TE OGH 2011/5/25 8ObA46/10p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2011
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Franz Kisling als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** P*****, vertreten durch Dr. Hans Rainer, Dr. Peter Kaltschmid und Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 3.980,30 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. April 2010, GZ 13 Ra 11/10f-15, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. November 2009, GZ 46 Cga 77/09p-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 3.980,30 EUR brutto samt Zinsen zu bezahlen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.688,44 EUR bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin 345,23 EUR Umsatzsteuer und 617 EUR Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 2. 9. 1980 bis 31. 7. 2008 als Busfahrer beschäftigt. Das Dienstverhältnis, auf das die Dienst- und Besoldungsordnung für die Bediensteten der Österreichischen Privatbahnen - DBO zur Anwendung gelangte und das der Pflichtversicherung bei der PVA und beim Pensionsinstitut für Verkehr und öffentliche Einrichtungen unterlag, endete durch Pensionsantritt.

Anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses gebührte dem Kläger nach § 2 Abs 1 ArbAbfG eine Abfertigung im Ausmaß von 12 Monatsentgelten, die in Raten ausbezahlt wurde. Mitte November 2008 wurde dem Kläger auf seinen Antrag gemäß § 36 der Satzung des Pensionsinstituts für Verkehr und öffentliche Einrichtungen eine Beitragsrückerstattung in Höhe von 37.977,04 EUR brutto (19.726,52 EUR netto) ausbezahlt. Hätte er die Beitragsrückerstattung nicht beantragt, wäre ihm aus dieser Pensionsversicherung ein monatlicher Ruhegenuss von 309,13 EUR brutto, 14 mal jährlich, neben der ASVG-Pension bezahlt worden.

Die beklagte Partei rechnete unter Berufung auf § 2 Abs 2 ArbAbfG eine fiktive Pensionsleistung inklusive Sonderzahlungen für ein Jahr (insgesamt 4.327,82 EUR brutto) auf die Abfertigung des Klägers an und zahlte deshalb die letzte Abfertigungsrate in Höhe von 3.980,30 EUR nicht mehr aus.

In der auf Zahlung dieser Abfertigungsrate gerichteten Klage wird vorgebracht, dem Kläger seien vom Pensionsinstitut für Verkehr und öffentliche Einrichtungen satzungsgemäß nur 50 % der insgesamt bezahlten Beiträge rückerstattet worden. Dies entspreche nur den von ihm geleisteten Arbeitnehmerbeiträgen, deren Anrechnung jedenfalls unzulässig sei, weil sie darauf hinauslaufen würde, dass er seinen Abfertigungsanspruch teilweise selbst finanzieren müsse. Die Anrechnungsbestimmung des § 2 Abs 2 ArbAbfG erfasse schon dem Wortlaut nach nur wiederkehrende Pensionsleistungen.

Die Beklagte vertrat den Standpunkt, die Anrechnungsbestimmung des § 2 Abs 2 ArbAbfG sei nicht nur auf einen laufenden Ruhegenuss, sondern auf alle Leistungen des Pensionsinstituts zu beziehen. Für den Fall einer Pensionsabfindung sei die Anrechnung fiktiver Pensionszahlungen sogar ausdrücklich angeordnet, diese Vorgangsweise sei auch im vorliegenden Fall sachgerecht. Es könne nicht im Belieben des Arbeitnehmers liegen, durch seine Entscheidung für eine Rückerstattung einseitig die Höhe der vom Arbeitgeber zu zahlenden Abfertigung zu beeinflussen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die gleichlautenden Einrechnungsbestimmungen in § 2 Abs 2 ArbAbfG und § 34 Abs 4 der Dienst- und Besoldungsordnung für die Bediensteten der Österreichischen Privatbahnen (DBO) bezögen sich jeweils auf zusätzliche Pensionsleistungen, die über die aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Leistungen hinausgehen. Dies bedeute aber, dass nicht alle Leistungen aus der Zusatzversicherung erfasst seien. Die Satzung des Pensionsinstituts sehe verschiedene Leistungstypen vor, wobei die Beitragsrückerstattung als Leistungsanspruch aus dem Versicherungsfall der Beendigung der Versicherung definiert werde und daher nicht als auf die Abfertigung anrechenbare Pensionsleistung gelten könne. Darüber hinaus scheide eine Anrechnung auch deswegen aus, weil die vom Dienstnehmer selbst entrichteten Beiträge die gesetzliche Abfertigung nicht schmälern dürften.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, billigte zusammengefasst die Rechtsausführungen des Erstgerichts und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu den angesprochenen Rechtsfragen fehle und deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger beantwortete Revision der beklagten Partei ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig und auch berechtigt.

