TE OGH 2011/5/19 10Ra28/11b

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Veröffentlicht am 19.05.2011
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Ciresa als Vorsitzende, die Richterin des Oberlandesgerichtes Mag. Schredl und den Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Pöhlmann (Senat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. W***** B*****, *****, 2.) Ing. C***** B*****, *****, 3.) Ing. C***** E*****, *****, 4.)H***** G*****, *****, 5.)Dr. A***** S*****, *****, 6.) Dr. W***** B*****, *****, 7.) Dr. J***** G*****, *****, 8.) Mag. U***** H*****, *****, 9.) Mag. H***** H*****, *****, 10.) Dipl. Ing. G***** H*****, *****, 11.) Dr. E***** H*****, *****, 12.) Dr. G***** K*****, *****, 13.) Ing. H***** K*****, *****, 14.) L***** M*****, *****, 15.) Mag. W***** M*****, *****, 16.) Ing. I***** P*****, *****, 17.) Dr. H***** Z*****, *****, 18.) Dr. A***** Z*****, *****, 19.) Dr. E***** B*****, *****, *****, 20.) E***** G*****, *****, 21.) R***** H*****, *****, 22.) J***** N*****, *****, 23.) Ing. R***** S*****, *****, 24.) Dr. F***** T*****, *****, alle vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z***** P*****, *****, wegen Kosten, über den Kostenrekurs der klagenden Parteien (Rekursinteresse: EUR 692,94) gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.1.2011, 37 Cga 4/10v-8, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 692,94 (darin EUR 114,76 USt und EUR 4,40 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 151,34 (darin EUR 25,22 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Kläger betrieben – vertreten durch den Klagevertreter dieses Verfahrens – zu Aktenzeichen 18 E 5389/09k des Bezirksgerichts Favoriten einen Anspruch gegen S***** H*****. Die Beklagte als Drittschuldnerin wurde vom Gericht zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung aufgefordert. Sie leitete die entsprechenden Unterlagen an die Buchhaltungskanzlei F***** K***** weiter. Diese übermittelte am 22.3.2010 eine Drittschuldnererklärung sowohl an das Bezirksgericht Favoriten, als auch an den Klagevertreter.

Am 1.4.2010 beantragten die Kläger beim Bezirksgericht Favoriten – ebenfalls vertreten durch den Klagevertreter dieses Verfahrens – zu Aktenzeichen 18 E 1461/10i neuerlich die Gehaltsexekution gegen S***** H*****. Die Exekutionsbewilligung samt Aufforderung zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung wurde der Beklagten als Drittschuldnerin am 6.8.2010 zugestellt. Bereits am 6.7.2010 hatte die Buchhaltungskanzlei F***** K***** namens der Beklagten – unter Anführung der betreibenden Partei Dr. W***** B***** (des Erstklägers in diesem Verfahren), der Schuldnerin S***** H***** sowie des Aktenzeichens 18 E 5389/09k – dem Klagevertreter (und somit Betreibendenvertreter in beiden Exekutionsverfahren) eine Verständigung vom Bezugsende der Schuldnerin gemäß § 301 Abs 4 EO übermittelt, wonach „in der oben genannten Exekutionssache das der Pfändung der wiederkehrenden Forderung zugrunde liegende Rechtsverhältnis beendet wurde“.

Weitere Bekanntgaben an den Betreibendenvertreter oder das Exekutionsgericht durch die Beklagte im Zusammenhang mit den genannten Exekutionsverfahren sind nicht feststellbar.

Die klagenden Parteien begehrten von der Beklagten zunächst die Zahlung von EUR 1.450,-. Die Verpflichtete S***** H***** habe gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, die von den klagenden Parteien gepfändet worden seien. Die Beklagte als Drittschuldnerin habe in diesem Exekutionsverfahren keine Drittschuldneräußerung übermittelt.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren und wendet ein, dass sie die Unterlagen sowohl an ihren Steuerberater wie auch an das Exekutionsgericht weitergeleitet habe. Bereits am 6.7.2010 habe sie dem Klagevertreter mitgeteilt, dass das der Pfändung zugrundeliegende Rechtsverhältnis beendet worden sei. Ein pfändbares Einkommen habe nicht bestanden.

Aufgrund dieser Information schränkten die klagenden Parteien das Klagebegehren mit Schriftsatz vom 22.11.2010 (ON 5) auf Kosten ein.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das eingeschränkte Klagebegehren ab.

Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen folgerte es rechtlich, gemäß § 301 Abs 2 EO habe der Drittschuldner die Drittschuldnererklärung dem Exekutionsgericht und eine Abschrift dem betreibenden Gläubiger zu übersenden. Erfülle der Drittschuldner seine Pflichten schuldhaft nicht oder vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig, sei ihm trotz Obsiegens im Drittschuldnerprozess der Ersatz der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Abs 1 und Abs 2 des § 301 EO stünden in unmittelbarem Zusammenhang, die Pflichten nach Abs 1 könnte nur im Wege des Abs 2 erfüllt werden, sodass auch das Unterlassen der Übersendung einer Abschrift der Drittschuldnererklärung an den betreibenden Gläubiger die Kostenfolgen des § 301 Abs 3 EO nach sich ziehen. Dies gelte jedoch mit der Einschränkung, dass allein der Umstand, dass gegenüber dem Gericht eine Erklärung nicht abgegeben worden sei, für den Drittschuldner nicht zu Kostenfolgen führe. Der Drittschuldner solle nur dann kostenpflichtig werden, wenn er im weiteren Sinn die Klage veranlasst habe und dem betreibenden Gläubiger aufgrund der Verletzung von Pflichten durch den Drittschuldner nur der Weg der Klage übrig bleibe. Dies treffe auch auf den vorliegenden Fall zu. Es sei zwar richtig, dass die Beklagte im Verfahren 18 E 1461/10i ihren Verpflichtungen nach § 301 Abs 1 und 2 EO nicht nachgekommen sei, sie habe jedoch dem Betreibendenvertreter nach Einbringung des neuen Exekutionsantrags und vor Einbringung der Klage-wenn auch unter Anführung des Aktenzeichens des Vorverfahrens 18 E 5389/09k, in dem allerdings die Parteien ident gewesen sein-mitgeteilt, dass das Rechtsverhältnis mit der Verpflichteten beendet worden sei. Trotz ihres Verstoßes gegen § 301 Abs 1 und 2 EO habe die Beklagte die Klagsführung daher nicht veranlasst, weil die Kläger über die notwendigen Informationen verfügt hätten. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich der Kostenrekurs der klagenden Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass der beklagten Partei der Ersatz der Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens auferlegt werde.

Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Rekurswerber machen geltend, dass die Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung auch dann nicht erfüllt sei, wenn der betreibenden Partei eine Drittschuldnererklärung aus einem anderen Exekutionsverfahren gesendet werde, weil ein Anspruch auf Äußerung jeweils im konkreten Verfahren bestehe. Es könne ein Gläubiger gegenüber einem Verpflichteten mehrere Forderungen haben und daher die Abgabe einer Erklärung in einem Verfahren nicht automatisch einem anderen Verfahren zuordenbar sein; auch könne es vorkommen, dass keine endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur eine vorübergehende Unterbrechung vorliege. Mit Zustellung der zweiten Gehaltsexekution rund einen Monat nach Übermittlung der Austrittsanzeige wäre die beklagte Partei daher zur Abgabe einer neuen Drittschuldnererklärung verpflichtet gewesen.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 301 Abs 1 EO hat der Drittschuldner eine Drittschuldnererklärung abzugeben, die verschiedene, genau genannte Punkte zu enthalten hat. Nach Abs 2 dieser Bestimmung hat der Drittschuldner seine Erklärung dem Exekutionsgericht und eine Abschrift davon dem betreibenden Gläubiger zu übersenden. Hat der Drittschuldner seine Pflicht nach Abs 1 schuldhaft nicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig erfüllt, so ist ihm trotz Obsiegens im Drittschuldnerprozess (§ 308) der Ersatz der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. § 43 Abs 2 ZPO gilt sinngemäß. Überdies haftet der Drittschuldner dem betreibenden Gläubiger für den Schaden, der dadurch entsteht, dass er seine Pflicht schuldhaft überhaupt nicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig erfüllt hat. Diese Folgen sind dem Drittschuldner bei Zustellung des Auftrages bekannt zu geben (§ 301 Abs 3 EO).

§ 301 Abs 1 EO bestimmt somit nicht, wem gegenüber die Erklärung abzugeben ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird daher die Ansicht vertreten, dass die Abs 1 und 2 zusammen zu betrachten sind, weil Abs 1 nur die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung sowie den Inhalt dieser Erklärung normiert und Abs 2 als Ausführungsbestimmung zu diesen Pflichten die näheren Modalitäten der Übersendung regelt. Daher können die Pflichten des § 301 Abs 1 EO nur im Wege des Abs 2 erfüllt werden. Das Unterlassen der Übersendung einer Abschrift der Drittschuldnererklärung an den betreibenden Gläubiger zieht daher ebenso die Kostenfolgen des § 301 Abs 3 erster Satz EO nach sich. Andernfalls wäre die Vorschrift der Information auch des Gläubigers durch den Drittschuldner „zahnlos“. Er könnte sich dann nämlich ohne Risiko darauf beschränken, dem Gericht eine Erklärung zu übersenden (OLG Wien 10 Ra 115/01p; 10 Ra 136/03y; 10 Ra 3/07w; 10 Ra 20/07w; 10 Ra 112/09b; 9 Ra 123/08m; OLG Innsbruck 15 Ra 11/97y; OLG Graz 8 Ra 74/95 uva.).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte im hier gegenständlichen Exekutionsverfahren 18 E 1461/10i des Bezirksgerichtes Favoriten weder gegenüber dem Gericht noch gegenüber den betreibenden Gläubigern eine Drittschuldnererklärung abgegeben. Die im vorangegangenen Verfahren 18 E 5389/09k des Bezirksgerichtes Favoriten abgegebene Drittschuldnererklärung sowie die unter Angabe dieses Aktenzeichens übermittelte Erklärung vom 6.7.2010, dass das Rechtsverhältnis mit der Verpflichteten S***** H***** beendet worden sei, kann die Abgabe der Drittschuldnererklärung im konkreten Exekutionsverfahren 18 E 1461/10i nicht ersetzen. Wie die Rekurswerber zutreffend aufzeigen, besteht die Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung gegenüber dem betreibenden Gläubiger jeweils im konkreten Verfahren. Auch wenn in den beiden Exekutionsverfahren die betreibenden Parteien, deren Rechtsvertreter, die Verpflichtete und die Drittschuldnerin ident sind, vermag dies nichts daran zu ändern, dass es sich jeweils um eigenständige Verfahren aufgrund unterschiedlicher Titel [dem Verfahren 18 E 1461/10i liegt eine Versäumungsurteil des BG Meidling vom 29.10.2009, dem Verfahren 18 E 5389/09k ein Zahlungsbefehl des BG Meidling vom 2.6.2009 zugrunde] handelt und daher die Pflichten nach § 301 EO auch in jedem Verfahren zu erfüllen sind. Auch wenn der betreibende Gläubiger gegen denselben Verpflichteten mehrere unterschiedliche Exekutionsverfahren führt, hat er in jedem einzelnen Verfahren Anspruch auf Abgabe einer Drittschuldnererklärung (OLG Wien, 7 Ra 282/98m). Der betreibende Gläubiger ist nicht verpflichtet, vor Klageeinbringung Informationen aus allfälligen anderen Exekutionsverfahren gegen denselben Verpflichteten hinsichtlich des gepfändeten Anspruchs zu prüfen.

Der vom Erstgericht herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien zu 10 Ra 136/03y lag insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dort die Verpflichtete niemals Dienstnehmerin der Drittschuldnerin war, was die Drittschuldnerin dem betreibenden Gläubiger auch in mehreren Schreiben mitteilte. Demgegenüber war im vorliegenden Verfahren die Verpflichtete sehr wohl Dienstnehmerin der Drittschuldnerin; die Bekanntgabe, dass das Rechtsverhältnis mit der Verpflichteten beendet worden sei, erfolgte einen Monat vor Zustellung der Exekutionsbewilligung und Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung im gegenständlichen Verfahren. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass zwischen der Drittschuldnerin und der Verpflichteten in der Zwischenzeit ein neues Rechtsverhältnis begründet wurde, verfügten die betreibenden Gläubiger im hier relevanten Verfahren 18 E 1461/10i nicht über ausreichende Informationen darüber, ob und allenfalls in welchem Ausmaß der Verpflichteten in diesem Zeitpunkt Ansprüche gegenüber der Drittschuldnerin zustanden, sodass die Klagsführung letztlich durch die Beklagte veranlasst wurde. Die Beklagte treffen daher die Kostenfolgen des § 301 Abs 3 EO, weshalb die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagte zum Ersatz der Verfahrenskosten der klagenden Parteien zu verpflichten war.

              Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

              Der Revisionsrekurs ist gem. § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig; der Ausschluss eines Rekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, in denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird (RIS-Justiz RS0044233).

                            

Textnummer

EW0000514

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2011:0100RA00028.11B.0519.000

Im RIS seit

22.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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