Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Neger/Ulm Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Stadtg*****, vertreten durch Dr. Bernhard Grillitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen 2.834,22 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. September 2010, GZ 7 Ra 61/10x-23, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Jänner 2010, GZ 22 Cga 29/09p-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die seit 1990 bei der beklagten Stadtgemeinde beschäftigte Klägerin erhielt neben ihrem Monatsgehalt entsprechend einem Gemeindevorstandsbeschluss vom 1. 7. 1992 eine EDV-Zulage in der Höhe von 1.100 ATS pro Monat fünfzehn Mal jährlich. Einen Gemeinderatsbeschluss gibt es nicht. Mit Gemeindevorstandsbeschluss vom 13. 2. 1995 wurde ihr eine unbefristete EDV-Zulage zuerkannt. Diese wurde mit Gemeindevorstandsbeschluss vom 20. 3. 2001 auf 2.000 ATS erhöht. Zuletzt erhielt die Klägerin unter dem Titel EDV-Zulage bis einschließlich August 2008 einen Betrag von 472,37 EUR monatlich. Seit September 2008 wird der Klägerin die EDV-Zulage nicht mehr ausbezahlt. Die Klägerin erhielt im Laufe der Jahre auch noch verschiedene andere Zulagen und zusätzlich Leistungen, die jedoch für das Revisionsverfahren nicht mehr relevant sind.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin insgesamt 2.834,22 EUR brutto sA. Sie habe seit Jahren regelmäßig ohne irgendeinen Vorbehalt diese EDV-Zulage erhalten. Auch wenn diese im Gemeindevertragsbedienstetengesetz keine Deckung finde, sei sie ihr doch durch den Bürgermeister als zur Vertretung der Stadtgemeinde befugtem Organ schriftlich zugesagt worden. Der Klägerin sei nicht bekannt gewesen, dass die klagsgegenständliche Zulage nicht im Gemeinderat beschlossen worden sei. Wesentlich sei auch, dass der Gemeinderat, der von der Gewährung dieser Zahlungen habe wissen müssen, jahrelang nicht reagiert und die Vorgangsweise daher geduldet habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die Gemeinde zwar grundsätzlich die Möglichkeit habe, gemäß § 39 Stmk GVBG Sonderverträge abzuschließen, dass dies jedoch der ausdrücklichen Genehmigung des Gemeinderats bedürfe, die fehle. Die Klägerin habe das auch gewusst.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging zusammengefasst davon aus, dass Sonderverträge nur nach Maßgabe des § 39 Stmk GVBG möglich seien. Eine Wirksamkeitsvoraussetzung sei, dass derartige Verträge als „Sonderverträge“ bezeichnet würden; darüber hinaus bedürfe es einer ausdrücklichen Genehmigung durch den Gemeinderat. Die Klägerin, die von diesen Formerfordernissen auch habe wissen müssen, genieße keinen Vertrauensschutz.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Zahlung im Gesetz nicht vorgesehener Zulagen könne nur Gegenstand eines Sondervertrags sein. § 39 Stmk GVBG normiere, dass in begründeten Fällen im Dienstvertrag zugunsten des Vertragsbediensteten vom Gesetz abweichende Regelungen getroffen werden können. Solche als Sonderverträge zu bezeichnenden Verträge bedürften der Genehmigung des Gemeinderats. Hier sei kein als Sondervertrag bezeichneter schriftlicher Vertrag geschlossen worden. Der Gemeinderat sei damit auch nicht befasst worden. Der Gemeindevorstand bestehe bloß aus dem Bürgermeister, dem Vizebürgermeister und dem Gemeindekassier, bzw in Gemeinden über 3.000 Einwohnern auch aus zwei Vizebürgermeistern und einem weiteren Vorstandsmitglied. Den Formerfordernissen des § 39 Stmk GVBG werde durch einen Beschluss des Gemeindevorstands keinesfalls Genüge getan. Auch eine konkludente Genehmigung liege nicht vor. Zwar habe der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung den Standpunkt vertreten, es sei ein äußerer Tatbestand gegeben, wenn der Gemeinderat auf die Gewährung eines „Wirtschaftstages“ nicht reagiert habe, obwohl im Hinblick auf die überschaubare Organisationsgröße die regelmäßige Gewährung desselben den Mitgliedern des Gemeinderats nicht verborgen habe bleiben können. In jüngeren Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass bei fehlender Vertretungsmacht die Regeln über die Anscheinsvollmacht zu gelten haben, wenn das kompetente Organ den Anschein erweckt habe, die Handlung sei durch seine Beschlussfassung gedeckt. Das Vertrauen müsse seine Grundlage im Verhalten des Vollmachtgebers haben. Der Oberste Gerichtshof habe die doppelte Schutzfunktion betont. Diese bestehe einerseits im zusätzlichen Zustimmungserfordernis und andererseits im notwendigen ausdrücklichen Vorliegen dieser Zustimmung. Daher könne ein bloß passives Verhalten des Gemeinderats dessen nach § 39 Stmk GVBG erforderliche Genehmigung auch dann nicht ersetzen, wenn Gemeinderatsmitglieder im Einzelfall Kenntnis von der Zulagengewährung an die Klägerin hatten.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht zur Frage, ob das Wissen und Dulden von Zahlungen von im Gesetz nicht vorgesehenen Entgeltbestandteilen an Bedienstete einer Gemeinde durch Gemeinderatsmitglieder als konkludente Genehmigung eines Sondervertrags gemäß § 39 Stmk GVBG angesehen werden könne, als zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Die Klägerin releviert es als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass von ihr im erstgerichtlichen Verfahren beantragte Zeugen nicht einvernommen wurden. Bereits das Berufungsgericht hat sich mit dieser Mängelrüge auseinandergesetzt und diese verworfen. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens in der Revision nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043111; RS0042963).
In der Rechtsrüge hält die Klägerin den Ausführungen des Berufungsgerichts im Wesentlichen entgegen, dass auch das Vertrauen der Klägerin als Arbeitnehmerin schutzwürdig sei. Die Klägerin habe die Zulage über viele Jahre erhalten und habe davon ausgehen können, dass diese durch entsprechende Beschlüsse gedeckt sei. Dies entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt, weil nicht die idente Zulage, sondern Zulagen in sehr unterschiedlicher Höhe gewährt wurden. Insoweit entzieht sich die Rechtsrüge schon einer näheren Behandlung (Kodek in Rechberger ZPO3 § 503 Rz 22).
Darüber hinaus ist aber auf die Schutzfunktion der Bestimmungen über die Sonderverträge zugunsten des Dienstgebers und der Allgemeinheit der Steuerzahler zu verweisen. Auf Dienstgeberseite kann nur mit einer besonderen Willensbildung und Verantwortung von den allgemeinen Vorgaben des Gesetzgebers abgegangen werden (vgl auch 9 ObA 46/09v). Fehlt die erforderliche Genehmigung des Vertrags durch die zuständigen verantwortlichen Gremien, scheidet der Vertrauensschutz aus; der Vertrag ist rechtsunwirksam (RIS-Justiz RS0029314 ua). Die Betonung des Ausnahmecharakters im Gesetz gebietet eine strenge Auslegung (RIS-Justiz RS0008975 ua). Teilweise wurde in der Rechtsprechung darauf zurückgegriffen, dass sich die Wirksamkeit des Vertrags auch dann ergeben kann, wenn das zum Vertragsabschluss zuständige Organ den Anschein der Genehmigung erweckt hat (RIS-Justiz RS0018211, RS0014726). Woraus sich dies hier ergeben sollte, führt die Klägerin nicht näher aus. Im Wesentlichen stützt sich die Klägerin nur darauf, dass doch der Bürgermeister und der Gemeindevorstand der beklagten Gemeinde zuzurechnen wären. Dazu hat aber der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass sich der Anschein nicht aus dem Verhalten eines anderen als des zuständigen Organs ergeben kann (OGH 8 Ob 11/09i).
Auch das weitere Argument, dass es auch bei anderen Gemeindebediensteten zu nicht durch Gemeinderatsbeschlüsse gedeckten Zuschüssen gekommen sei, vermag keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weil durch die Rechtsprechung bereits hinreichend klargestellt ist, dass der Anschein eines Gemeinderatsbeschlusses für den konkreten Sondervertrag gegeben sein muss (RIS-Justiz RS0014726).
Im Ergebnis ist daher die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.
Schlagworte
ArbeitsrechtTextnummer
E97522European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:009OBA00125.10P.0526.000Im RIS seit
22.06.2011Zuletzt aktualisiert am
31.01.2013