Die Beklagte wiederholt in der Revision ihr bereits in den Vorinstanzen dargelegtes Argument, es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, laufende Ruhegenussraten der Anrechnung nach § 2 Abs 2 ArbAbfG zu unterziehen, die vom Arbeitnehmer nach freiem Gutdünken wählbare Alternative einer Einmalzahlung aber auszunehmen. Es könne nicht sein, dass es ausschließlich im Belieben des Mitarbeiters stehe, wie viel sein Arbeitgeber an Abfertigung zu zahlen habe. Richtigerweise könne es bei der Anrechnung nur darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Zusatzversicherung einen Anspruch auf Pensionszahlungen erworben hat, aber nicht darauf, ob bzw in welcher Form er ihn tatsächlich in Anspruch nimmt.

Dazu hat der erkennende Senat Folgendes erwogen:

1. Dem Arbeitnehmer gebührt gemäß § 2 Abs 1 ArbAbfG bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfertigung, auf welche die §§ 23 und 23a AngG sinngemäß anzuwenden sind. Die Abfertigungsansprüche nach § 2 ArbAbfG sind einseitig zwingendes Recht und auch der Kollektivvertragsdisposition entzogen (RIS-Justiz RS0050437).

Nach § 35 der als Kollektivvertrag anzuwendenden Dienst- und Besoldungsordnung für die Bediensteten der Österreichischen Privatbahnen (DBO) ist Bediensteten eine zusätzliche Altersvorsorge durch die Versicherung beim Pensionsinstitut für Verkehr und öffentliche Einrichtungen zu gewähren.

Arbeitnehmern von Eisenbahnen im Sinn des § 1 I Z 1 und 2 EisBG 1957, die in dieser zusätzlichen Pensionsversicherung versichert sind, werden gemäß § 2 Abs 2 ArbAbfG „zusätzliche Pensionsleistungen, die über die aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Leistungen hinausgehen“, in die Abfertigung eingerechnet.

Nach § 34 Abs 3 DBO werden den Bediensteten, die beim Pensionsinstitut oder „aufgrund sonstiger Vereinbarungen Pensionsleistungen vom Unternehmen zu erhalten berechtigt“ sind, diese „zusätzlichen Pensionsleistungen (bei Abfindung die fiktiven Pensionsleistungen), die über die aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Leistungen hinausgehen“, in die Abfertigung eingerechnet.

2. Welche Leistungen von einer Anrechnung gemäß § 2 Abs 2 ArbAbfG betroffen sein sollen, wäre allein nach seinem Wortlaut unverständlich, weil die Pensionsversicherung nach der Satzung des Pensionsinstituts eine Zuschusskasse öffentlichen Rechts ist, die auf einer Pflichtversicherung der Arbeitnehmer ihrer Mitglieder beruht und als solche selbst ausschließlich „gesetzliche Pensionsleistungen“ erbringt (RIS-Justiz RS0085631). Da der Einrechnung aber nur Leistungen unterliegen sollen, die über Ansprüche „aus der gesetzlichen Pensionsversicherung“ hinausgehen, wäre die Bestimmung bei wörtlicher Interpretation praktisch unanwendbar (vgl RIS-Justiz RS0028712 zu § 23 Abs 5 AngG; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer [Hrsg], AngG-Kommentar § 23 Rz 55).

