TE OGH 2011/5/11 3Ob48/11x

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Veröffentlicht am 11.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. C***** (C***** Inc.), *****, Japan, und 2. C***** GmbH, *****, beide vertreten durch ploil krepp boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Rechnungslegung und Urkundeneinsicht, Beteiligter (Revisionsrekursgegner) Mag. A*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 22. Dezember 2010, GZ 17 R 76/10p-118, womit infolge des Rekurses des Beteiligten der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 21. April 2010, GZ 10 E 7465/05f-114, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kosten der betreibenden Partei werden mit 1.280,66 EUR (darin 136,44 EUR Umsatzsteuer und 462 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Der Revisionsrekursgegner hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Aufgrund des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 15. September 2005, AZ 4 Ob 145/05k (= ÖBl 2006, 82 [Gamerith] = ecolex 2006, 588 [Schachter]) muss die verpflichtete Partei den betreibenden Parteien binnen 14 Tagen über die von ihr durch den Verkauf von zu Kopiergeräten einer bestimmten Marke gehörenden Geräten, Zubehör und Ersatzteilen, insbesondere Kopierer-Trommeln, -Toner und Cartridges, die nicht von den betreibenden Parteien selbst und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden sind, unter Verwendung einer bestimmten Marke erzielten Umsätze anhand von Einkaufs- und Verkaufsbelegen mit der Maßgabe Rechnung zu legen, dass die auf den Einkaufs- und Verkaufsbelegen aufscheinenden Lieferanten und Abnehmer unkenntlich gemacht werden und die Originale dieser Belege dem Sachverständigen offen zu legen sind.

Die verpflichtete Partei, eine GmbH, wurde am 14. Mai 1987 ins Handelsregister eingetragen. Von Anfang an ist Mag. A***** als alleiniger Geschäftsführer eingetragen; dieser ist - neben zwei weiteren Gesellschaftern - auch zu 25 % Gesellschafter der GmbH.

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2005 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei aufgrund des Urteils vom 15. September 2005 die Exekution nach § 354 EO. In der Folge wurden mit zahlreichen Beschlüssen - stufenweise gesteigert - Geldstrafen von zusammengerechnet mehr als 400.000 EUR über die verpflichtete Partei verhängt. Zuletzt wurde aufgrund des Strafantrags vom 24. Juli 2009 (ON 94) die mit Beschluss vom 15. Februar 2010 (ON 108) angedrohte Geldstrafe von 40.000 EUR verhängt; für den Fall weiteren Zuwiderhandelns wurde eine Geldstrafe von 45.000 EUR angedroht (ON 112).

Am 18. August 2009 war ein weiterer Strafantrag (ON 97) beim Erstgericht eingelangt, in dem die betreibenden Parteien vorbringen, die verpflichtete Partei sei nach wie vor ihrer Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen. Auch dem von den betreibenden Parteien ausgewählten Sachverständigen seien die zur Überprüfung der geschuldeten Rechnung erforderlichen, nicht anonymisierten Belege weder offen gelegt noch sei ihm mitgeteilt worden, wann und wo er diese Unterlagen prüfen könne. Angesichts der Hartnäckigkeit, die die verpflichtete Partei bei der Nichterfüllung ihrer Rechnungslegungspflicht an den Tag lege (selbst die Verhängung wirtschaftlich bedeutender Geldstrafen habe keine Änderung der Haltung der verpflichteten Partei herbeigeführt), erweise sich das Zwangsmittel der Geldstrafe als ungeeignet, weshalb beantragt werde, über den Geschäftsführer der verpflichteten Partei die Haft zu verhängen, eventualiter die zuletzt angedrohte Geldstrafe zu verhängen und für den Fall weiteren Zuwiderhandelns eine empfindlichere Geldstrafe anzudrohen.

