Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 8. Februar 2007 verstorbenen Elfriede K*****, der Erstantragstellerin Herta B*****, vertreten durch Dr. Ingrid Köhler, Rechtsanwältin in Wien, und des Zweitantragstellers Jovan D*****, vertreten durch Mag. Reinhard Prugger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Erbrechts, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Zweitantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2011, GZ 42 R 542/10g-135, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 18. August 2010, GZ 23 A 9/07x-120, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die am 22. November 1922 geborene Elfriede K***** ist am 8. Februar 2007 verstorben. Ihre Schwester, die Erstantragstellerin, gab am 5. März 2007 aufgrund des gesetzlichen Erbrechts eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Der Zweitantragsteller gab am 30. März 2007 aufgrund eines Testaments vom 3. Dezember 2006 eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.
Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens ist ein Erbrechtsstreit nach §§ 161 ff AußStrG.
Das Erstgericht stellte das Erbrecht der Erstantragstellerin fest und wies die Erbantrittserklärung des Zweitantragsgegners ab. Die Erblasserin habe zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keinen freien Willen mehr bilden können.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es fasste die von ihm übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen dahin zusammen, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage war, die Tragweite einer Testamentserrichtung zu erkennen, dass eine freie und überlegte Willensbildung im Zustand der vollen Besonnenheit nicht gegeben war und dass eine freie Willensbildung aufgrund der Ausprägung des zerebralen Abbaus nicht mehr möglich war.
Rechtlich folgte es dem Standpunkt des Erstgerichts, dass in diesem Fall die Testierfähigkeit gefehlt habe.
In seinem wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Zweitantragsteller als erhebliche Rechtsfragen geltend,
a) nach den Feststellungen habe die Erblasserin zumindest über die kognitiven Fähigkeiten einer 14-jährigen verfügt, sodass richtigerweise von einer Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung auszugehen gewesen wäre;
b) der gesetzlichen Erbin sei der Beweis des Vorliegens einer hochgradigen Störung nicht gelungen;
c) die Vorinstanzen hätten unzulässigerweise die rechtliche Beurteilung des Sachverständigen als Feststellungen übernommen und seien deshalb zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangt; würden diese vermeintlichen Feststellungen richtigerweise unberücksichtigt bleiben, ergebe sich, dass allfällige Beeinträchtigungen der Erblasserin eine Testierfähigkeit nicht ausschlössen.
Rechtliche Beurteilung
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.
1. Unter welchen Voraussetzungen von der Testierunfähigkeit eines Erblassers auszugehen ist, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht rechtfertigen kann (RIS-Justiz RS0012408 [T2]). Eine solche Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
2. Es entspricht sowohl der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0012427; zuletzt 3 Ob 1/11k; siehe weiters die Nachweise bei Gruber/Sprohar-Heimlich/Scheuba in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge § 16 Rz 29 in Fn 72) als auch der herrschenden Lehre (zB Abraham, Der Begriff der Testierfähigkeit, NZ 1993, 25 [28]; Welser in Rummel3 §§ 566 - 569 ABGB Rz 4; Knechtel in ABGB-ON § 566 Rz 2), dass die Testierfähigkeit - im Sinne einer Richtschnur (6 Ob 129/05x) - (nur) dann zu bejahen ist, wenn zumindest die kognitiven und volitiven Fähigkeiten einer 14-jährigen Person vorliegen. Allerdings fehlt die Testierfähigkeit, wenn die Freiheit der Willensbildung zur Gänze aufgehoben ist (RIS-Justiz RS0012427).
Nach den vom Erstgericht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffenen und vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen war die freie Willensbildung der Erblasserin aufgrund der Ausprägung des zerebralen Abbaus infolge der Demenzerkrankung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr vorhanden. Auf dieser Grundlage ist die Verneinung der Testierfähigkeit nicht zu beanstanden. Überlegungen zur Beweislast erübrigen sich im Hinblick auf die eindeutigen Feststellungen.
3. Richtig ist, dass der Sachverständige nicht über die Rechtsfrage der Testierfähigkeit abzusprechen hat (RIS-Justiz RS0012400, RS0012408). Wie erwähnt liegen im vorliegenden Fall ausreichende Feststellungen vor, auf deren Grundlage die Frage der Testierfähigkeit beantwortet werden kann.
4. Da der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist er als unzulässig zurückzuweisen.
Textnummer
E97399European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00076.11I.0511.000Im RIS seit
07.06.2011Zuletzt aktualisiert am
16.04.2013