TE OGH 2011/6/7 12Os50/11m

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Veröffentlicht am 07.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Arijan K***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jesmir K***** sowie über die Berufung der Privatbeteiligten Sabine S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 23. Dezember 2010, GZ 41 Hv 212/10y-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg und in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Mitangeklagten enthält, wurde Jesmir K***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er - gekürzt wiedergegeben - in der Nacht von 24. auf 25. September 2010 in Salzburg mit dem Vorsatz, sich und Dritte durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dazu beigetragen, dass Arijan K***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Sabine S***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 3.140 Euro und ein Mobiltelefon abnötigte, indem er während der mit einer Spielzeugpistole in einem Lokal verübten Tat mit Adonis K***** Aufpasserdienste leistete.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO stützt. Sie verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge gelingt es nicht, formale Begründungsfehler aufzuzeigen.

Undeutlichkeit der Entscheidungsbegründung (Z 5 erster Fall) liegt nämlich nur vor, wenn aus objektiver Sicht nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob und aus welchen Gründen entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen festgestellt wurden (RIS-Justiz RS0099480). Unvollständig ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt (RIS-Justiz RS0118316), offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317, RS0108609). Die Urteilskontrolle anhand der in Z 5 genannten Kriterien gilt den zu den entscheidenden Tatsachen getroffenen Feststellungen. Sie kann sich aber nicht auf unterbliebene Konstatierungen beziehen. Eine „Unvollständigkeit“ der Feststellungsebene kann demnach aus dem Blickwinkel der Mängelrüge nicht bedeutsam sein, wohl aber für die Fragen, ob der festgestellte Sachverhalt den Schuldspruch rechtlich tragen kann (§ 281 Abs 1 Z 9, 10 und 10a) und ob das Erstgericht die im betreffenden Fall maßgeblichen Grenzen der Sanktionsbefugnis missachtet hat (Z 11). Das Aufgreifen formaler Mängel muss sich überdies auf entscheidende Tatsachen beziehen (RIS-Justiz RS0106268) und an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nehmen (RIS-Justiz RS0119370).

Indem der Nichtigkeitswerber insgesamt - ohne sich an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe zu orientieren - einzelne Elemente der Argumentationskette des Erstgerichts isoliert bekämpft und unter Bezugnahme auf seine Verantwortung eigene Schlüsse zieht, verlässt er bereits damit den dargelegten Anfechtungsrahmen.

Einer Erläuterung der Begriffe „Aufpasserdienste“ sowie „Warnen“ (Z 5 erster Fall, inhaltlich teilweise Z 9 lit a) bedurfte es schon aufgrund deren allgemeiner Verständlichkeit nicht. Von welchem der bereits zuvor (US 5) über den Tatplan des Erstangeklagten informierten Beitragstäter die Absicht, diesen zu unterstützen, geäußert wurde, betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsache. Mit der Verantwortung des Beschwerdeführers setzte sich das Erstgericht sogar sehr ausführlich auseinander (US 10 bis 12) und ließ daher weder diese noch die Angaben des Erst- und Zweitangeklagten unerörtert. Aus welchem Grund es für die Beitragstäterschaft von Bedeutung sei, dass der unmittelbare Täter bereits zur Tat entschlossen gewesen war, lässt die Beschwerde offen; die innere Tatseite aus dem äußeren Geschehen abzuleiten ist keineswegs unzulässig (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klar zu stellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Die Argumentation des Angeklagten, das bloße Begleiten des Täters und die Duldung der Tatausführung reiche zur Verwirklichung des Tatbestands nicht hin, er sei „lediglich in der Nähe des Tatorts anwesend“ gewesen und es mangle an der Konstatierung des „Zueignungs-, Bereicherungs- und Nötigungsvorsatzes“, übergeht aber die Feststellungen des Erstgerichts sowohl zur subjektiven wie zur objektiven Tatseite, wonach die Beitragstäter über den Tatplan informiert waren, gemeinsam mit dem unmittelbaren Täter „den Tatplan“ schmiedeten und „die Aufgaben“ verteilten (US 5), während der Tat Aufpasserdienste leisteten, um diesen warnen oder zufällig vorbeikommende Personen ablenken zu können, ihn somit psychisch und physisch unterstützten, wobei ihnen die Verwendung der Spielzeugpistole als Nötigungsmittel ebenso bekannt war wie die beabsichtigte Geldwegnahme, welche die drei Angeklagten unrechtmäßig bereichern sollte (US 7).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Privatbeteiligten folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97515

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00050.11M.0607.000

Im RIS seit

21.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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