Das Erstgericht bewilligte den Antrag mittels Stampiglienerledigung mit dem Beisatz: „Es wird die mit Beschluss vom 12.03.2010 angedrohte Geldstrafe von 45.000,00 EUR (fünfundvierzigtausend) verhängt und der verpflichteten Partei zur Zahlung binnen 14 Tagen auferlegt. Für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns wird die Verhängung der Haft in der Dauer von 14 Tagen über den Geschäftsführer der verpflichteten Partei Mag. A***** angedroht.“

Infolge Rekurses des Mag. A***** änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es über die verpflichtete Partei wegen des Zuwiderhandelns gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 15. September 2005 eine binnen 14 Tagen zu zahlende Geldstrafe von 45.000 EUR verhängte und für den Fall des weiteren Zuwiderhandelns eine Geldstrafe von 50.000 EUR androhte.

Der Geschäftsführer der verpflichteten Partei sei bereits durch die Androhung der Haft beschwert und somit rechtsmittellegitimiert. In Bezug auf die Verhängung von Strafen müsse die Exekution nach § 354 EO gleich behandelt werden wie die Exekution nach § 355 EO: Geldstrafen seien gegen die verpflichtete juristische Person, nicht gegen deren Organwalter zu verhängen. Bei juristischen Personen komme eine Haftstrafe schon begrifflich nicht in Betracht. Die Androhung und Verhängung einer Zwangsstrafe gegen den Geschäftsführer einer juristischen Person, gegen den selbst kein Titel bestehe, sei angesichts der Bestimmung des § 9 EO auch bei einer Exekution nach § 354 EO nicht zu rechtfertigen. Aus diesem Grund sei die im erstgerichtlichen Beschluss enthaltene Androhung einer Haftverhängung über den Rekurswerber durch die Androhung der Verhängung einer weiteren Geldstrafe gegenüber der verpflichteten Partei zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Klarstellung geboten sei, ob die Überlegungen zu § 355 EO in Bezug auf Zwangs- und Beugemittel auch für eine Exekution nach § 354 EO gelten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.

Der Geschäftsführer der verpflichteten Partei beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob bei der Exekution nach § 354 EO die Verhängung einer Beugehaft gegen den Geschäftsführer der verpflichteten GmbH in Betracht kommt, zulässig; er ist auch berechtigt.

Die Ausführungen des Revisionsrekurses lassen sich dahin zusammenfassen, dass beim Vollzug der Haft nicht Exekution gegen den Geschäftsführer der verpflichteten GmbH geführt werde, damit dieser eine fremde Verpflichtung erfülle; vielmehr solle an ihm ein Zwangsmittel vollzogen werden, das die Gesellschaft als verpflichtete Partei dazu veranlassen solle, ihre Verpflichtungen - durch das Handeln jener Person, die allein für sie agieren könne - zu erfüllen. Der organschaftliche Vertreter der juristischen Person repräsentierte in diesem Fall die juristische Person. Dagegen bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal es der organschaftliche Vertreter der juristischen Person in der Hand habe, die im Exekutionstitel genannte unvertretbare Leistung zu erbringen und das angedrohte Übel auf diese Weise zu verhüten. Der Geschäftsführer werde daher auch nicht für fremdes Verhalten haftbar gemacht. Im Übrigen würden, folgte man der Ansicht des Rekursgerichts, juristische Personen in unsachlicher Weise besser gestellt als natürliche Personen.

Der Revisionsrekursgegner erwidert, die höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach bei Exekutionen gegen eine juristische Person nach § 354 und nach § 355 EO nur Geldstrafen und keine Haftstrafen verhängt werden könnten, gefestigt sei. Anders sei die Frage dann zu beurteilen, wenn auch gegen den Geschäftsführer selbst ein Titel erwirkt worden wäre. Im Übrigen sei der titulierte Rechnungslegungsanspruch obsolet, weil die verpflichtete Partei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Markenrechte beeinträchtigt habe; die Exekutionsführung durch die betreibenden Parteien auf einen Rechnungslegungsanspruch, der schon dem Grunde nach nicht bestehe, sei schikanös. Angeregt wird (erneut) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zur Frage, ob der die verpflichtete Partei treffende Titel zu vollstrecken sei.