Nach den Materialien zum ArbAbfG (Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung, 1215 BlgNR 14. GP) sollte § 2 Abs 2 ArbAbfG die besonderen Verhältnisse der Bediensteten von Eisenbahnen und Straßenbahnen berücksichtigen, die beim Pensionsinstitut der österreichischen Privatbahnen versichert sind, und eine Zusatzpension erhalten, für welche durch Pensionsbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgesorgt wird. Es erscheine daher gerechtfertigt, diesen Personen jenen Teil der Pension, der über die aus der „gesetzlichen Pensionsversicherung“ gebührenden Ansprüche hinausgeht, auf die Abfertigung anzurechnen, und zwar für jenen Zeitraum, für den der Abfertigungsanspruch gebührt. Durch diese Regelung seien auch die beim Pensionsinstitut versicherten Personen den anderen Arbeitnehmern gleichgestellt, für die ebenfalls der „gesetzliche Pensionsanspruch“ neben dem Abfertigungsanspruch bestehe.

Ausgehend von dieser Intention des Gesetzgebers sind unter den „aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gebührenden Leistungen“ in § 2 Abs 2 ArbAbfG also die Pensionsansprüche nach dem ASVG zu verstehen. Da es sich bei der Versicherung des Pensionsinstituts um eine reine Zusatzversicherung handelt, gehen grundsätzlich alle daraus gewährten Leistungen über das ASVG-Leistungsniveau hinaus. Ohne Sonderregelung wären sie nach § 2 Abs 1 ArbAbfG iVm § 23 Abs 5 AngG als „Beträge, die der Dienstnehmer aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherung bezieht“ aber nicht einrechenbar, zumal das Statut des Pensionsinstituts keine „Mindestleistung“ kennt. Im Ergebnis wurde die Versicherung nach dem Pensionsstatut in Bezug auf die Anrechnung damit einer privatrechtlichen Betriebspensionsleistung gleichgestellt.

3. Die Sonderbehandlung der nach dem Pensionsinstitut Versicherten ist vor dem historischen Hintergrund zu sehen, dass der Gesetzgeber an Stelle der vor Inkrafttreten des ArbAbfG in einschlägigen Kollektivverträgen vorgesehenen gänzlichen Ersetzung der (kollektivvertraglichen) Abfertigung durch die Zusatzpension eine Einrechnungsvorschrift schaffen wollte (Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, 197; aA Martinek/Schwarz, Abfertigung 298 f). Der Rechtfertigungsgrund für die Einrechnung beruht auf dem Versorgungsaspekt der Abfertigung (vgl ua RIS-Justiz RS0028977), der sich mit dem gleichgerichteten Effekt einer höheren Pensionsversorgung überschneidet, letztlich dem gleichen Grundgedanken, der dem in § 1 Abs 2 Z 2 und 3 ArbAbfG normierten Ausschluss der Bediensteten des Bundes und der Gebietskörperschaften von jeglichem Abfertigungsanspruch nach diesem Bundesgesetz (vgl DRdA 1994/14 [Schindler]), und der mit § 23 Abs 5 AngG ermöglichten Anrechnung vertraglicher Zusatzpensionsleistungen zugrunde liegt. Betriebliche Pensionsansprüche (hier: im weitesten Sinn) gehören zu den Entgeltansprüchen aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit zur selben Gruppe im Rahmen des Gruppenvergleichs wie der Abfertigungsanspruch, sodass ein über die Pensionsleistungen nach dem ASVG hinausreichender Versorgungsanspruch als adäquater Ersatz für die Abfertigung in Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen unbestritten ist (Schindler aaO; 9 ObA 101/88; grds zust Petrovic in Runggaldier, Abfertigungsrecht 362; Schrammel, ZAS 1988, 196).

