TE OGH 2011/6/7 12Os53/11b

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Veröffentlicht am 07.06.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther H***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. September 2010, GZ 54 Hv 74/10m-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 24. November 2009 in Wien Annemarie B***** mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er diese von hinten zu Boden stieß und ihr eine braune Ledereinkaufstasche entriss, in der sich die Geldbörse der Genannten samt 125 Euro Bargeld, deren Schlüssel und deren Mobiltelefon befanden, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung der Annemarie B*****, nämlich eine Prellung der linken Hüfte und eine Verrenkung des körpernahen Fingergelenks am Mittelfinger links, verbunden mit einer mehr als vierundzwanzigtägigen Gesundheitsschädigung zur Folge hatte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3 und 4 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Das Vorbringen (Z 3), die Vorsitzende des Schöffengerichts habe das der Zeugin Nicole R***** aufgrund ihrer Lebensgemeinschaft mit dem Angeklagten zustehende Entschlagungsrecht nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO missachtet, übersieht, dass dieses Recht der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (RIS-Justiz RS0117927) und von der - in welcher Form immer geschehenen - gerichtlichen Anerkennung abhängig ist, welche vorliegend durch die Belehrung der Zeugin über die Wahrheitspflicht (ON 16 S 15) versagt wurde. Das Gericht kann sich nicht mit der bloßen Behauptung einer Entschlagungsberechtigung, insbesondere wegen eines Angehörigenverhältnisses zum Angeklagten aufgrund einer aufrechten Lebensgemeinschaft, zufriedengeben (vgl § 159 Abs 2 StPO), weil die Vorstellung des Zeugen über das Wesen einer solchen Gemeinschaft vom gesetzlichen Inhalt dieses Begriffs (§ 72 Abs 2 StGB) abweichen kann. Die in der Beschwerde insoweit nachgetragene Behauptung einer „Wirtschaftsgemeinschaft“ erweist sich im Übrigen als aktenfremde Neuerung, weil die Zeugin in einem Mädchenheim ohne Besuchsmöglichkeit (vgl die Angaben des Angeklagten ON 16 S 11 f, jene der Zeugin zu dieser Frage ON 16 S 13, 15) wohnt.

Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge (Z 4) versagt gleichermaßen, weil der noch vor der Belehrung über ein allfälliges Entschlagungsrecht gestellte Antrag auf Abstandnahme von der Verlesung der Angaben der Zeugin R***** (der Sache nach Abstandnahme vom Vorhalt dieser Angaben) zu Recht abgewiesen wurde (ON 16 S 9). Er lässt nämlich jegliche Darlegung der ein Entschlagungsrecht rechtfertigenden Tatsachengrundlage vermissen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 223). Im Übrigen wurde die Aussage dieser Zeugin vor der Polizei schließlich durch einvernehmliche Verlesung (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) in das Verfahren eingebracht (ON 19 S 11).

Dem - offenbar auf zwar missverständlicher, aber ihrem Sinn nach eindeutiger Protokollierung (ON 16 S 3) beruhenden - Einwand (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO), eine Beeidigung der Schöffen sei „nicht durchgeführt“ worden, ist zu entgegnen, dass diese in einem früheren Verfahren in demselben Jahr (§ 240a Abs 1 erster Satz StPO) stattgefunden hat. Wegen Verletzung der Vorschrift des § 240a StPO liegt der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO nur vor, wenn Schöffen zur Hauptverhandlung herangezogen werden, die weder bei Beginn derselben noch sonst zuvor im Lauf des Kalenderjahrs beeidet worden sind. Die Unterlassung der Beurkundung (§ 240a Abs 3 StPO) einer Beeidigung steht ebensowenig unter Nichtigkeitssanktion wie ein bloß mangelhafter (hier die Aktenzahl des vorangegangenen Verfahrens nicht beinhaltender) Hinweis auf eine solche in einem früheren Verfahren (RIS-Justiz RS0098251).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO) - bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97573

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00053.11B.0607.000

Im RIS seit

29.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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