Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** A*****, vertreten durch Suppan & Spiegl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer Frauenberger Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 30.100 EUR),über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2011, GZ 5 R 224/10p-10, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12. Oktober 2010, GZ 41 Cg 86/10w-5, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.680,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 280,14 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Beamter bei der Sicherheitsdirektion Niederösterreich, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Zu seinen Aufgaben gehören die Auseinandersetzung mit Extremismus, Waffen, Sprengstoff und Spionage sowie Personenschutz, Objektschutz und Observation.
Die Beklagte veröffentlichte auf ihrer Website einen Bericht zu Aussagen zweier „Skinheads“ vor der Dienststelle des Klägers. Diesen Bericht illustrierte sie mit einem Foto, das den Kläger von der Seite mit abgewandtem Gesicht zeigte. Den Namen des Klägers nannte sie nicht; auch sonst fehlte im Bericht jede Erläuterung des weder Skinheads noch eine Verhörsituation zeigenden Lichtbilds.
Der Kläger beantragt, der Beklagten nach § 78 UrhG zu untersagen, ihn darstellende Lichtbilder ohne seine Zustimmung „im Zusammenhang mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit“ zu verbreiten. Zu seinen Aufgaben gehörten auch verdeckte Ermittlungen, die durch die Veröffentlichung des Lichtbilds gefährdet würden. Dies begründe nach 4 Ob 172/00y (= MR 2000, 303 [Korn] - Polizeibeamter) einen Unterlassungsanspruch nach § 78 UrhG.
Die Beklagte hält dem entgegen, dass der Kläger auf dem Lichtbild wegen dessen geringer Größe und seiner abgewandten Körperhaltung nicht erkennbar sei. Auch der Artikel selbst trage nicht zur Identifizierung bei. Zudem seien Ansprüche nach § 78 UrhG auch bei Erkennbarkeit nach den Wertungen des Medienrechts zu verneinen. Soweit sich aus 4 Ob 172/00y anderes ergebe, sei diese Entscheidung verfehlt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Kläger sei auf dem Bild nicht (sicher) erkennbar; zudem werde er weder bloßgestellt noch in seiner Privatsphäre verletzt. Das Bild sei nicht bei einem geheimen (verdeckten) Einsatz aufgenommen worden.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es nahm ebenfalls an, dass der Kläger auf dem Lichtbild wegen des abgewandten Gesichts und des Fehlens eines typischen Haarschnitts oder einer typischen Körperhaltung nicht erkennbar gewesen sei. Auch der Begleittext lasse keine Identifizierung zu; mangels ausdrücklicher Erläuterung und erkennbaren Zusammenhangs entstehe eher der Eindruck einer unpassenden, versehentlich gewählten Illustration. Zudem wäre die Bildnisveröffentlichung auch bei Erkennbarkeit des Klägers zulässig gewesen. Denn das Lichtbild sei weder entstellend, noch zeige es Ereignisse aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich. Der Einsatz, bei dem es aufgenommen worden sei, sei weder geheim noch verdeckt gewesen; ein unwahrer Begleittext liege nicht vor. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, dass der Oberste Gerichtshof in 4 Ob 172/00y bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt eine Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten angenommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Berechtigte Interessen iSv § 78 UrhG können nur verletzt sein, wenn der Abgebildete für Personen, die ihn schon öfter gesehen haben, erkennbar ist (4 Ob 184/97f = SZ 70/183 - Ernestine K; 4 Ob 266/05d = MR 2006, 193 - Profi-Bodybuilder). Dafür ist zwar die Abbildung des Gesichts nicht unbedingt erforderlich, weil sich die Identität der abgebildeten Person auch aus anderen charakteristischen Merkmalen (vgl 4 Ob 266/05d) oder aus dem Begleittext ergeben kann (4 Ob 342/64 = SZ 37/148; RIS-Justiz RS0078020). Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht aber eingehend dargelegt, dass weder der unter dem Lichtbild stehende, darauf aber nicht Bezug nehmende Begleittext noch Besonderheiten im Aussehen des Klägers zu dessen Erkennbarkeit führten. Diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher - von einer hier nicht vorliegenden krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (4 Ob 266/05d).
2. Mangels Erkennbarkeit des Klägers scheidet eine Beeinträchtigung seiner berechtigten Interessen von vornherein aus. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung 4 Ob 172/00y (= MR 2000, 303 [Korn] - Polizeibeamter) mit der jüngeren Rechtsprechung zu § 78 UrhG (iVm Art 10 EMRK) vereinbar ist. Auch sonst zeigt der Kläger keine erheblichen Rechtsfragen auf. Sein Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
3. Die Beklagte hat in der Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Kläger hat ihr daher deren Kosten zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).
Schlagworte
Polizeibeamter II,Gewerblicher Rechtsschutz,UrheberrechtTextnummer
E97308European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00052.11T.0510.000Im RIS seit
27.05.2011Zuletzt aktualisiert am
09.11.2011