4. Die Versorgungsfunktion der Abfertigung wird durch das Gewähren eines Pensionsanspruchs ersetzt, wenn die Sonderregelung günstiger ist als (ungekürzte) Abfertigung und ASVG-Pension zusammen. Sie muss dem Arbeitnehmer dem Umfang und der Funktion nach zumindest in etwa das Gleiche bieten wie die gesetzliche Regelung ihm sonst an Abfertigung gewährt hätte (9 ObA 144/93, DRdA 1994/14 [Schindler]). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine auf Lebenszeit gesetzlich garantierte Zusatzpension nur während des Abfertigungszeitraums pro rata tempore eingerechnet wird. Der Arbeitnehmer ist in diesem Zeitraum nicht schlechter gestellt, als würde er neben der vollen Abfertigung nur eine ASVG-Pension beziehen, wogegen sämtliche nachfolgenden laufenden Pensionsbezüge zusätzlich zum ASVG-Pensionsbezug hinzutreten (vgl auch 9 ObA 86/02s).

5. Die Frage, welche konkreten Leistungen des Pensionsinstituts im Sinn des § 2 Abs 2 ArbVG anrechenbar sind, haben die Vorinstanzen dahin beantwortet, dass bei gebotener Gesamtbetrachtung der Satzung des Pensionsinstituts und des allgemeinen Sozialversicherungssystems unter dem Begriff „Pensionsleistungen“ nur laufende Zahlungen verstanden werden könnten, aber nicht eine einmalige Beitragsrückerstattung.

Die Revision führt dagegen ins Treffen, dass die Satzung des Pensionsinstituts den in § 2 Abs 2 ArbAbfG verwendeten Begriff der „Pensionsleistung“ als solchen überhaupt nicht kennt, sondern nur „Versicherungsleistungen“, wobei sie in ihrem § 34 unter dem Titel „Leistungen“ zwischen Ruhegenuss, Beitragsrückerstattung, Hinterbliebenenversorgung und Abfindung unterscheidet.

Dieser Einwand ist beachtlich. Geht man mit den Vorinstanzen davon aus, dass der Gesetzgeber des § 2 Abs 2 ArbAbfG - ungeachtet der augenfälligen sonstigen legistischen Mängel dieser Bestimmung (neben der Definition der „gesetzlichen Pensionsversicherung“ selbst ist auch der Anwendungsbereich offenbar unvollständig, vgl Migsch, aaO, 194) - dem Wort „Pensionsleistung“ eine ganz spezifische Bedeutung beigemessen hat, liegt nach dem in der zugrundeliegenden Satzung gepflogenen Sprachgebrauch eher nahe, dass es sich um „eine Leistung des Pensionsinstituts“ handeln muss. Waren nämlich dem Gesetzgeber bei der Schaffung des § 2 Abs 2 ArbAbfG die Leistungsdefinitionen in der Satzung des Pensionsinstituts bewusst, wie das Berufungsgericht unterstellt hat, hätte er wohl den im Zusammenhang eindeutigen Ausdruck „Ruhegenuss“ verwendet, hätte er die Einrechnung tatsächlich auf diesen beschränken wollen. Bei der Auslegung der statt dessen gewählten allgemeinen Bezeichnung als „Pensionsleistung“ kann daher mit der Heranziehung des allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauchs nicht das Auslangen gefunden werden.

6. Gegen das Ergebnis der Vorinstanzen spricht zunächst § 34 DBO, der anordnet, dass im Fall der Zuerkennung einer „Abfindung“ die „fiktiven Pensionsleistungen“ in die Abfertigung einzurechnen sind. Dass mit dieser in der DBO genannten „Abfindung“ entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinesfalls die in § 29 Z 5 lit b der Satzung des Pensionsinstituts definierte Leistung gemeint sein kann, ergibt sich daraus, dass diese aus dem Versicherungsfall des Todes an die Hinterbliebenen gebührt und nur beansprucht werden kann, wenn eine Hinterbliebenenversorgung mangels Erfüllung der Wartezeit nicht gebührt (§ 59 Abs 1 der Satzung). Bei Leistung einer „Abfindung“ im wörtlichen Sinn der Satzung des Pensionsinstituts gibt es daher überhaupt keine fiktive einrechenbare Pensionsleistung. Hinzu kommt, dass § 2 Abs 2 ArbAbfG ebenso wie § 23 Abs 5 AngG nach herrschender Auffassung auf Hinterbliebenenansprüche nicht unmittelbar anwendbar ist (Migsch aaO, 198; Löschnigg AngG II, § 23 Rz 36; vgl auch RIS-Justiz RS0028424).

Es ist daher naheliegend, dass es sich bei der in § 34 DBO so bezeichneten „Abfindung“ tatsächlich um nichts anderes handelt als um die in § 39 des Statuts definierte Beitragsrückerstattung, bei der ein bereits erworbener und der Höhe nach feststehender Ruhegenussanspruch mit einem Einmalbetrag abgefunden wird. Eine abschließende Beantwortung dieser Frage kann allerdings insofern dahingestellt bleiben, als die einseitig zwingenden Abfertigungsansprüche nach § 3 ArbAbfG durch eine Kollektivvertragsregelung nicht eingeschränkt werden dürften, weshalb es letztlich auf die Auslegung der gesetzlichen Voraussetzungen ankommt.

7. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Einrechnungsanordnung, es im Abfertigungszeitraum zu keiner Doppelversorgung der beim Pensionsinstitut Zusatzversicherten gegenüber den nur nach dem ASVG Versicherten kommen zu lassen, ist eine Reduktion des Begriffs der „Pensionsleistungen“ ausschließlich auf laufende Bezüge jedenfalls dort nicht sachgerecht, wo die Satzung des Pensionsstatuts in Form der Beitragsrückerstattung eine äquivalente, vom Arbeitnehmer aus eigenem Gutdünken wählbare Leistung vorsieht. Mit der Präferenz für eine Beitragsrückerstattung bringt der Versicherte zum Ausdruck, dass die Einmalzahlung aus seiner Perspektive - für die es verschiedenste überzeugende persönliche Gründe geben kann - günstiger als die monatliche Leistung ist.

Auch die Abfertigung ist im Prinzip eine Einmalzahlung, ungeachtet ihres auf eine längere Periode abstellenden Versorgungszwecks und ihrer möglichen Abstattung in Raten. Die periodenäquivalente Einrechnung einer anderen Einmalzahlung mit gleichartiger Funktion steht daher zum Sinn des § 2 Abs 2 ArbAbfG in keinem Spannungsverhältnis.

8. Der Revision ist auch darin beizupflichten, dass nur diese Auslegung der Absicht des Gesetzgebers Rechnung trägt, alle Versorgungsansprüche in die Abfertigung einzurechnen, die über das Niveau der ASVG-Pension hinaus bestehen. Neben der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer, die in den Gesetzesmaterialien besonders betont wird, dient die Einrechnungsbestimmung unübersehbar auch der Entlastung des Dienstgebers, der im Gegenzug für seine langjährigen Beiträge zur besseren Altersversorgung der Arbeitnehmer eine etwas geringere Abfertigung zu zahlen hat. Es besteht kein nachvollziehbarer Grund, es in das einseitige Belieben des Arbeitnehmers zu stellen, dem Arbeitgeber diesen Vorteil aus der Zusatzversicherung durch die Wahl einer Einmalabfindung der Ruhegenussleistungen zu entziehen, egal ob sie als solche oder eben als „Beitragsrückerstattung“ bezeichnet wird.

9. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach den §§ 19, 30 ff des Statuts der Anspruch auf den Ruhegenuss aus den Versicherungsfällen des Alters und der Erwerbsunfähigkeit bereits mit dem Bezug einer entsprechenden ASVG-Pension entsteht, nur die Zahlungspflicht fällt erst mit dem Zeitpunkt der Antragstellung beim Pensionsinstitut an. Bei Beendigung seines Dienstverhältnisses und der Entstehung seines Abfertigungsanspruchs hatte der Kläger, der nahtlos in die ASVG-Pension übergetreten ist, daher bereits Anspruch auf monatliche Ruhegenussleistungen, deren grundsätzliche Einrechenbarkeit nach § 2 Abs 2 ArbAbfG er selbst nicht in Frage stellt. Sein Abfertigungsanspruch war damit aber von vorne herein unter Berücksichtigung eines Einrechnungsbetrags zu ermitteln. Die Vorgangsweise der Beklagten, zunächst einen ungekürzt errechneten Abfertigungsbetrag auf den Ratenzeitraum aufzuteilen und - nachdem ihr die Höhe des fiktiven Ruhegenusses bekannt geworden war - die letzte Rate „einzubehalten“, stellt nur eine besondere Form der Verrechnung dar. Für den Kläger war diese Verrechnung auch günstiger, weil er so seine Abfertigung schneller erhalten hat, als es bei Aufteilung des von vorne herein verminderten Betrags auf die gesamte Laufzeit der Fall gewesen wäre.

