TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/22 2001/04/0034

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
AVG §38;
AVG §38a;
AVG §56;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der P Ges.m.b.H. in L, vertreten durch Dr. K und Dr. C, Rechtsanwälte in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 2000, Zl. VwSen- 550019/29/Gf/Km, betreffend Nachprüfungsverfahren nach dem O.ö. Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen "Beschluss" wurde das anhängige Verfahren - zur Vorgeschichte wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in den hg. Erkenntnissen vom 22. März 2000, Zl. 2000/04/0026, und vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0108, verwiesen - wie folgt abgesprochen:

"1.

Das Verfahren wird unterbrochen.

2.

Der Europäische Gerichtshof wird ersucht, folgende Rechtsfragen zu entscheiden:

              a)              Stellt die Regelung eines Mitgliedstaates, wonach auch das Gericht (die unabhängige Instanz) im Nachprüfungsverfahren von Amts wegen vorzugehen und den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmten hat, eine Verletzung des Art. 2 Abs. 8 letzter Satz erster Halbsatz oder Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der öffentlichen Liefer- und Bauaufträge dar?

              b)              Falls diese Frage verneint wird: Gebietet Art. 2 Abs. 8 letzter Satz erster Halbsatz der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der öffentlichen Liefer- und Bauaufträge eine Auslegung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften dahin, dass das Gericht (die unabhängig Instanz) ohne spezifische Behauptungen (und erst recht ohne entsprechende Beweismittelanträge) einer Verfahrenspartei von Amts wegen die Frage klärt, ob es sich bei der gegenständlichen Ausschreibung nicht um ein Einzel-, sondern bloß um ein Teilvorhaben handelt und - falls letzteres zu bejahen ist - ob das Gesamtvorhaben einen geschätzten Auftragswert von über 5 Mio Euro aufweist, oder verbietet sich eine derartige Sichtweise gerade deshalb, weil eine die Partei treffende Behauptungslast und Beweisanbotspflicht den wesentlichen Unterschied eines kontradiktorischen Verfahrens im Vergleich zum Inquisitionsprozess ausmacht?

              3.              Das Verfahren wird nach Vorliegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes fortgesetzt werden.

Rechtsgrundlage:

Art. 234 EGV; § 38a AVG."

     Gegen diesen "Beschluss" richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

     Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     Die beschwerdeführende Partei wendet sich zunächst dagegen,

dass entgegen der augenscheinlichen Rechtsauffassung der belangten Behörde § 38a AVG eine förmliche Aussetzung (Unterbrechung) des Verfahrens nicht vorsehe (Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren 13, Anm. 2 zu § 38a AVG). Dem vorliegenden Bescheid fehle es daher an einer gesetzlichen Grundlage; anders als nach § 38 AVG lasse der Gesetzgeber für den Fall der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens keine förmliche Aussetzung (Unterbrechung) des Verfahrens zu.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Auffassung der mangelnden gesetzlichen Grundlage nicht anzuschließen. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Beschlüsse vom 4. März 1999, Zl. 98/16/0166, vom 1. September 1999, Zl. 99/16/0279, und vom 24. November 1999, Zl. 99/03/0154) folgend, bildet nämlich die von der belangten Behörde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragestellung eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden ist. Da das entsprechende Verfahren beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gleichzeitig anhängig gemacht wurde, lagen die Voraussetzungen des § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte.

§ 38 AVG vermag somit die gegenständliche Aussetzung zu tragen. Die (wie hier) förmliche Mitteilung der Aussetzung des Verwaltungsverfahrens nach § 38 AVG ist ein Bescheid (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0041).

Die beschwerdeführende Partei macht weiters geltend, "dass auch die inhaltlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht gegeben sind", und führt dies näher aus. Auch damit vermag sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Im Hinblick auf die Verknüpfung der unter 1. des angefochtenen Bescheides verfügten "Unterbrechung" des Verfahrens mit der unter 2. des angefochtenen Bescheides zur Vorabentscheidung gestellten Fragen läuft nämlich das diesbezügliche Beschwerdevorbringen auf eine Bekämpfung der Antragstellung zur Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hinaus. Eine solche Bekämpfbarkeit ist jedoch im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlich angeordnete grundsätzliche Kompetenz des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, über die Vorlageberechtigung zu entscheiden,zu verneinen (vgl. OGH vom 9. Dezember 1996, 16 Ok 1/95; mit eingehender Begründung; zustimmend Frauenberger/Pfeiler, ecolex 1997, 173). Aus den gleichen Überlegungen fehlt es auch den Verfahrensrügen, die darauf aufbauen, dass die inhaltlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht vorgelegen seien (und der angefochtene Bescheid § 38a AVG nicht entspreche), an der rechtlichen Relevanz.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2001

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001040034.X00

Im RIS seit

31.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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