Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Petra S*****, vertreten durch Mag. Georg E. Thalhammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gertraud Achleitner, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2011, GZ 1 R 8/11w-20, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Oktober 2010, GZ 46 Cg 57/10t-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin lebte seit etwa Ende 2006 mit Dr. Markus G***** zusammen. Dieser nahm im Februar 2008 an einer einwöchigen Tigerhai-Tauchsafari von Florida aus zu den Bahamas teil, im Zuge derer er am 24. 2. 2008 infolge eines Haibisses verstarb. Das Tauchboot wurde vom amerikanischen Unternehmen J***** Inc. organisiert. Unstrittig ist, dass die Beklagte zumindest als Reisevermittlerin auftrat.
Der Lebensgefährte der Klägerin erfuhr von einem Freund von der Tauchreise. Dabei war Thema, dass mit Haien im offenen Meer - ohne Käfig - getaucht werde. Ursprünglich war die Reise eine Idee von Friedrich K***** und Jürgen S*****, die im Jänner 2007 an die Beklagte mit dem Anliegen herantraten, eine Tigerhaiexpedition auf die Bahamas machen zu wollen. Sie legten dabei ein Angebot der J***** Inc. an Friedrich K***** vor und schlugen vor, ein Boot mit zwölf Personen in Vollcharter zu nehmen. Sie ersuchten die Beklagte, „ein Angebot mit Flug und allem Drum und Dran zu zaubern“.
In der Folge klärte der Geschäftsführer der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, ab, ob das ihm damals nicht bekannte amerikanische Unternehmen wirklich existiert und seriös ist. Ihm war bewusst, dass Haitauchen in Florida verboten ist. Er führte zunächst ein Gespräch bzw eine E-Mail-Korrespondenz mit einer Mitarbeiterin des Unternehmens. Mittels Internetrecherchen, Studium einschlägiger Fachzeitschriften und Rücksprache mit einem anderen österreichischen Tauchreisevermittler stellte er fest, dass es sich bei J***** Inc. um ein Unternehmen mit einem sehr guten Ruf bei der Organisation derartiger Reisen handelt. Der Homepage entnahm er auch, dass Jim A***** von der amerikanischen Küstenwache lizenziert war, was seiner Meinung nach höhere Sicherheitsstandards voraussetzt. Er stieß auf nichts Bedenkliches betreffend Jim A***** oder die J***** Inc. Er telefonierte auch persönlich mit Jim A***** und hatte dabei den Eindruck, dass dieser „weiß, wovon er redet“. Über allfällige Brunftzeiten von Haien wurde nicht gesprochen. Dem Geschäftsführer der Beklagten war dazu nichts bekannt.
Daraufhin erstellte die Beklagte aus den ihr übermittelten bzw aus dem Internet bezogenen Informationen das Angebot, wobei dieses neben dem Pauschalangebot von J***** Inc. nur die Flüge umfasste. Die Beklagte verdiente durch einen Aufschlag auf ihre Einkaufspreise, der den Reiseteilnehmern „als“ Pauschalpreis für das Schiff und die Flüge weiterverrechnet wurde. Die Reise wurde von der Beklagten nicht ihren Kunden angeboten. Vielmehr kümmerten sich Jürgen S***** und Fritz K***** um die Auslastung und übermittelten eine Teilnehmerliste. Die Reiseteilnehmer hatten persönlich Kontakt nur zur Jürgen S*****, der auch der Organisator vor Ort sein sollte.
Im mit „Tigerhaisafari auf den Bahamas“ übertitelten Angebot der Beklagten findet sich der Hinweis, dass es sich nicht um Tauchen im Käfig, sondern um freies Tauchen im Meer handelt. Auf der dritten Seite des Angebots ist als Reiseveranstalter „S***** A*****, Florida“ genannt; unter Reisevermittler scheint die Beklagte auf. Unter besondere Hinweise findet sich folgender Punkt:
„Es handelt sich bei Haien um wilde Tiere, daher kann keine Garantie gegeben werden, ob und wie viele gesichtet werden. Zwischen den Tauchgängen werden jedoch Köder ausgeworfen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.“
Nach seiner Anmeldung am 2. 2. 2007 erhielt der Lebensgefährte der Klägerin eine Auftragsbestätigung/Rechnung vom 5. 2. 2007, in der als Veranstalter „S***** A*****, Florida“ angeführt wurde. In einer weiteren derartigen Auftragsbestätigung/Rechnung vom 26. 11. 2007 scheint ebenfalls dieser Veranstalter auf.