Da die vom Kläger anstelle seines bereits entstandenen Ruhegenussanspruchs gewählte Beitragsrückerstattung nach § 36 Abs 1 der Satzung die Beendigung des versicherten Dienstverhältnisses voraussetzt, kann im Fall unmittelbar anschließender Pensionierung ein Rückerstattungsantrag immer erst gestellt werden, wenn der Ruhegenussanspruch bereits entstanden (und nur noch nicht angefallen) ist. Die Entscheidung für die Rückerstattung läuft in diesem Fall auf eine bloße Variante der Anspruchsverwendung hinaus; diese bietet keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Erhöhung des Abfertigungsanspruchs.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass im Fall einer Beitragsrückerstattung nach § 36 der Satzung des Pensionsinstituts die auf den Abfertigungszeitraum entfallenden fiktiven Ruhegenussleistungen aus der Zusatzversicherung in die Abfertigung nach § 2 Abs 2 ArbAbfG einzurechnen sind, wenn das Dienstverhältnis durch Pensionsantritt des Arbeitnehmers beendet wurde.

10. Davon ausgehend ist der Einwand des Klägers zu prüfen, die Leistungsansprüche nach dem Statut des Pensionsinstituts würden zur Hälfte auf Arbeitnehmerbeiträgen beruhen, sodass die Arbeitnehmer ihre Abfertigung zum Teil selbst finanzieren müssten, wenn der Ruhegenuss in voller Höhe eingerechnet würde.

Nach den eingangs zitierten Materialien zum § 2 Abs 2 ArbAbfG war dem Gesetzgeber bei Schaffung der Einrechnungsbestimmung durchaus bewusst, dass auch die Arbeitnehmer Pflichtbeiträge zu dieser Zusatzversicherung zu leisten haben. Die Zusatzpension des Pensionsinstituts wird durch die Einrechnungsbestimmung des § 2 Abs 2 ArbAbfG im Wesentlichen wie eine betriebliche Versorgungszusage behandelt, die ebenfalls bei entsprechender (einzelvertraglicher oder kollektivvertraglicher) Vereinbarung in die Abfertigung eingerechnet werden darf, wenn und soweit sie eine über das gesetzliche ASVG-Niveau hinausgehende Versorgung bietet.

Nach herrschender Ansicht hat die Anrechnung von vertraglichen Pensionsleistungen auf die Abfertigung grundsätzlich einem Günstigkeitsvergleich standzuhalten. Das Günstigkeitsprinzip des § 3 Abs 1 ArbVG greift auch bei Verzicht auf unabdingbare gesetzliche Ansprüche durch und ermöglicht auf diese Weise sinnvolle vertragliche Gestaltungen (RIS-Justiz RS0051028).

11. Bei privatrechtlicher Zusatzversorgung aufgrund von Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die Vereinbarung einer Einrechnung in die Abfertigung (bzw umgekehrt: das Ruhen des Zusatzpensionsanspruchs während des Abfertigungszeitraums) zulässig.

Nach § 16 Abs 1 BPG dürfen die in diesem Bundesgesetz geregelten, die gesetzliche Pensionsversicherung ergänzenden (§ 1 BPG) Leistungen durch Versorgungsleistungen, die auf Beiträgen der Leistungsberechtigten beruhen, nicht gemindert werden, ausgenommen aber durch Versorgungsleistungen, die zumindest zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen. Die Abfertigung als reine Dienstgeberleistung ist auf die kongruenten Zwecken dienende Betriebspension anrechenbar (vgl Schrammel BPG § 16 Erl 3.3).