Dazu wurde erwogen:

1. Zutreffend hat das Rekursgericht die Rekurslegitimation des nunmehrigen Revisionsrekursgegners in Bezug auf den Beschluss, mit dem die Haft gegen ihn angedroht wurde, bejaht.

1.1. Zur Erhebung des Rekurses sind im Exekutionsverfahren neben den Parteien auch die Beteiligten (dazu Jakusch in Angst2 § 3 EO Rz 6) legitimiert, soweit ihnen das Rekursrecht ausdrücklich vom Gesetz eingeräumt wird oder die anzufechtende Entscheidung einen unmittelbaren Einfluss auf ihre Rechtsstellung hat (RIS-Justiz RS0110287 [T1], RS0002162 [T7]; Jakusch in Angst2 § 65 EO Rz 3).

1.2. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Verhängung der Haft gegen den Geschäftsführer der verpflichteten Partei, einer GmbH, einen unmittelbaren Einfluss auf seine Rechtsstellung hat, wird ihm doch damit zum Zweck der Durchsetzung privater Rechte mit staatlichem Zwang die persönliche Freiheit entzogen.

Aber bereits die Androhung der Haft kann von der davon betroffenen Person angefochten werden. Das Exekutionsgericht ist nämlich grundsätzlich an die rechtskräftige Androhung einer bestimmten Beugestrafe gebunden, soweit die Strafe im gesetzlich vorgesehenen Rahmen bleibt (vgl 3 Ob 88/95 = SZ 69/226 = RIS-Justiz RS0106432; siehe auch RIS-Justiz RS0004581).

1.3. Soweit aus § 361 Satz 1 EO abgeleitet wird, dass die Person, über die die Haft verhängt werden soll, vom Gericht zu hören ist (siehe dazu Oberhammer Verfassungsgesetzliche Schranken der Haft, ÖJZ 1994, 265 [272 f]), bezieht sich dies auf die Verhängung der Haft, nicht auf die Androhung.

1.4. Schon im Hinblick auf die unter 1.2. dargestellte Bindungswirkung ist die betreibende Partei beschwert, wenn die von ihr beantragte und vom Erstgericht verfügte Androhung der Haft im Rechtsmittelweg beseitigt wird. Die Entscheidung 3 Ob 19/73 (= RZ 1973/63, 51; RIS-Justiz RS0002146), wonach der betreibende Gläubiger nicht beschwert ist, wenn das Rekursgericht eine vom Erstgericht ausgesprochene Androhung der Haft abweist, ist zu § 355 EO ergangen; in diesem Fall ist die Verhängung einer Strafe nicht davon abhängig, dass sie vorher angedroht wurde (RIS-Justiz RS0004726, RS0004648, RS0004775).

2. Einwendungen gegen den gegen die verpflichtete Partei ergangenen Titel kann jedenfalls nicht deren Geschäftsführer im eigenen Namen erheben, weil er vom Titel nicht unmittelbar betroffen ist. Schon aus diesem Grund ist weder auf das darauf bezogene Vorbringen - insbesondere der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit der im rechtskräftigen Titelurteil auferlegten Verpflichtung (siehe EuGH C-405/03, Aquafresh, Slg 2005, I-8735) - noch auf die Anregung eines Vorabentscheidungsersuchens einzugehen.

3. Die Rechnungslegung ist eine unvertretbare Handlung und nach § 354 EO zu erzwingen (RIS-Justiz RS0004403 [T1]; Schumacher, Zur Exekution von Rechnungslegungsansprüchen, RdW 2007, 259), ebenso die Duldung einer Einsicht in Urkunden (RIS-Justiz RS0074250; vgl auch RIS-Justiz RS0125606 und RS0121364).

Während im Zuge einer Unterlassungsexekution nach § 355 EO zu verhängende Strafen willensbeugenden und repressiven Charakter haben (3 Ob 191/04s = SZ 2004/131; RIS-Justiz RS0010057 [T4]), haben gemäß § 354 EO zu vollziehende Geldstrafen und Haftstrafen nur einen auf die künftige Willensbeugung des Verpflichteten abzielenden Zweck (3 Ob 42/95 = SZ 68/83; RIS-Justiz RS0010057 [T1]).

4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung zu § 355 EO sind Geldstrafen gegen eine verpflichtete juristische Person über diese selbst und nicht über deren Organwalter zu verhängen (3 Ob 111/05b = JBl 2006, 120; RIS-Justiz RS0079250). Diese Rechtsprechung wird damit begründet, dass sich die Verhängung von Zwangsstrafen gegen Organwalter, gegen die kein Titel bestehe, angesichts der Bestimmung des § 9 EO nicht rechtfertigen lasse. Obwohl nicht verkannt werde, dass dadurch die Möglichkeiten der Durchsetzung von Exekutionstiteln nach § 355 EO gegenüber einer juristischen Person - wenn die Schaffung von Titeln gegen deren Organe ausscheidet - geringer seien und de facto der Wille der Organwalter gebeugt werden solle, bestehe doch angesichts der in § 359 Abs 1 EO idF EO-Nov 2000 vorgesehenen Höchstgrenze der Geldstrafe von 100.000 EUR je Antrag, die eine sehr effektive Zwangsmaßnahme darstelle, keine Veranlassung, neben der im Exekutionstitel als Schuldner bezeichneten Partei weitere, dort nicht genannte Personen in die Exekution nach § 355 EO einzubeziehen.

4.2. In der Entscheidung 3 Ob 111/05b ist der Oberste Gerichtshof auf die bereits dargestellten unterschiedlichen Funktionen der bei einer Exekutionsführung nach § 355 EO einerseits und einer Exekutionsführung nach § 354 EO andererseits zu verhängenden Geldstrafen (RIS-Justiz RS0010057 [T1]), eingegangen und hat darauf verwiesen, dass die in der Entscheidung 3 Ob 42/95 - im Rahmen einer Exekution nach § 354 EO - bejahte Möglichkeit einer Haftverhängung gegen den alleinigen Komplementär einer KG nicht auf die Unterlassungsexekution nach § 355 EO übertragbar sei.

5. In der Entscheidung 3 Ob 42/95 (= SZ 68/83 = JBl 1995, 734 = EvBl 1995/125 = ÖBl 1996, 48 = GesRZ 1996, 117) ging es im Wesentlichen darum, ob zur Durchsetzung der titelmäßigen Verpflichtung der KG, eine Bilanz vorzulegen, Einsicht in Bücher und Papiere zu gewähren etc, über den alleinigen Komplementär, eine natürliche Person, die Haft verhängt werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat sich eingehend mit der Frage befasst, ob der Haftverhängung bei einer Exekution nach § 354 EO verfassungsgesetzliche oder einfachgesetzliche Hindernisse entgegenstehen.

5.1. Verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie in der Lehre gegen den Haftvollzug am Organwalter einer juristischen Person geäußert wurden, wenn sich der Exekutionstitel nicht auch gegen diesen richtet (etwa Laurer, Der Grundsatz des fair trial [Art 6 MRK] in den von der Zivilprozeßordnung beherrschten Verfahrenssystemen, FS Adamovich [1992] 314; Rechberger/Oberhammer, Das Recht auf Mitwirkung im österreichischen Zivilverfahren im Lichte von Art 6 EMRK, ZZP 1993, 347; Oberhammer, Verfassungsgesetzliche Schranken der Haft, ÖJZ 1994, 265), wurden als nicht auf die Exekution nach § 354 EO übertragbar angesehen.

5.2. Die Rechtfertigung der Verhängung der Haft über den Organwalter einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft (OG, KG) wird darin gesehen, dass das Beugemittel der Haft am Organwalter, einer natürlichen Person, vollzogen werden soll, weil die verpflichtete Partei selbst nicht in Haft genommen werden kann. Bei Exekution gegen eine Gesellschaft existiert nach außen nur ein Wille, der schließlich durch Haft zu beugen ist, nämlich der des organschaftlichen Vertreters. Der Wille der Gesellschaft wird also (nach außen) durch den Willen ihres organschaftlichen Vertreters repräsentiert. Dieser tritt in seiner Repräsentantenfunktion - also nicht als Dritter - insoweit an die Stelle der Gesellschaft, weil diese nur Geldstrafen zahlen, aber nicht verhaftet werden kann. Es liegt auch allein am Vertreter, namens der Gesellschaft titelgemäß zu leisten und damit die sofortige Beendigung der weiteren Vollstreckung durch Haft herbeizuführen. Gesellschaften dürfen in Bezug auf die Exequierbarkeit eines gegen sie gerichteten, nach § 354 EO zu vollziehenden Titels nicht ohne erkennbare Notwendigkeit einer sachlichen Differenzierung anders als natürliche Personen behandelt werden (in diesem Sinne auch Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen [1974] 212).

Das Argument, gemäß der die Rechtsnachfolge regelnden Bestimmung des § 9 EO könne Exekution nur gegen den Titelschuldner geführt werden, wird abgelehnt, weil keine Exekution gegen den Organwalter geführt wird, damit er eine fremde Verpflichtung erfüllt, sondern es soll gegen ihn ein Zwangsmittel vollzogen werden, damit die Gesellschaft als verpflichtete Partei durch ein Handeln jener Person, die allein für sie handeln kann, erfüllt (Repräsentationsgedanke). Wird ein nur gegen die Gesellschaft bestehender Titel gemäß § 354 EO durch die Androhung und Verhängung der Beugehaft gegen den organschaftlichen Vertreter vollstreckt, so handelt es sich dabei also nicht um eine Exekution gegen eine andere als die im Vollstreckungstitel genannte Person.

Als nicht notwendig wird die vorherige Verhängung einer Geldstrafe gegen den Organwalter angesehen (siehe zu dieser Thematik auch Burgstaller, Beugestrafen zur Durchsetzung von Zivilurteilen, ÖJZ 2000, 134, der die Möglichkeit der Verhängung der Haftstrafe über die Organwalter juristischer Personen bejaht [143] und darüber hinaus für die Verhängung von Geldstrafen - auch - über die Organwalter eintritt [145]).

6. Klicka (in Angst2 § 354 Rz 21) stimmt der Möglichkeit der Haftverhängung gegen die Gesellschafter bei Personengesellschaften zu, weil über § 128 UGB ein ganz deutlicher Haftungsverbund zwischen Gesellschaftsverpflichtung und dem Dafür-Einstehen-Müssen des Gesellschafters hergestellt ist. In Bezug auf die Exekution nach § 355 EO geht er - in Fortsetzung der Entscheidung 3 Ob 111/05b = JBl 2006, 120 - davon aus, dass eine Verhängung hoher Geldstrafen effektive Wirkung hat; vermögenslose Titelschuldner würden sowieso auf mittlere Sicht infolge Insolvenz rechtlich eliminiert (wobei zu bemerken ist, dass § 355 Abs 1 EO die Höhe der Geldstrafen auch an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert, was - für sich allein genommen - bedeutet, dass gegen eine beinahe insolvente Gesellschaft eine niedrigere Strafe zu verhängen ist als gegen eine wirtschaftlich potente Gesellschaft).

Höllwerth (in Burgstaller/Deixler-Hübner [2. Lfg 2000] § 354 EO Rz 30; §§ 360 ff Rz 8) geht davon aus, dass die Haftverhängung gegen die Organwalter juristischer Personen zulässig ist, weil nur die Organe der Gesellschaft in der Lage sind, für die Erfüllung der ihr auferlegten Verpflichtung zu sorgen (siehe auch Höllwerth, Praxistipp zu 10 Ob 46/08z, EF-Z 2009, 31).

7. Für die hM in Deutschland ist - sowohl bei der Vollstreckung zur Erwirkung nicht vertretbarer Handlungen nach § 888 dZPO als auch bei der Erzwingung von Unterlassungen nach § 890 dZPO - mehr oder minder selbstverständlich, dass dann, wenn Titelschuldner eine juristische Person ist, die Ordnungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, auch wenn sich der Titel nicht gegen diesen richtet (siehe etwa Gruber in MünchKomm3 [2007] § 888 Rz 26, § 890 Rz 37; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht8 [2008] Rz 1088, 1106; Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckungsrecht [2010] § 888 Rz 35, § 890 Rz 59 f; Lackmann in Musielak, ZPO8 [2011] § 890 Rz 12; jeweils mwN).

8. Fraglich ist, ob die Haftverhängung dadurch vermieden werden kann, dass für die GmbH ein Notgeschäftsführer bestellt wird, der die geschuldete Handlung vornimmt. Diese Möglichkeit scheidet allerdings unter Bedachtnahme auf die von § 15a GmbHG normierten Vorausetzungen aus, weil weder ein vertretungsbefugter Geschäftsführer fehlt noch ein dringender Fall vorliegt.

9. Zusammengefasst kommt der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass die in der Entscheidung 3 Ob 42/95 = SZ 68/83 aufgestellten Grundsätze zur Verhängung der Beugehaft in gleicher Weise wie für die Personengesellschaft auch für die GmbH gelten. Dies wurde in dieser Entscheidung auch schon deutlich zum Ausdruck gebracht. Dagegen spricht auch nicht die Möglichkeit der GmbH-Gesellschafter, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen; gegebenenfalls müsste der Geschäftsführer, wenn er aufgrund einer Weisung nicht dafür Sorge tragen könnte, dass die titelmäßige Verpflichtung erfüllt wird und die Beugehaft vermeiden will, seine Funktion zurücklegen.

10. Die Vorinstanzen haben die verhängten Geldstrafen stufenweise verschärft; die Gesamtsumme der zum Zweck der Willensbeugung verhängten Geldstrafen hat ein beträchtliches Ausmaß erreicht, ohne dass die verpflichtete Partei Ambitionen gezeigt hätte, ihren Verpflichtungen aus dem Exekutionstitel nachzukommen. Angesichts der hartnäckigen Nichterfüllung der titelmäßigen Verpflichtung ist es daher nun gerechtfertigt, bereits vor dem Erreichen der höchstmöglichen Strafe von 100.000 EUR (§ 359 Abs 1 EO) dem Geschäftsführer der verpflichteten Partei die Haft anzudrohen.

Somit ist die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

11. Da sich die hier zu beurteilende Frage nach wie vor auf die Erfüllung der titelmäßigen Verpflichtung durch die verpflichtete Partei bezieht, sind die Kosten der betreibenden Partei im Rechtsmittelverfahren als weitere Exekutionskosten zu bestimmen (§ 74 Abs 1 Satz 1 EO).

Der Revisionsrekursgegner hätte als Beteiligter nur im Fall eines Obsiegens in einem Zwischenstreit Anspruch auf Ersatz seiner Kosten (Jakusch in Angst2 § 74 EO Rz 82). Da dies nicht der Fall ist, hat er die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Schlagworte

Canon IV,Exekutionsrecht

Textnummer

E97470

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00048.11X.0511.000

Im RIS seit

16.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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