In der Folge kam es zu einem Informationsabend, bei dem Jürgen S***** an den Lebensgefährten der Klägerin ein Informationsblatt austeilte. Darauf scheint mehrfach der Firmenwortlaut J***** Inc. mit der Adresse *****, Florida, auf. Es gibt kein anderes Unternehmen mit dieser Firma in Florida. Im Informationsblatt heißt es unter anderem (Übersetzung des Erstgerichts aus dem Englischen):
„Ich nehme zur Kenntnis, dass 'abenteuerliche Aktivitäten' wie Tauchen, Schnorcheln und Bootfahren bekannte und unvorhergesehene Risiken mit sich bringen, die zu psychischen oder physischen Beeinträchtigungen führen können, Lähmung, Tod oder sonstige Verletzungen. Diese Risken beinhalten ... unerwartete Haiangriffe.
...
(Geräte-)Tauchen ist eine potentiell gefährliche Aktivität und beinhaltet das Risiko von ernsthaften Verletzungen und/oder Tod und/oder Vermögensschäden.“
Dieses Formular wurde vom Lebensgefährten der Klägerin vollständig ausgefüllt und unterschrieben. Er gab rund 20 Jahre Taucherfahrung an.
Noch vor Reisebeginn wurde von der Beklagten ein „Voucher“ ausgestellt, auf dem als „Agent“ J***** Inc. samt Adresse angeführt ist. Sämtliche erwähnte Unterlagen gingen dem Lebensgefährten der Klägerin zu.
Er trat die Reise wie geplant an, wurde - wie die anderen Reiseteilnehmer - von Jim A***** über das Verhalten bei der Haifütterung instruiert und nahm am 23. 2. 2008 an einem Tauchgang teil. Am nächsten Tag wurde er während eines Tauchgangs von einem Hai ins Bein gebissen und verstarb noch am selben Tag im Spital an den Folgen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten 20.000 EUR sA als Schmerzengeld und brachte vor, sie habe zu ihrem von einem Bullenhai beim Tauchen getöteten Lebensgefährten eine enge Gefühlsbindung gehabt. Die Nachricht von seinem plötzlichen und tragischen Ableben habe bei ihr zu einem intensiven Erleben der Trauer, längerfristigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen und daher zu einem Schockschaden mit Krankheitswert geführt. Als Vermittlerin der Reise sei der Beklagten eine grobe Verletzung von Sorgfalts- und Informationspflichten anzulasten. Die Beklagte habe ihren Lebensgefährten weder über das Risiko bei Haifütterungen im Generellen noch über das stark erhöhte Risiko aufgrund der vom Reiseveranstalter gewählten Fütterungsmethode im Speziellen aufgeklärt. Die Reiseteilnehmer seien auch nicht darüber informiert worden, dass zur gewählten Reisezeit die Bullenhaie gerade ihre Brunftzeit hätten und sich daher äußerst aggressiv verhalten würden, wodurch das Risiko nochmals erheblich gestiegen sei. Die Beklagte habe den Reiseveranstalter weder sorgfältig ausgewählt noch hinreichend auf dessen Qualifikation für die Durchführung von Haitauchreisen überprüft.
Möglicherweise sei die Beklagte sogar Reiseveranstalterin. Sie habe einen Reiseveranstalter genannt, den es nicht gebe, weshalb sie im Zweifel selbst als Reiseveranstalterin für das grob fahrlässige Verhalten des amerikanischen Unternehmens und von dessen Mitarbeitern hafte, die diesfalls als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu qualifizieren seien. Die Beklagte bzw deren Erfüllungsgehilfen hätten dadurch grob fahrlässig gehandelt, dass die Mitarbeiter des amerikanischen Unternehmens keine Ausbildung für die Durchführung solcher Tauchgänge und auch nicht dafür Sorge getragen hätten, dass die ins Wasser gelassenen Futterkörbe am Boden befestigt wurden, damit sie weder durch die Strömung noch durch die Haie über den Meeresgrund geschoben werden hätten können. Zudem habe der Tauchguide des amerikanischen Unternehmens auf die drohende Situation in keiner Weise reagiert. Den im Angebot angeführten Reiseveranstalter gebe es tatsächlich nicht. Aus diesem Grund bzw wegen der falschen Bezeichnung des Reiseveranstalters hafte die Beklagte selbst als solcher. Sie habe nicht nur die Tigerhai-Safari, sondern auch die Flugleistung eingekauft und das Gesamtpaket zu einem Pauschalpreis angeboten.
Die Beklagte wendete ein, dass sie nur Reisevermittlerin gewesen sei und keine Sorgfalts- oder Informationspflichten verletzt habe. Die Teilnehmer seien bereits vor Reiseantritt darauf hingewiesen worden, dass Haie wilde Tiere seien. In der Reiseanmeldung sei auch festgehalten worden, dass es sich nicht um Tauchen im Käfig, sondern um freies Tauchen im Meer handle. In einem Aufklärungsblatt habe der Lebensgefährte der Klägerin bestätigt, über eine entsprechende Tauchbefähigung zu verfügen und Kenntnis zu haben, dass Tauchen mit Haien ein erhebliches Risiko einer möglichen ernsthaften Verletzung oder eines Todesfalls oder einer Vermögensbeeinträchtigung mit sich bringen könne. Er habe damit bestätigt und anerkannt, dass es unvorhergesehene Haiangriffe geben könne und solche Risiken nicht ausgeschlossen werden könnten. Er habe somit die Reise im vollen Wissen um das mögliche Risiko angetreten. Beim im Angebot angeführten Namen des Reiseveranstalters handle es sich um eine Kurzform der Unternehmensbezeichnung mit der gleichen Adresse. Aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts könne nicht daran gezweifelt werden, dass es sich um dasselbe Unternehmen handle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin sei als Lebensgefährtin des Verstorbenen zur Geltendmachung der Forderung aktivlegitimiert. Die Beklagte habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nur Reisevermittlerin und nicht Veranstalterin sei. Weiters habe sie weder die Reise zusammengestellt, noch selbst Leistungen vor Ort angeboten, sondern lediglich die bereits festgelegte Leistung der J***** Inc. zu einem Pauschalpreis und entsprechende Flüge vermittelt. Die Beklagte sei somit bloße Reisevermittlerin. Zu den Leistungen eines Reisevermittlers gehöre die sorgfältige Auswahl eines Leistungsträgers. Das setze voraus, dass der Reisevermittler die notwendigen Informationen über den ausgewählten Reiseveranstalter einhole, aufgrund derer er Schlüsse auf die Qualität der zu erbringenden Reiseleistung ziehen könne. Dieser Pflicht sei die Beklagte gewissenhaft nachgekommen. Ihr sei kein Auswahlverschulden vorzuwerfen. Der Lebensgefährte der Klägerin sei von der Beklagten als Vermittlerin bzw der J***** Inc. als Reiseveranstalterin über die Modalitäten des beabsichtigten Haitauchens und die damit verbundenen Risiken ausreichend aufgeklärt worden. Allen sei bewusst gewesen, dass die Haie mit Ködern angefüttert und die Taucher frei mit diesen interagieren könnten. Ein derartiges Risiko sei allgemein bekannt; es bestehe daher kein Bedarf an einer besonderen Aufklärung über die Gefährlichkeit von Haien sowie über die Möglichkeit des unbeherrschbaren Verhaltens von wilden Tieren. Der Lebensgefährte der Klägerin sei ein erfahrener Taucher gewesen, sodass ihm bewusst sein habe müssen, dass er sich ohne Käfig einem erhöhten Risiko aussetze.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es zur Qualifikation der Beklagten als Reisevermittlerin ergänzend aus, es sei üblich, dass ein Reiseteilnehmer den gesamten Reisepreis auch einem bloßen Reisevermittler bezahle. Der Vermittler übernehme in der Regel das Inkasso des gesamten Reisepreises und nicht der bloßen Bearbeitungsgebühr. In weiterer Folge werde der Reisepreis abzüglich der Provision an den Veranstalter weitergeleitet. Im prospektähnlichen Angebot sei klar unterschieden, dass die Beklagte Reisevermittlerin sei, während „S***** A*****, Florida“ als Reiseveranstalterin aufscheine. Auch in der Auftragsbestätigung sei ausschließlich nur von diesem amerikanischen Unternehmen die Rede. Für die Teilnehmer der Reise sei nicht offen geblieben, für welchen Unternehmensträger die Beklagte ihre behauptete Vermittlung ausgeübt habe. Dabei handle es sich um Fremdleistungen (und nicht um Leistungen von Erfüllungsgehilfen). Der vorliegende Pauschalreisevertrag schließe die Möglichkeit einer bloßen Reisevermittlung nicht aus. Die Beklagte sei auch nicht „Reiseveranstalter kraft Anscheins“. Sie habe hinreichend erklärt, die Reise nur zu vermitteln und die Leistung nicht in eigener Verantwortung zu erbringen. Auf ihre Rolle als Reisevermittlerin und die Eigenschaft des amerikanischen Unternehmens als Reiseveranstalter habe die Beklagte mehrmals schriftlich hingewiesen.
Als bloße Reisevermittlerin haftete die Beklagte nur, wenn sie gegen allfällige Informations- und Aufklärungspflichten verstoßen hätte oder ein Auswahlverschulden vorläge. Die Beklagte habe sich weder einer untüchtigen noch wissentlich einer gefährlichen Person bedient, sodass eine Haftung nach § 1315 ABGB infolge Auswahlverschuldens zu verneinen sei. Inwieweit die J***** Inc. grob fahrlässig gehandelt habe bzw am Unfallstag falsch reagiert habe, könne dahinstehen, weil diesbezüglich die Beklagte als Reisevermittlerin nicht hafte und ein erst nach der Auswahl ihres Besorgungsgehilfen eingetretenes Verhalten eine Haftung über § 1315 ABGB nicht stützen könne. Auch eine Verletzung von Aufklärungspflichten durch die beklagte Reisevermittlerin liege nicht vor. Das Risiko einer Haisafari sei allgemein bekannt und es bestehe grundsätzlich keine Verpflichtung, dass das vermittelnde Reisebüro über die Gefährlichkeit von Haien sowie über die Möglichkeit des unbeherrschbaren Verhaltens von wilden Tieren und damit auch im Zusammenhang stehende Unfälle aufkläre. Der Lebensgefährte der Klägerin sei ein erfahrener Taucher und bereits (in einem Käfig) mit Haien im Wasser gewesen. Als Teilnehmer einer Haisafari im offenen Meer und ohne Absicherung durch einen Käfig habe ihm die Gefährlichkeit seiner Aktivitäten bewusst sein müssen. Ein derartiges Handeln auf eigene Gefahr schließe einen Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten aus, zumal hier auch ein echtes Handeln auf eigene Gefahr vorliege. Die Teilnehmer der Haisafari seien auch ausdrücklich auf die Gefährlichkeit derartiger Tauchgänge hingewiesen worden. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die vom Reiseveranstalter gewählte Fütterungsmethode das ohnedies hohe Risiko einer „gewöhnlichen“ Haisafari erheblich gesteigert habe, bedenke man, dass die Teilnahme an einer derartigen Haisafari bereits an sich lebensgefährlich sei und dies den Teilnehmern auch bewusst gewesen sei (bzw bewusst sein habe müssen). Aus dem Vorbringen der Klägerin könne auch nicht abgeleitet werden, dass ihr Lebensgefährte die Reise nicht angetreten hätte, wenn er über die speziellen Methoden von J***** Inc. detailliert aufgeklärt worden wäre. Die für den Schadenersatzanspruch nötige Kausalität sei von der behauptungsbelasteten Klägerin nicht vorgebracht worden.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob und in welchem Umfang ein bloßer Reisevermittler einen Teilnehmer einer offensichtlich lebensgefährlichen Reise aufklären müsse.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision der Klägerin ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsbegehrens berechtigt.
1. Nach den Feststellungen bot die Beklagte die einwöchige „Tigerhaisafari auf den Bahamas“, die neben dem Pauschalangebot des amerikanischen Tauchunternehmens „nur“ die Flüge umfasste, zu einem Pauschalpreis an. Der Lebensgefährte der Klägerin meldete sich am 2. 2. 2007 auf der Grundlage dieses Angebots zur Reise an, woraufhin die Beklagte am 5. 2. 2007 eine „Auftragsbestätigung/Rechnung“ ausstellte. Mit deren Zugang kam der Reisevertrag zustande. Die Beklagte verrechnete den Reiseteilnehmern den Pauschalpreis für „das Schiff“ und die Flüge weiter und verdiente durch einen Aufschlag auf ihre Einkaufspreise.
Vertragsgegenstand der Reise war demnach eine Reiseveranstaltung im Sinn des § 31b Abs 2 Z 1 KSchG und zugleich eine Pauschalreise nach Art 2 Z 1 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen, ABl Nr L 158 vom 23. 6. 1990, 59 ff (im Folgenden: Pauschalreise-RL). Neben hier nicht relevanten Abweichungen in den Definitionen genügt für die Qualifizierung einer Leistung als „Reiseveranstaltung“ und „Pauschalreise“ im Sinn dieser Bestimmungen, dass sie zu einem Gesamtpreis verkaufte touristische Dienstleistungen verbindet, die zwei der drei in diesen Bestimmungen genannte Dienstleistungen umfassen, nämlich die Beförderung, die Unterbringung und andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen (EuGH C-400/00, Club-Tour, Slg 2002, I-4051, Rn 13; EuGH C-585/08 ua, Pammer ua, Rn 37; Hammerl in Kosesnik-Wehrle, KSchG³ [2010] § 31b Rz 1; Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 31b KSchG Rz 2; Apathy in Schwimann, ABGB³ V § 31b KSchG Rz 3). Die Verbindung mindestens zweier genannter Leistungen besteht hier in der Beförderung (Flüge; Schifffahrt) und der Unterbringung (auf dem Schiff; in diesem Sinn zu einer Frachtschiffsreise EuGH C-585/08, Pammer, Rn 45), sofern man nicht allein die Flüge der Beförderung zuordnen und die Tauchkreuzfahrt als „andere touristische Dienstleistung“ (in diesem Sinn Bläumauer, Reiserecht für die Praxis² [2010], 5 f; Apathy aaO § 31b KSchG Rz 4) qualifizieren will.
2.1 Nach § 31b Abs 2 Z 2 KSchG ist Veranstalter eine Person, die nicht nur gelegentlich im eigenen Namen vereinbart oder anbietet, von ihr organisierte Reiseleistungen zu erbringen. Der Begriff „Reisevermittler“ wurde im KSchG nicht definiert. Gemäß Art 2 Z 3 der Pauschalreise-RL ist Vermittler die Person, welche die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet.
Schon vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen hat der Oberste Gerichtshof ein Reisebüro als Veranstalter qualifiziert, wenn es das Reiseprogramm zusammenstellt, die Erbringung der nötigen Leistungen entweder als Eigenleistung oder als Fremdleistung (Erbringung der Leistung durch einen sogenannten Leistungsträger) zusagt und die so angebotene Reise zum Kauf (zur Buchung) anbietet. Ein Reisebüro ist dagegen Vermittler, wenn es sich lediglich verpflichtet, einen Anspruch auf Leistungen anderer zu besorgen, die ihre Leistung nicht in seinem Namen (nämlich als sogenannte Fremdleistungen) erbringen (RIS-Justiz RS0021651). Unter Reisevermittlung ist die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses über eine Reiseveranstaltung oder eine einzelne Reiseleistung durch einen Dritten zu verstehen, wodurch ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen Veranstalter und Kunden zustande kommt (6 Ob 2132/96i unter Berufung auf Zechner, Reisevertragsrecht [1989] Rz 38).
2.2 Ob jemand als Veranstalter oder Vermittler abschließt, bestimmt sich grundsätzlich danach, wie er gegenüber dem Reisenden auftritt, ob er erklärt, die Reiseleistung in eigener Verantwortung zu erbringen oder sie bloß zu vermitteln. Es kommt darauf an, wie der Reisende als redlicher Erklärungsempfänger die Erklärungen zB eines Reisebüroinhabers (oder seiner Vertreter) verstehen konnte. Dabei kommt der Ausgestaltung des Prospekts erhebliche Bedeutung zu. Widersprüchliche Erklärungen, ob jemand als Veranstalter oder Vermittler den Vertrag schließt, sind entsprechend § 915 ABGB dahin zu verstehen, dass er als Veranstalter abschließt (Apathy aaO § 31b KSchG Rz 10 mwN).
2.3 In Rechtsprechung (3 Ob 525/82 = SZ 55/71; 2 Ob 544, 545/86 [dazu Rudolf, Rechtsprechungsübersicht: Reiserecht, ecolex 1994, 155 f]; 7 Ob 524/93 = SZ 66/69; 1 Ob 533/94) und Lehre (Bläumauer aaO 9; Schuster, Praxisfragen des Reiserechts in Österreich [2009], 26, 146; Mayrhofer aaO § 31b KSchG Rz 14; Zechner aaO Rz 304; für Deutschland: Tamm, Die Pflichten des Reisebüros gegenüber dem Reisekunden und die Folgen einer Pflichtverletzung, VuR 2006, 329 f) ist zudem die Haftung des Reisebüros als Veranstalter bei unterlassener Offenlegung seiner Vermittlerstellung (als Reiseveranstalter „kraft Anscheins“) anerkannt.
2.4 Die Beklagte bot die Pauschalreise, beinhaltend die Flüge und die Tauchreise als im Voraus gebündelte Einzelleistungen, zu einem Gesamtpreis für den Kunden an. Sie erstellte ihr Angebot („Tigerhaisafari auf den Bahamas“), nach dem ihr Friedrich K***** und Jürgen S***** ein Angebot des amerikanischen Tauchunternehmens vorgelegt und sie ersucht hatten, „ein Angebot mit Flug und allem Drum und Dran zu zaubern“. Sowohl im Angebot der Beklagten als auch in den dem Lebensgefährten der Klägerin zugegangenen „Auftragsbestätigungen/Rechnungen“ vom 5. 2. 2007 und 26. 11. 2007 wird als Reiseveranstalter „S***** A*****“ genannt. Selbst wenn hinreichend bestimmt sein sollte, dass damit das amerikanische Unternehmen J***** Inc. gemeint war, war dieses offensichtlich nicht Reiseveranstalter der gebuchten Pauschalreise. Dies ergibt sich schon daraus, dass das von der Beklagten der Pauschalreise zugrunde gelegte Angebot der J***** Inc. nicht die Flüge umfasste. Nicht das amerikanische Unternehmen organisierte die einheitliche Pauschalreise und bot sie in dieser Form an, sondern die Beklagte. Zudem verdiente diese - nach den Feststellungen - durch einen Aufschlag auf ihre Einkaufspreise, der den Reiseteilnehmern im Pauschalpreis weiterverrechnet wurde.
Bezeichnete sich aber die Beklagte zwar als Reisevermittlerin der Pauschalreise und nannte als Reiseveranstalter ein Unternehmen, das in Wahrheit nicht Veranstalter des „Pauschalreisepakets“ war, haftet sie wie eine Reiseveranstalterin. Durch die unrichtige Bekanntgabe eines Reiseveranstalters für die einheitliche Pauschalreise kann sich die Beklagte, die die Reise zusammenstellte und zu einem Gesamtpreis anbot, nicht auf eine Stellung als bloße Reisevermittlerin zurückziehen; als solche hätte sie sich deklarieren müssen, war es doch allein die Beklagte, die die gewünschte (vgl dazu EuGH Rs C-400/00; Kathrein in KBB3 § 31b KSchG Rz 2) Pauschalreise zusammengestellt und einem beschränkten Interessentenkreis, den die Initiatoren direkt ansprachen, angeboten hatte. Damit haftet sie für die Einhaltung und Erbringung der Veranstaltungsleistungen als Reiseveranstalterin, zumal unter den gegebenen Umständen die Vermittlung eines Vertrags mit dem angegebenen „Veranstalter“, der die angebotene (Gesamt-)Leistung weder angeboten hatte, noch erbringen wollte, ersichtlich gar nicht in Betracht kam.
Ein ganz ähnlicher Gedanke liegt auch den - nach den vom Erstgericht verwerteten Urkunden, welche die Beklagte vorgelegt hatte, vereinbarten - Allgemeinen Reisebedingungen (ARB 1992) iVm § 4 der V des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Ausübungsvorschriften für das Reisebürogewerbe (IVO), BGBl II 1998/401, zugrunde. Nach § 4 Abs 1 IVO sind Gewerbetreibende, die Buchungen entgegennehmen, verpflichtet, dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsabschluss eine Bestätigung über den Reisevertrag (Reisebestätigung) zu übermitteln. Gemäß § 4 Abs 2 Z 6 IVO hat die Reisebestätigung, soweit dies nach der Art der Reise von Bedeutung ist, Firmenwortlaut (Produktnamen) und Anschrift des Reiseveranstalters zu enthalten; Gewerbetreibende, die Buchungen entgegennehmen, können diese Verpflichtung auch dadurch erfüllen, dass sie auf die in einer vom Reiseveranstalter herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Werbeunterlagen enthaltenen Angaben verweisen, soweit diese „den Anforderungen ... entsprechen“ (§ 4 Abs 3 IVO). Pkt. A. 3. der ARB 1992 verpflichtet das „Reiseunternehmen“ (vermittelnde Reisebüro) ebenfalls zu dieser Bekanntgabe und legt abschließend fest: „Unterlässt es dies, so haftet es dem Kunden als Veranstalter bzw. Leistungsträger.“ Haftet demnach das vermittelnde Reisebüro dem Kunden als Veranstalter, wenn es den Firmenwortlaut samt Anschrift des Reiseveranstalters nicht unverzüglich bekannt gibt, muss dies umso mehr gelten, wenn die Beklagte einen Reiseveranstalter nennt, der tatsächlich nicht Veranstalter der von ihr zusammengestellten und „verkauften“ Pauschalreise ist. Auch in diesem Fall haftet die Beklagte dem Kunden auf vertraglicher Grundlage als Reiseveranstalterin, selbst wenn sie sich - wie hier - ausdrücklich als Reisevermittlerin bezeichnete.
3. Die Klägerin begehrt als Lebensgefährtin des Getöteten - diese Eigenschaft ist im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig - Schmerzengeld wegen eines erlittenen „Schockschadens“; damit macht sie auch einen bloßen Trauerschaden geltend. Seit der Entscheidung 8 Ob 127/02p (= SZ 2002/110 = ZVR 2002/96 [Karner]; ebenso 2 Ob 15/07f) ist anerkannt, dass auch Lebensgefährten zum engen Kreis der Angehörigen gehören, die im Falle der Tötung eines Menschen Anspruch auf Schmerzengeld für einen durch den Tod erlittenen „Schockschaden“ (mit Krankheitswert) oder einen vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten (bloßen) Trauerschaden (ohne Krankheitswert) haben. Feststellungen zu einem solchen Schock- und Trauerschaden wurden bislang nicht getroffen.
4. Das erstmalige Vorbringen der Klägerin in der Revision, die Beklagte hafte, weil sie „einen Haitauchgang mit Haianfütterung überhaupt angeboten“ habe, ist schon als Neuerung unbeachtlich. Das Angebot einer derartigen Leistung ist auch nicht rechtswidrig.
5. Zutreffend haben die Vorinstanzen eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten, wenn auch auf der Grundlage ihrer Rechtsstellung als Reisevermittlerin, verneint.
Die Ansicht der Klägerin, ihr Lebensgefährte sei nicht darüber informiert gewesen, dass die Köder während der Tauchgänge ausgeworfen würden, geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Danach wurde ihr Lebensgefährte am Vortag des Haibisses - ebenso wie die anderen Reiseteilnehmer - von Jim A***** über das Verhalten bei der Haifütterung instruiert und nahm auch an einem Tauchgang teil. Er war daher in Kenntnis dieser Art des Hai-Tauchens und setzte sich bewusst diesem Risiko aus. Dass ihr Lebensgefährte nicht in der Lage gewesen sei, die Tragweite seines Entschlusses, „während der Anfütterung der Haie bei diesen unter Wasser zu sein“, zu überblicken, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. Abgesehen vom damit gegebenen Verstoß gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) finden sich dafür auch keine Anhaltspunkte.
6. Die Klägerin stützte die Haftung der Beklagten auch darauf, dass Mitarbeiter der J***** Inc. sorgfaltswidrig die ins Wasser gelassenen Futterkörbe nicht am Boden befestigt hätten, damit diese weder durch die Strömung noch durch die Haie über den Meeresgrund geschoben werden könnten. Ein Futterkorb sei von einem der Haie in Richtung ihres Lebensgefährten bewegt worden und ein Hai habe beim Versuch, Futter zu erhaschen, in dessen Bein gebissen, woran er gestorben sei. Dabei habe der Tauchguide auf die drohende Situation in keiner Weise reagiert. Auf ihr weiteres, nicht näher konkretisiertes erstinstanzliches Vorbringen, die Mitarbeiter des amerikanischen Unternehmens hätten „keine hinreichende Ausbildung“ für die Durchführung solcher Tauchgänge mit „Haifischanfütterung“ aufgewiesen, kommt die Klägerin nicht mehr zurück.
Die Beklagte unterliegt als Reiseveranstalterin der verschuldensabhängigen vertraglichen Haftung. Sie hat für den Tod des Lebensgefährten der Klägerin soweit zu haften, als der Reiseveranstaltungsvertrag als Nebenpflicht auch eine Schutz- und Sorgfaltspflicht für dessen körperliche Sicherheit umfasst. Dabei hat die Beklagte gemäß § 1313a ABGB für ein allfälliges Verschulden des amerikanischen Tauchunternehmens als ihres Erfüllungsgehilfen wie für ihr eigenes einzustehen (vgl 7 Ob 524/93 = SZ 66/69; 7 Ob 237/01f; 5 Ob 108/05a; Klete?ka in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 1165, 1166 Rz 89; Bläumauer aaO 16 f; Schuster aaO 28).
7. Die Vorinstanzen haben jedoch ausgehend von der nicht geteilten Rechtsansicht, die Beklagte sei lediglich Reisevermittlerin, keine Feststellungen zum genauen Unfallhergang getroffen. Daher kann weder beurteilt werden, ob durch die behauptete unterlassene Befestigung der Futterkörbe am Meeresboden das in der Natur des betriebenen Hai-Tauchens gelegene Risiko vergrößert wurde, noch ob sonst eine Sorgfaltswidrigkeit von Mitarbeitern des amerikanischen Tauchunternehmens, für welche die Beklagte nach § 1313a ABGB einzustehen hätte, vorliegt.
Demnach ist die Aufhebung der Entscheidungen erster und zweiter Instanz und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz erforderlich.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E97614European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00080.11P.0524.000Im RIS seit
04.07.2011Zuletzt aktualisiert am
17.12.2018