Da nach der gefestigten Rechtsprechung keine Summenanrechnung stattzufinden hat, sondern nur begrenzt auf den Abfertigungszeitraum einander überdeckende Leistungen gegenzuverrechnen sind, ist die Anrechnung der (fiktiven) Ruhegenussraten nicht ungünstiger als eine ungekürzte Abfertigung ohne Zusatzpensionsanspruch.

Die sachliche Rechtfertigung der gesetzlichen Einrechnung einer Zusatzversicherung des Dienstnehmers nach § 2 Abs 2 ArbAbfG in die vom Arbeitgeber grundsätzlich unabdingbar zu zahlende Abfertigung besteht darin, dass der Arbeitgeber durch Beistellung dieser Versorgung seine Pflicht bereits auf eine andere, aber dem Zweck der Abfertigung genauso entsprechende Weise erfüllt hat. Bei Ansprüchen aus einer vom Arbeitnehmer allein finanzierten Altersversorgung mangelt es hingegen an einer verrechenbaren Leistung des Arbeitgebers.

In der Literatur wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 2 Abs 2 ArbAbfG dahin geäußert, dass eine selbst finanzierte Zuschusspension dem Arbeitnehmer durch die Anrechnung auf die Abfertigung nicht wieder entzogen werden dürfe. Eine gesetzlich verfügte willkürliche Schlechterstellung einer kleinen Arbeitnehmergruppe ohne sachliche Rechtfertigung widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz (Martinek/Schwarz, Abfertigung - Auflösung des Arbeitsverhältnisses 298; vgl auch DRdA 1994, 14 [Schindler]).

Diese Erwägungen beruhen auf der Rechtslage vor Inkrafttreten des § 16 BPG und erscheinen insoweit überholt, als § 2 Abs 2 ArbAbfG, der sich ebenfalls nur auf die über das ASVG-Niveau hinausgehenden Leistungen bezieht, keine singuläre Regelung mehr beinhaltet, sondern die vertragliche Anrechenbarkeit von paritätisch finanzierten Zusatzversorgungsleistungen auf kongruente Arbeitgeberleistungen nun den gesetzlichen Regelfall bildet.

12. Soweit der Kläger damit argumentiert, er habe nach dem Pensionsstatut nur 50 % der insgesamt geleisteten Beiträge und damit überhaupt nur seinen eigenen Dienstnehmeranteil rückerstattet erhalten, übersieht er, dass das Pensionsstatut keine getrennte Verwaltung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge vorsieht. Die Höhe des nach § 54 des Statuts rückzuzahlenden Betrags von 50 % der „entrichteten Beiträge“ bezieht sich auf das gesamte gemeinsame Beitragsaufkommen; daran ändert die rein rechnerische Übereinstimmung dieses Betrags mit den vom Kläger selbst geleisteten (aufgezinsten) Beiträgen nichts.

Nach der Rechtsansicht des Klägers und der Vorinstanzen hätte ein nach dem Statut des Pensionsinstituts Versicherter bei Beendigung des Dienstverhältnisses die Wahl, die gesetzliche Zusatzversicherung durch Entscheidung für eine Rückerstattung seiner eigenen, verzinsten Beiträge (ähnlich einem Sparguthaben) zu unterlaufen, wogegen der Arbeitgeber seine entrichteten Dienstgeberbeiträge weder zurückverlangen, noch die Vorteile aus der Versicherungsleistung in Form einer geringeren Abfertigung und einer besseren Altersversorgung der Dienstnehmer erlangen könnte. Eine solche Auslegung würde § 36 der Satzung des Pensionsstatuts sowie § 2 Abs 2 ArbAbfG jedenfalls einen verfassungsrechtlich bedenklichen Inhalt unterstellen.

Der Revision war daher Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG iVm §§ 41, 50 ZPO. Für die Berufung wurde von der Beklagten keine Pauschalgebühr verzeichnet.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E97525

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00046.10P.0525.000

Im RIS seit

22.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten