Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg M*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Herbert O*****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 72.669 EUR sA (eingeschränkt: 69.765,76 EUR sA) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. März 2011, GZ 3 R 201/10i-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. September 2010, GZ 6 Cg 49/10b-9, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist im Umfang der Entscheidung über das im Rekurs der klagenden Partei eingeschränkte Begehren von 2.903,24 EUR wirkungslos.
2. Der Rekurs der klagenden Partei wird in Ansehung des restlichen Begehrens von 69.765,76 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 1. 2008 zurückgewiesen.
3. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu 1.:
Der Kläger hat in seinem Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss eine - zulässige (RIS-Justiz RS0039644) - Klageeinschränkung im Umfang von 2.903,24 EUR vorgenommen, weshalb in Ansehung dieses Teilbegehrens sowie in analoger Anwendung des § 483 Abs 3 ZPO (6 Ob 518/92 = JBl 1992, 724) der Ausspruch zu erfolgen hatte, dass der Beschluss des Gerichts zweiter Instanz insoweit als wirkungslos anzusehen ist (3 Ob 53/09d).
Zu 2.:
Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgrund eines primären Verfahrensmangels sowie wegen sekundärer Verfahrensmängel aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Dementsprechend unterblieb eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen Beweisrüge der Berufung. Vor endgültiger Klärung des Inhalts der vom Kläger in der Zusatzvereinbarung vom 15. 1. 2002 eingegangenen, teilweise durch eine Bankgarantie besicherten Zahlungsverpflichtung könne auf die Tatsachen- und Beweisrüge nicht eingegangen werden.
Es bedürfe jedenfalls ergänzender Feststellungen zum Inhalt der zwischen dem Kläger und dem Beklagten in Vorbereitung und im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags und der Zusatzvereinbarung geführten Verhandlungen, um nach der gemäß § 914 ABGB maßgeblichen Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs beurteilen zu können, ob dem Beklagten in Wahrheit kein Anspruch gegen den Kläger aus der durch die Bankgarantie besicherten Zusatzvereinbarung zustand. In diesem Umfang sei eine Erörterung und Verfahrensergänzung vorzunehmen.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage der Verjährung von im Zusammenhang mit Gewährleistungsansprüchen stehenden bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen analog § 1431 ABGB keine höchstgerichtliche Rechtsprechung aufgefunden werden konnte und auch neuere Judikatur zu den Folgen der Vereinbarung unerlaubter Bedingungen [„Schwarzzahlungen“] in Geschäften unter Lebenden fehle.
Entgegen dieser - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ansicht des Berufungsgerichts über das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO erweist sich der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss als nicht zulässig. Der Rechtsmittelwerber muss nicht die von der zweiten Instanz als erheblich qualifizierte Rechtsfrage geltend machen, sondern kann zur Begründung der Zulässigkeit auch andere Rechtsfragen ins Treffen führen, deren Lösung nach seiner Ansicht erhebliche Bedeutung zukommt (vgl 1 Ob 71/02a).
Im vorliegenden Fall hat der Rekurswerber weder die vom Berufungsgericht genannten Fragen noch sonst Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 (iVm § 519 Abs 2) ZPO zum Gegenstand seines Rechtsmittels gemacht.
Die Ausführungen haben sich daher auf die Zurückweisungsgründe zu beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Ganz zutreffend hat das Berufungsgericht auf die gesicherte Rechtsprechung zur beschränkten Bindungswirkung abweisender Vorentscheidungen hingewiesen (RIS-Justiz RS0041454) und damit eine Bindung an die Ergebnisse des Verfahrens 31 Cg 121/04s des Landesgerichts Wels verneint. Dagegen wendet sich der Rekurs nicht, hält aber seinen im Verfahren erstatteten Einwand aufrecht, bei richtiger rechtlicher Beurteilung komme der Entscheidung im Verfahren 8 Cg 133/08t des Landesgerichts Wels Bindungswirkung zu. Dass die Klage des hier Beklagten gegen den hiesigen Kläger auf Zahlung zweier (nicht besicherter) Raten aus der „Zusatzvereinbarung“ zum Unternehmenskaufvertrag abgewiesen wurde, weil der dortige Kläger seiner Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen war, vermag allerdings keine Bindungswirkung für das hier gestellte, auf andere Tatsachen gegründete Begehren zu erzeugen. Eine rechtliche Fehlbeurteilung wird in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.
2. In seinen Rechtsmittelausführungen macht der Kläger als Anspruchsgrund die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie durch den Beklagten geltend und führt aus, sich ausdrücklich nicht auf Gewährleistungsansprüche zu stützen. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung sei er zur Leistungskondiktion berechtigt. Eine solche verjähre in 30 Jahren (sodass der entsprechende Einwand des Beklagten unbeachtlich sei). Diese Ansicht ist zutreffend und durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt:
Steht dem aus einer Bankgarantie Begünstigten in Wahrheit kein Anspruch auf die durch die Garantie gesicherte Leistung zu, so kann grundsätzlich nur der Auftraggeber Bereicherungsansprüche gegen den Empfänger geltend machen. Diese dem Auftraggeber zustehende Leistungskondiktion kann unter analoger Anwendung des § 1431 ABGB geltend gemacht werden, weil die Lage des Auftraggebers, der zwar erkennt, dass die Garantie zu Unrecht abgerufen wird, aber wegen der abstrakten Ausgestaltung der von ihm in Auftrag gegebenen Bankgarantie die Leistung nicht mehr zu verhindern vermag, derjenigen des Irrenden rechtsähnlich ist (1 Ob 182/98s = JBl 1999, 250; 1 Ob 208/99s = SZ 72/131; 1 Ob 242/99s = SZ 73/10; RIS-Justiz RS0106545; RS0016972). Dieser Grundsatz wird auch auf den Fall des Rechtsmissbrauchs angewendet (RIS-Justiz RS0106545 [T4]). Im Fall der Rückforderung einer zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung werden nicht Ansprüche aus einer Garantie geltend gemacht, sondern Ansprüche aus rechtsgrundloser Vermögensverschiebung aufgrund der vom Garanten erbrachten Leistung (1 Ob 182/98s = JBl 1999, 250 mwN). Solche Bereicherungsansprüche verjähren grundsätzlich nach Ablauf der Frist des § 1479 ABGB, somit nach 30 Jahren (vgl Dehn in KBB3 Rz 1 zu § 1478 ABGB mwN). Es wurde auch schon - differenziert nach dem der Kondiktion zugrunde liegenden Anspruch - vom Obersten Gerichtshof die kurze Verjährungsfrist angewendet (vgl ebenfalls die Darstellung in 1 Ob 182/98s = JBl 1999, 250 mwN; Dehn aaO mwN). Forderungen aus der Veräußerung eines Unternehmens fallen aber jedenfalls nicht unter die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0034298, zuletzt 3 Ob 290/05a = SZ 2006/43), sodass sich daraus gerade kein Argument für die Verkürzung der für Kondiktionsansprüche geltenden Verjährungsfristen ergibt (1 Ob 182/98s = JBl 1999, 250).
3. Zum Einwand der mangelnden Fälligkeit des Anspruchs bei Inanspruchnahme der Bankgarantie ist klarzustellen, dass § 1434 2. Satz ABGB auf Rückforderungsansprüche aus einem unberechtigten Garantieabruf nicht anzuwenden ist (7 Ob 108/00h = ÖBA 2001, 555). Ansonsten ist die Frage der Fälligkeit eine der derzeit nicht beurteilbaren Voraussetzungen der Berechtigung des Garantieabrufs.
4. Nicht nachvollziehbar ist eine Berufung auf den Titel des Schadenersatzes, weil dazu bisher kein diesen Anspruch begründendes Vorbringen erstattet wurde. Davon, dass die Verjährungsfrist für den Kläger erst mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils im Vorverfahren 8 Cg 133/08f, sohin im März 2009, zu laufen begonnen hätte, kann keine Rede sein. Im besagten erstinstanzlichen Urteil - das im Übrigen in der Folge abgeändert wurde - war der nunmehrige Kläger zur Zahlung zweier Teilraten aus der Zusatzvereinbarung verpflichtet worden und zwar jenes Teils, der nicht mit Bankgarantie abgesichert war. Das Argument des Rekurses, erst dadurch habe der Kläger Kenntnis davon erlangt, dass Zusagen des Beklagten als zugesicherte Eigenschaften zu qualifizieren seien, lässt nicht erkennen, weshalb er (erst) ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme der Bankgarantie durch den hier Beklagten erlangt haben will.
5. Nach den maßgeblichen Feststellungen rief der Beklagte jeweils im Jänner der Jahre 2004 bis 2007 jeweils den Betrag von 18.168,20 EUR aus der Bankgarantie ab.
Im Verfahren 31 Cg 68/07a (später: 8 Cg 133/08t) des Landesgerichts Wels hat der Beklagte am 20. 11. 2007 der Klagsforderung von 36.336,40 EUR die nun klageweise geltendgemachte Forderung als Kompensandoeinwendung entgegengehalten. Zur Abweisung des Klagebegehrens kam es durch Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 28. 10. 2009. Es trifft also zu, dass im Umfang von 36.336,40 EUR (Streitwert im Verfahren 8 Cg 133/08t) eine teilweise Unterbrechung der Verjährung erfolgte (8 Ob 672/89 = ÖBA 1991, 671; 1 Ob 1724/95 = EF 78.602; RIS-Justiz RS0034534). Erlischt die Gegenforderung durch Aufrechnung nicht, weil etwa die Klagsforderung abgewiesen wird, muss sie anschließend in (jeweils fallbezogen) angemessener Frist klagsweise geltend gemacht werden (SZ 65/139; JBl 2000, 310). Die gegenständliche Klage langte am 25. 2. 2010 bei Gericht ein.
6. Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner wegen Mängeln des Valutaverhältnisses auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen (RIS-Justiz RS0106545 ua). Im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Begünstigtem kommt es also grundsätzlich für die Frage der Berechtigung der Leistungskondiktion darauf an, ob dem Begünstigten bei Abruf der Garantie und Zahlung durch den Garanten aus dem Valutaverhältnis der entsprechende Anspruch zustand oder nicht. Dafür, dass die Garantie zu Unrecht abgerufen wurde (und ihm daher ein Kondiktionsanspruch zusteht), ist der Kläger beweispflichtig (RIS-Justiz RS0033564; 1 Ob 215/03d = JBl 2005, 100 [insofern zust. Dullinger]). Eine Schutzwürdigkeit des Begünstigten aus einer Bankgarantie oder das eindeutige Feststehen der missbräuchlichen Rechtsausübung durch den Begünstigten (vgl RIS-Justiz RS0018006; RS0017997) im Zeitpunkt des Abrufs sind im Verhältnis zum Garanten maßgeblich. Die im Rekurs zitierte Entscheidung 9 ObA 2/06v erging aufgrund eines nicht vergleichbaren anderen Sachverhalts.
7. Soweit Rekursausführungen auf erstgerichtliche Feststellungen über Gegenstand und Zweck der Zusatzvereinbarung bezogen sind, kann darauf derzeit nicht eingegangen werden. Das Berufungsgericht hat diesbezüglich den Sachverhalt noch für aufklärungsbedürftig erachtet, worauf einzugehen dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt ist.
Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO liegen nicht vor. Der Rekurs war daher zurückzuweisen.
Zu 3.:
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, so sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; es findet vielmehr ein Kostenersatz statt, wenn der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (stRsp: RIS-Justiz RS0123222; 6 Ob 222/09d; 5 Ob 9/11a). Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Klägers jedoch nicht hingewiesen (8 ObA 42/09y; 7 Ob 18/10p).
Textnummer
E97595European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00103.11Z.0607.000Im RIS seit
30.06.2011Zuletzt aktualisiert am
12.02.2013