nichtig aufgehoben.

Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur gesetzmäßigen Durchführung des Berichtigungsverfahrens zurückverwiesen.

2. Im Übrigen, somit hinsichtlich des Zuspruchs von 56.455,31 EUR samt 12 % Zinsen seit 19. 4. 2006, wird die Revision zurückgewiesen.

3. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verurteilte im ersten Spruchpunkt die Beklagte zur Bezahlung von 56.000 EUR samt Staffelzinsen zur ungeteilten Hand mit dem vormals Erstbeklagten Karl R*****. Im zweiten Spruchpunkt verurteilte es die Beklagte (allein) zur Zahlung von 56.455,31 EUR samt 12 % Zinsen seit 19. 4. 2006.

Mit Beschluss vom 12. 7. 2010 berichtigte das Erstgericht sein Urteil im ersten Spruchpunkt dahingehend, dass es bei den gestaffelten Zinsen jeweils die Wendung „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ einfügte.

In der Folge beantragte die Klägerin die Berichtigung des Urteilsspruchs in beiden Spruchpunkten dahingehend, dass dort der Zinsenzuspruch jeweils „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ zuerkannt werde. Dieser Berichtigungsantrag wurde dem Beklagtenvertreter zugestellt.

Mit Beschluss vom 4. 8. 2010 berichtigte das Erstgericht sein Urteil nunmehr auch im zweiten Spruchpunkt dahingehend, dass es nach den Worten „samt 12 % Zinsen“ die Wendung „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ einfügte und die Beklagte zur Zahlung der Kosten des Berichtigungsantrags in Höhe von 179,20 EUR verpflichtete. Dieser Berichtigungsbeschluss wurde dem Klagevertreter und dem Vertreter des vormals Erstbeklagten, nicht aber dem Vertreter der nunmehr allein Beklagten zugestellt.

Dass die berichtigte Urteilsausfertigung des erstgerichtlichen Urteils den Parteienvertretern zugestellt worden wäre, ist nicht aktenkundig.

In ihrer Berufung brachte die Beklagte vor, weder der Beklagten noch ihrem Vertreter sei ein Beschluss über den Urteilsberichtigungsantrag der Klägerin zugestellt worden. Es werde daher das erstgerichtliche Urteil in der Fassung ohne allfällige Urteilsberichtigung angefochten, zumal das Urteil mangels Zustellung eines Urteilsberichtigungsbeschlusses an die Beklagte ihr gegenüber ja noch in der Fassung vom 24. 6. 2010 wirksam sei. Solange der Beklagten ein allfälliger dem Berichtigungsantrag der Klägerin Folge gebender Beschluss des Erstgerichts nicht vorliege, sei für diese offenkundig, dass das Erstgericht dem Begehren der Klägerin auf Kapitalisierung der Zinsen nicht Folge geben, sondern dieses Begehren abweisen habe wollen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung dahingehend teilweise Folge, dass es den Zuspruch von 56.000 EUR samt Zinsen „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ aufhob und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Im Übrigen sprach das Berufungsgericht im Spruch aus, dass das Urteil des Erstgerichts im Zuspruch von 56.455,31 EUR samt 12 % Zinsen p.a. bei vierteljährlicher Kapitalisierung seit 19. 4. 2006 als Teilurteil bestätigt werde. Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu und sprach auch nicht aus, dass gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Rechtsmittelverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Teilurteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei, der vom Obersten Gerichtshof die Revisionsbeantwortung freigestellt wurde, hat eine solche nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist hinsichtlich der Wendung „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ zulässig und berechtigt, im Übrigen unzulässig.

Die Revisionswerberin bringt vor, solange ihr der Berichtigungsbeschluss nicht zugestellt worden sei, könne er auch ihr gegenüber nicht in Rechtskraft erwachsen. Damit sei im Berufungsverfahren immer noch von einem unberichtigten Urteil auszugehen. Die Zustellung des berichtigten Urteils löse eine neue Rechtsmittelfrist aus. Dies setze voraus, dass der Berichtigungsbeschluss an die Parteien zugestellt werde und in Rechtskraft erwachse. Unterstelle man, dass das Erstgericht über den Berichtigungsantrag der Klägerin bereits entschieden habe, liege eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vor.

Diese Rechtsansicht der Beklagten ist hinsichtlich des sich aus der Einfügung der Wendung „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ ergebenden Mehrzuspruchs laut dem Berichtigungsbeschluss des Erstgerichts vom 4. 8. 2010 und laut dem Urteil des Berufungsgerichts zutreffend, nicht jedoch hinsichtlich des Zuspruchs laut dem unberichtigten erstgerichtlichen Urteil.

War aus der noch unberichtigten Urteilsausfertigung nicht erkennbar, in welcher Höhe, ab welchem Zeitpunkt und aus welchem Betrag dem Kläger Zinsen gebühren, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung (RIS-Justiz RS0041797 [T7]). Auch im vorliegenden Fall war für die Beklagte nicht gewiss, in welche Richtung die Berichtigung erfolgen werde. Durch die unterlassene Zustellung des Berichtigungsbeschlusses und des berichtigten erstgerichtlichen Urteils an die Beklagte sind der Berichtigungsbeschluss und das berichtigte Urteil des Erstgerichts noch nicht in Rechtskraft erwachsen und wurde im Umfang der Berichtigung das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt. Das berufungsgerichtliche Urteil ist daher, soweit es die Zinsen „bei vierteljährlicher Kapitalisierung“ zuspricht, gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig.

Insoweit das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil im unberichtigten Umfang bestätigt hat, liegt jedoch keine Nichtigkeit vor; diesbezüglich war der Beklagten in keiner Hinsicht das rechtliche Gehör verletzt, weshalb die Revision, die gegen den Kapitalbetrag und das Zinsenbegehren laut ursprünglichem unberichtigtem Urteil des Erstgerichts nichts ins Treffen führt, zurückzuweisen war.

Das Erstgericht wird das Berichtigungsverfahren gesetzmäßig durchführen müssen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 40, 43 Abs 2 ZPO. Die Beklagte war nur mit einem äußerst geringfügigen Teil ihrer Revision erfolgreich, sodass die Klägerin kostenersatzberechtigt wäre, die aber mangels Erstattung einer Revisionsbeantwortung keine Kosten hatte.

Textnummer

E97263

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00018.11B.0505.000

Im RIS seit

23.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten