TE OGH 2011/5/11 3Ob28/11f

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Veröffentlicht am 11.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei A***** GmbH, *****9, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen zuletzt 21.145.432,81 EUR, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 22. November 2010, GZ 2 R 217/10m-39, mit dem der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16. September 2010, GZ 48 Cg 86/10x-30, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. September 2010, GZ 48 Cg 86/10x-33, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Sie hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein in § 29 KSchG genannter Verband, zu dessen statutarischen Aufgaben es zählt, Ansprüche aus Verbrauchergeschäften geltend zu machen, die die Verbraucher zum Zweck der klageweisen Geltendmachung abgetreten haben. Mit der gegenständlichen „Sammelklage nach österreichischem Recht“ macht er Schadenersatzansprüche von mehr als 1300 Anlegern (Verbraucher) wegen fehlerhafter Beratung durch die Beklagte bei der Veranlagung in bestimmte Wertpapiere unter Hinweis darauf geltend, sämtliche Verbraucher hätten ihre Ansprüche an den Kläger zur klageweisen Geltendmachung iSd § 502 Abs 5 Z 3 ZPO abgetreten (Inkassozession).

              Die Beklagte beantragt Klageabweisung und bestreitet ua die Aktivlegitimation wegen Sittenwidrigkeit der Abtretung an den Kläger aus verschiedenen Gründen. So sei die zwischen dem Kläger und einem Dritten (in Hinkunft: Prozessfinanzierer) geschlossene Vereinbarung zur Prozesskostenfinanzierung (in Hinkunft: Rahmenvereinbarung) als § 879 Abs 2 Z 2 ABGB widersprechend absolut nichtig; diese Nichtigkeit schlage auch auf die Abtretungen der Anleger auf den Kläger durch, was dem Kläger die Aktivlegitimation nehme. Diese fehle dem Kläger auch wegen einer Weiterzession der Ansprüche der Anleger an den Prozessfinanzierer. In diesem Zusammenhang wurde von der Beklagten „angeregt“, dem Kläger aufzutragen, die Rahmenvereinbarung vorzulegen (ON 2 S 46 ff [insb S 50]).

              Mit Beschluss vom 28. April 2010, ON 5, trug das Erstgericht dem Kläger ua die Vorlage der Rahmenvereinbarung unter Hinweis auf §§ 180 Abs 2 und 183 Abs 1 und 3 ZPO auf.

              Der Kläger legte dazu „im Bestreben, dem Gerichtsauftrag ON 5 bestmöglich zu entsprechen, andererseits jedoch auch die ihr obliegenden Pflichten puncto Wahrung von Geschäftsgeheimnissen der an der Rahmenvereinbarung beteiligten Personen und Wahrung der Interessen der vom Kläger vertretenen VerbraucherInnen nicht zu verletzen, einen Auszug aus der Rahmenvereinbarung“ zwischen dem Kläger, dem Prozessfinanzierer, der Kanzlei des Klagevertreters und dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (in Hinkunft: BMASK) vor (./B). Es gehe ja ausschließlich um die Überprüfung, ob der Kläger über die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der klagsgegenständlichen Ansprüche verfüge, oder diese durch Weiterzession verloren habe. Anders als in den Muster-Prozessfinanzierungsvereinbarungen des Prozessfinanzierers vorgesehen, habe hier keine Sicherungszession an diesen stattgefunden. Mutmaßungen der Beklagten über den Inhalt der Rahmenvereinbarungen zwischen den Geschädigten, dem Prozessfinanzierer und der Klägerin seien für das Verfahren irrelevant, soweit sie über die Behauptung der Weiterzession hinausgingen (ON 14 S 32/33; ON 15 S 16).

              Dem hielt die Beklagte ua entgegen, das Unterbleiben einer Weiterzession ändere nichts an der Sittenwidrigkeit der Gesamtkonstruktion der Sammelklage. Fakt bleibe, dass die Rahmenvereinbarung eine Vertragsgrundlage und einen Vertragsinhalt der Abtretungsvereinbarung zwischen den Anlegern und dem Kläger darstelle, der trotz Aufforderung durch das Gericht nicht vollständig vorgelegt werde (ON 16 S 23/24).

              Das Erstgericht trug dem Kläger in der Folge neuerlich ua die Vorlage der Rahmenvereinbarung gemäß § 183 ZPO auf und verwies in seiner Begründung auf die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 298 Abs 2 ZPO (ON 20).

Darauf stellte der Kläger den „Antrag i.S.d. § 298 Abs 2 ZPO (bzw. analog)“, das Gericht möge zur Rahmenvereinbarung anordnen, dass der Beklagten außer dem Eingang, dem Schluss, dem Datum und der Unterschrift nur diejenigen Stellen vorgewiesen werden, die für das den Gegenstand des Streits bildende Rechtsverhältnis von Belang seien und legte dazu - ausdrücklich nur zwecks Einsicht durch das Gericht, nicht jedoch durch die Beklagte - die Rahmenvereinbarung in zwei Versionen vor, die sich durch das Ausmaß der Abdeckung von Passagen unterschieden. Er beharrte aber auf dem Standpunkt, die Beklagte habe zur Rahmenvereinbarung keinen Anspruch darauf, mehr offen gelegt zu erhalten, als aus ./B ersichtlich sei und stellte den weiteren Antrag, der Beklagten keine weiteren Passagen (auch nicht im Weg der Akteneinsicht) zugänglich zu machen (ON 24).

Im Zug der Erörterung der Rechtslage in diesem Konnex in der Tagsatzung vom 14. September 2010 legte der Kläger eine vollständige Kopie der Rahmenvereinbarung dem Gericht vor und beantragte zugleich für den Fall, dass das Gericht von einer absoluten Nichtigkeit ausgehen sollte, nur die Teile weiter zu leiten, die es für entscheidungswesentlich erachte. Der über Punkt 4.9. hinausgehende Inhalt der Rahmenvereinbarung sei rechtlich irrelevant; weiters berief sich der Kläger auf das Geschäftsgeheimnis, auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht der Klagsvertreter und darauf, dass die Urkunde auch die Prozessstrategie des Klägers, die Art von Besicherungen und die Regelung des Anwaltshonorars des Klagsvertreters beinhalte, was nicht entscheidungsrelevant sei (zu ON 29 S 3 und 5).

Die Beklagte erwiderte ua, ein Berufen auf die anwaltliche Schweigepflicht sei nicht möglich und verwies darauf, der Kläger führe selbst aus, dass sich in der Rahmenvereinbarung auch Bestimmungen über die Verteilung von Aufgaben, Rechte und Pflichten sowie über die Entgeltlichkeit befänden, die für die Beurteilung eines allfälligen quota-litis-Verstoßes relevant seien.

Mit Beschluss vom 16. September 2010, ON 30, sprach das Erstgericht aus, die nicht geschwärzten Teile der dem Beschluss angeschlossenen und einen Teil dessen bildenden Rahmenvereinbarung seien derzeit für dieses Verfahren entscheidungswesentlich (Punkt 1.), gemäß § 298 Abs 2 ZPO per analogiam würden nur diese als entscheidungswesentlich erkannten Teile der vom Kläger vorgelegten Rahmenvereinbarung der Beklagten weitergeleitet und somit verfahrensgegenständlich (Punkt 2.); eine ungeschwärzte Kopie der vollständigen Rahmenvereinbarung sei dem Akt angeschlossen, unterliege jedoch nicht der Akteneinsicht (Punkt 3.). Nach § 298 Abs 2 ZPO könne der Beweisführer beantragen, dass das Gericht nach Einsicht von einer Urkunde, die sich auf verschiedene Rechtsverhältnisse beziehe, außer Eingang, Schluss, Datum und Unterschrift nur die für den Rechtsstreit wesentlichen Teile dem Gegner weiterleite. Beziehe sich eine Urkunde nur auf ein Rechtsverhältnis, sei § 298 Abs 2 ZPO zwar nicht unmittelbar anwendbar, es komme jedoch eine analoge Anwendung in Betracht, wenn der Teil der Urkunde, der nicht entscheidungserheblich sei, seinem Inhalt nach die Partei berechtigen würde, die Urkundenvorlage gemäß § 305 ZPO zu verweigern. In einem solchen Fall könne die Partei auch dann, wenn sich die Urkunde nur auf ein Rechtsverhältnis beziehe und in ihrem nicht streiterheblichen Inhalt die Vorlageverweigerung rechtfertigen würde, die Urkunde dem Gericht vorlegen und beantragen, dass dem Gegner nur eine Abschrift mit den in § 298 Abs 2 ZPO vorgesehenen Angaben zugänglich gemacht werde. Die sich im Zusammenhang mit dieser Urkunde stellenden Beweisfragen zum Thema der Nichtigkeit der Vereinbarung(en) würden einerseits die Abtretungen der Ansprüche an den V***** durch die Anleger betreffen, andererseits die Aufgaben- und Rollenverteilung der beteiligten Anleger, Kläger und Prozessfinanzierer, dabei insbesondere dessen Einflussmöglichkeiten auf den Prozess. Im Hinblick darauf, dass die bisherige Rechtsprechung von einer absoluten Wirkung der Nichtigkeit von quota-litis-Vereinbarungen ausgehe, könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass diesen Fragen Relevanz bei der Klärung der bestrittenen Aktivlegitimation des Klägers zukomme. Soweit die Urkunde diese Themen behandle sei sie somit entscheidungsrelevant und in diesem Umfang auch weiterzuleiten. Die nicht entscheidungswesentlichen und vom Verweigerungsrecht nach § 305 Z 4 (allenfalls Z 5) ZPO erfassten Teile der Urkunde, seien jedoch von der Weiterleitung auszunehmen. Im Hinblick darauf, dass die vorgelegte Urkunde detaillierte Angaben zu prozesstaktischen Plänen, konkrete Ausführungen zu Kostenschätzungen und Verteilungsschlüssel und Zielsetzungen der Vertragsteile beinhalte, seien die nicht entscheidungswesentlichen Vertragsbestimmungen als verweigerungsfähig anzuerkennen. Eine nähere Begründung der Qualifikation der ausgenommenen Klauseln als nicht entscheidungserheblich sei nicht möglich, da für eine solche deren Inhalt offengelegt werden müsste, was dem Sinn des Beschlusses widerspreche. Eine Kopie der vollständigen Urkunde sei zwar zum Akt zu nehmen, diese unterliege jedoch analog § 219 ZPO nicht der Akteneinsicht.

Den dagegen erhobenen Rekurs der Beklagten (und ebenso die dazu erstattete Rekursbeantwortung des Klägers) wies das Rekursgericht als unzulässig zurück. Gemäß § 319 Abs 1 ZPO sei gegen zufolge § 298 ZPO ergehende Beschlüsse ein Rechtsmittel nicht zulässig. Bei § 298 Abs 2 ZPO handle es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass dem Gericht und den Parteien die Einsicht in die ganze Urkunde gewährt werden müsse. Beziehe sich eine umfangreiche Urkunde nur auf ein Rechtsverhältnis, dann sei § 298 Abs 2 ZPO nicht unmittelbar anwendbar. Die vom Erstgericht angenommene Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 298 Abs 2 ZPO in diesem Fall werde von der Lehre bejaht; dem folge das Rekursgericht, weil sich der Kläger zu Teilen der Rahmenvereinbarung, auf die er in seinen Klagsbehauptungen nicht Bezug genommen habe, auf die Vorlageverweigerungsgründe des § 305 ZPO berufen könne. Andernfalls wäre der Kläger gezwungen, prozessrelevante Beweismittel nicht vorzulegen, nur um Nichtrelevantes vor einer Einsichtnahme durch den Gegner zu schützen, was nicht sachgerecht erscheine. Auch Anordnungen nach § 298 Abs 2 ZPO analog seien aber entsprechend § 319 Abs 1 ZPO unanfechtbar. Alle drei Spruchpunkte des angefochtenen Beschlusses seien als einheitliche Anordnung nach § 298 Abs 2 ZPO (analog) anzusehen. Diese Vorgangsweise stelle eine gesetzlich zulässige Umsetzung einer Anordnung nach § 298 Abs 2 ZPO (analog) dar. Auch Spruchpunkt 3. beruhe auf der Ausnahmebestimmung des § 298 Abs 2 ZPO, die einen (Spezial-)Fall des Rechts auf Akteneinsicht regle. Eine inhaltliche Behandlung des Rekurses sei daher nicht möglich.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob § 298 Abs 2 ZPO analog angewendet werden könne, wenn sich die Urkunde nur auf ein Rechtsverhältnis beziehe, vorliege.

Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs (RIS-Justiz RS0044501 [T18]) der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung dahin, die Rahmenvereinbarung uneingeschränkt der Beklagten weiterzuleiten und einsehen zu lassen, hilfsweise die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben, hilfsweise die Rekursentscheidung aufzuheben.

Der Kläger macht in seiner Revisionsrekursbeantwortung Unzulässigkeit des Rechtsmittels geltend und tritt den gegnerischen Argumenten auch inhaltlich entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es der Klarstellung zu den Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 298 Abs 2 ZPO bedarf, er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 298 Abs 1 ZPO sind Urkunden generell in der Weise vorzulegen, dass das Gericht und die Gegenpartei vom ganzen Inhalt der Urkunde Einsicht nehmen können. Es ist daher grundsätzlich Einsicht in die ganze Urkunde zu gewähren. Davon bestehen nach dem Gesetzeswortlaut zwei Ausnahmen:

Zum einen gestattet § 306 ZPO die Vorlage eines beglaubigten Auszugs einer Urkunde, wenn einer der im § 305 ZPO angeführten Gründe nur einzelne Teile des Inhalts der Urkunde betrifft. Daraus ergibt sich klar, dass diese Bestimmung nur bei bedingter Vorlagepflicht Anwendung finden kann. Sie stellt nicht darauf ab, ob relevante oder irrelevante Teile der Urkunde betroffen sind.

Zum anderen sieht § 298 Abs 2 ZPO für Urkunden vor, die sich auf verschiedene Rechtsverhältnisse beziehen, dass das Gericht, nachdem es vom ganzen Inhalt Einsicht genommen hat, auf Antrag anordnen kann, dass dem Gegner außer dem Eingang, dem Schluss, dem Datum und der Unterschrift nur jene Stellen vorgewiesen werden, die für das, den Gegenstand des Streits bildenden Rechtsverhältnisses von Belang sind. Diese Norm knüpft nicht an die absolute oder relative Vorlagepflicht an, sondern daran, ob der Inhalt der Urkunde nicht nur das streitgegenständliche Rechtsverhältnis betrifft und (deshalb) auch für die Entscheidung nicht relevante Passagen enthält. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung kann dem Gegner daher auch bei absoluter Vorlagepflicht die Einsicht in einen Teil einer Urkunde verweigert werden.

2. § 319 Abs 1 ZPO, den das Rekursgericht für den von ihm angenommenen Rechtsmittelausschluss ins Treffen führt, sieht vor, dass gegen die zufolge §§ 298, 299, 300, 301, 309 Abs 1 und 2, 310, 314 und 315 ergehenden gerichtlichen „Beschlüsse, Anordnungen und Aufträge“ ein Rechtsmittel nicht zulässig ist. Sofern also der Beschluss des Erstgerichts als Beschluss, Anordnung und/oder Auftrag nach § 298 ZPO zu qualifizieren wäre, müsste der Beklagten tatsächlich jede Rechtsmittellegitimation abgesprochen werden.

3. Der Kläger hat sich auch auf die unmittelbare Anwendung des § 298 Abs 2 ZPO berufen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die Rahmenvereinbarung nur das streitgegenständliche Rechtsverhältnis betrifft oder auch andere, nicht vom vorliegenden Streitgegenstand betroffene. Sie wurde zwischen dem Kläger, seiner anwaltlichen Vertretung, dem Prozessfinanzierer und dem BMASK geschlossen. Schon daraus ergibt sich, dass sie mehrere Rechtsverhältnisse regelt. Eines davon betrifft die Beziehung zumindest eines, allenfalls auch mehrerer Vertragspartner(s) zum BMASK. Dieses Rechtsverhältnis zum BMASK wurde aber weder vom Kläger zur Begründung des Klagsanspruchs noch von der Beklagten zur Untermauerung ihrer Einwendungen thematisiert, sodass es - nach dem derzeitigen Verfahrensstand - keinesfalls als streiterheblich anzusehen ist.

Damit liegen aber die Voraussetzungen für den unmittelbar von § 298 Abs 2 ZPO geregelten Fall vor, dass sich die Urkunde auf verschiedene Rechtsverhältnisse bezieht, von denen einzelne für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant sind. Das Erstgericht konnte daher nach Einsicht in die gesamte Urkunde über Antrag anordnen, dass der Beklagten außer Beginn und Ende der Urkunde, Datum und Unterschrift nur die relevanten Stellen zugänglich gemacht werden (vgl Kodek in Fasching/Konecny2 § 298 ZPO Rz 1 und 5). Der von den Vorinstanzen angenommenen nur analogen Anwendung dieser Bestimmung bedurfte es daher gar nicht.

4. Die Argumentation im Revisionsrekurs der Beklagten, die § 298 Abs 2 ZPO ohnehin als „in jeder Hinsicht sachgerecht“ bezeichnet, und sich vor allem gegen eine Ausweitung durch analoge Anwendung dieser Norm auf die Rahmenvereinbarung und dagegen wendet, der Kläger könne sich auf Gründe des § 305 ZPO berufen, geht daher über weite Strecken ins Leere. Einer näheren Auseinandersetzung damit bedarf es nicht.

5. Erfolglos muss auch der Versuch der Beklagten bleiben, dem in drei Punkte gegliederten Spruch die Qualifikation als einheitliche Anordnung nach § 298 Abs 2 ZPO abzusprechen. Punkt 1. stellt nämlich nichts anderes als eine in den Spruch aufgenommene Klarstellung dar, was das Erstgericht „derzeit“ als entscheidungswesentlichen Inhalt der Rahmenvereinbarung ansieht und deshalb gemäß Punkt 2. lesbar an die Beklagte weitergeleitet wird. Das entspricht zusammen der im § 298 Abs 2 ZPO vorgesehenen Anordnung, welche relevanten Stellen dem Gegner (hier also der Beklagten) vom Inhalt der Urkunde vorgewiesen werden.

Die weitere Anordnung im Punkt 3., die im Akt erliegende vollständige Kopie der Rahmenvereinbarung unterliege nicht der Akteneinsicht, stellt im Hinblick auf die - im § 298 Abs 2 ZPO verlangte - Vorlage der gesamten Urkunde an das Gericht eine notwendige Maßnahme dar, um sicherzustellen, dass dem Gegner tatsächlich nur die vom Erstgericht als entscheidungswesentlich erachteten Teile der Urkunde „vorgewiesen werden“; mit anderen Worten, um den Gegner effektiv von der Einsicht in die gesamte Urkunde auszuschließen. Daher ist die im § 298 Abs 2 ZPO vorgesehene Einschränkung der Einsichtnahme in bestimmte Urkunden als sondergesetzliche Regelung anzusehen, die die grundsätzlich als taxative Aufzählung zu verstehenden Beschränkungen der Akteneinsicht nach § 219 Abs 1 ZPO auch unter Bedachtnahme auf Art 6 MRK zulässig erweitert (vgl RIS-Justiz RS0110043; Schragel in Fasching/Konecny2 § 219 ZPO Rz 2).

Wenn also das Erstgericht spruchmäßig a) die nicht geschwärzten Teile einer von der einen Prozesspartei vorgelegten Urkunde als entscheidungswesentlich feststellt, b) nur diese Teile an die andere Prozesspartei weiterleitet und c) die ungeschwärzte vollständige Urkunde zum Akt nimmt, diese Urkunde aber von der Akteneinsicht ausschließt, handelt es sich um eine einheitliche Anordnung iSd § 298 Abs 2 ZPO, die gemäß § 319 Abs 1 ZPO unanfechtbar ist.

Auch dieser Spruchpunkt stellt demnach einen Teil der Anordnung nach § 298 Abs 2 ZPO dar.

6. Stellt somit der bekämpfte Beschluss des Erstgerichts in seiner Gesamtheit eine(n) Beschluss/Anordnung/Auftrag zufolge § 298 ZPO dar, greift der im § 319 Abs 1 ZPO vorgesehene Rechtsmittelausschluss. Daher kommt eine - über die Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung der Norm des § 298 Abs 2 ZPO hinausgehende - inhaltliche Auseinandersetzung damit, ob das Erstgericht (nur) für die Entscheidung unwesentliche Teile des Inhalts der Rahmenvereinbarung unkenntlich gemacht hat, nicht in Frage. Die Zurückweisung des Rekurses erweist sich daher als zutreffend.

7. Der Beschluss nach § 298 Abs 2 ZPO ist ein dem Beschluss über die Beweisaufnahme (§ 281 Abs 1 ZPO) vorgelagerter, verfahrensleitender Beschluss.

Das Rekursverfahren ist einseitig (§ 521a Abs 1 ZPO).

Die Einseitigkeit gilt auch im Revisionsrekursverfahren.

8. Die Entscheidung über die Kosten des erfolglosen Revisionsrekurses beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Textnummer

E97266

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00028.11F.0511.000

Im RIS seit

24.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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